Stadtmagazin Neue Szene Augsburg 2013-08
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info immer auch unter www.neue-szene.de
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32 Zoom<br />
Um diesen Begriff kommt kein Politiker mehr herum: Nachhaltigkeit. Obwohl<br />
der überwiegende Anteil unserer Volksvertreter immer noch wie besessen<br />
vom Wirtschaftswachstum faselt, setzt sich hierzulande zunehmend die<br />
Erkenntnis durch, dass dieses »Mehr« irgendwann ein ganz finsteres »Und<br />
Schluss!« zeitigen könnte. Die Bevölkerung ist in vielen Fällen schon weiter<br />
als ihre Entscheidungsträger und startet selbst Initiativen.<br />
Kochen und Löten für<br />
eine bessere Welt<br />
Die OpenLab-Vorstände Johannes Fürmann und Moritz Bartl<br />
mit Journalistin (v.l.)<br />
Ein Samstagnachmittag im Juli, Antonsviertel,<br />
Hinterhof. In einer ausgebauten Doppelgarage<br />
lädt die Technikselbsthilfewerkstatt<br />
»OpenLab« zum Tag der offenen Tür. Der<br />
kleine Raum ist gut gefüllt, in der Couchecke lötet<br />
eine Gruppe Jugendlicher, auf dem Schreibtisch im<br />
Zentrum des Raumes surrt ein 3D-Drucker, eine<br />
ältere Dame will Tipps zum Computerkauf.<br />
Johannes Fürmann hat trotzdem Zeit auf ein<br />
Gespräch, wir verziehen uns auf die Dachterrasse<br />
über dem Labor. Der 24jährige Informatikstudent ist<br />
einer von drei Vorständen und Gründungsmitglied.<br />
»Das OpenLab <strong>Augsburg</strong> bietet freien Raum für die<br />
Umsetzung von Ideen und das Weitergeben von<br />
Wissen, und fördert den Austausch zwischen den<br />
verschiedenen Technik- und Bastlergruppen«, heißt<br />
es auf der Homepage des im März <strong>2013</strong> gegründeten<br />
Vereins. Anfang Mai wurde die Räumlichkeit im<br />
Antonsviertel bezogen.<br />
Bisher hat der Zusammenschluss nur knapp 20<br />
Mitglieder, doch Johannes ist über das »sehr<br />
gesunde, organische Wachstum«, wie er es nennt,<br />
nicht unglücklich. Über die bisherigen Kontakte<br />
urteilt er ganz lakonisch: »Die einen wollen Geld<br />
sparen, die anderen interessiert’s wirklich.« Ihm<br />
sind beide Gruppen willkommen. »Wir hatten erst<br />
letztens ein älteres Ehepaar, das bestürzt war, dass<br />
OpenLab – gegen den »Wegwerfplastikscheiß«<br />
ihr Toaster nach zehn Jahren den Geist aufgegeben<br />
hat – die meisten jungen Menschen können sich<br />
überhaupt nicht mehr vorstellen, ein Gerät so lange<br />
zu betreiben.«<br />
In den deutschen Haushalten lagern laut dem Branchenverband<br />
Bitkom 20 Millionen alte und ungenutzte<br />
Computer. Und nicht nur das: »Beinahe jedes<br />
technische Gerät ist mittlerweile ein Computer – von<br />
der Armbanduhr bis hin zum Toaster. Und alles kann<br />
man reparieren«,so der OpenLab-Vorstand. »Die<br />
Kollegen der Bike Kitchen zeigen ja im Bezug auf<br />
Fahrräder schon seit Längerem, dass das Konzept<br />
funktioniert. Wir wollen dieses Prinzip nun auf alle<br />
möglichen technischen Gegenstände ausweiten.«<br />
Als Mitglied des OpenLab kann man die Werkstatt<br />
kostenfrei nutzen, aber man muss kein Mitglied<br />
sein, um hier Hilfe zur Selbsthilfe zu bekommen.<br />
Die Preise sind dann Verhandlungssache. Wobei der<br />
Mitgliedsbeitrag von 30 Euro im Monat einigermaßen<br />
hoch ist. Johannes relativiert: »Erstens ist es für<br />
Studenten etc. billiger, zweitens wollen wir dadurch<br />
ein gewisses Commitment zur Idee einfordern und<br />
schlicht und einfach die Miete bezahlen können.«<br />
Die Arbeit des OpenLab geht jedoch über kleine<br />
Hilfestellungen im Alltag hinaus. »Wir haben schon<br />
eine Art Agenda, wir wollen zeigen, wie Technik<br />
funktioniert und dem Wegwerfplastikscheiß entge-<br />
genwirken«, so Johannes. Da drängt sich natürlich<br />
die Frage nach den oft beschworenen Verschleißteilen<br />
auf, mit denen die Industrie für eine beschränkte<br />
Haltbarkeit ihrer Produkte sorgen soll. »Es gibt<br />
starke Anzeichen, dass so etwas Absicht ist«, sagt<br />
Johannes vorsichtig und nennt das Beispiel von<br />
Flachbildschirmen, die »mit neuen Kondensatoren<br />
im Wert von 16 Cent und einem Lötkolben« locker<br />
wieder in Gang gebracht werden könnten – wissen<br />
muss man es halt.<br />
Um dieses Wissen auch grundlegender zu verbreiten,<br />
bieten das OpenLab in Zusammenarbeit mit<br />
dem <strong>Augsburg</strong>er Computer Club in Lechhausen<br />
Workshops an über Grundkonzepte im Umgang<br />
mit Rechnern und, ganz handfest, den richtigen<br />
Gebrauch des Lötkolbens. »Außerdem würden wir<br />
gerne die Berührungsängste abbauen, wir sind nicht<br />
nur bärtige Männer mit komischen Hobbys, auch<br />
wenn Frauen bei uns leider klar unterrepräsentiert<br />
sind«, erzählt Johannes. Beim Fototermin zwei<br />
Wochen später erklärt sich dankenswerterweise<br />
eine Journalistenkollegin bereit, mit aufs Foto zu<br />
kommen...<br />
Für ein erstes Kennenlernen bietet sich die öffentliche<br />
Sprechstunde im OpenLab in der Elisenstraße<br />
1 an: jeden Mittwoch von 18 bis 20 Uhr, auch im<br />
August. www.openlab-augsburg.de