Stadtmagazin Neue Szene Augsburg 2013-08
Das Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung. Aktuelle Info immer auch unter www.neue-szene.de
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74 Augsbürger<br />
In unserer Serie ıAugsbürger„ stellt der Fotograf Fabian Schreyer<br />
Menschen aus unserer Stadt vor, die eigentlich jeder kennt, deren<br />
Namen aber meistens ebenso unbekannt bleiben wie ihre Geschichte.<br />
Bis sie irgendwann einfach nicht mehr da sind.<br />
Augsbürger<br />
*Die Perlach-Türmerin<br />
»Vorsicht, Ohren zuhalten!«, ruft sie kurz vor 17 Uhr. Sekunden<br />
später beginnt das Glockenspiel mit Mozarts »Zauberflöte«.<br />
Maria Thurner aus Neusäß ist Türmerin. Seit 14<br />
Jahren absolviert die 78-Jährige ein- bis zweimal pro Woche<br />
ihren persönlichen Biathlon aus Radfahren und Treppenlauf.<br />
Sieben Kilometer sind es von zu Hause aus in die <strong>Augsburg</strong>er<br />
Innenstadt, 246 Stufen bis zu ihrem luftigen Arbeitsplatz auf<br />
dem Perlachturm.<br />
»Der Schnellste braucht für die 70 Meter bis zur Aussichtsplattform<br />
47,3 Sekunden. Des is a Beamter! Ich brauch’<br />
sechs Minuten. Ich fang’ langsam an und steig’ ganz langsam<br />
durch.« Verschnaufpause? Fehlanzeige: »Wenn ich steh’n<br />
bleib, geht’s mer net gut.« Was für die Türmerin gilt, gilt<br />
auch für Besucher: »Des müssen’s scho’ durchsteig’n, sonst<br />
koscht’s s’Doppelte«, werden diese schon mal ermahnt. 1,50<br />
€ zahlt man für den Rundumblick, der einen 15 Stufen höher<br />
erwartet. »Es sei denn, Sie sind noch Student«, wie sie mit<br />
prüfendem Blick einen kaum jüngeren Rentner unterrichtet.<br />
Um einen markigen Spruch scheint die ehemalige Leiterin<br />
einer Marmorsägerei nie verlegen. Verlegen sind eher die<br />
zwei Jugendlichen, die für ihre Blitzbesichtigung Kopfschütteln<br />
und ungläubige Blicke ernten: »2000 Jahre ham mer da<br />
dran gebaut und ihr wollt’s des alles in fünf Minuten g’sehn<br />
ham?«<br />
Maria Thurner kann sich nie sattsehen am historischen Panorama.<br />
Als Stadtführerin und Mitglied der Fotofreunde Neusäß<br />
wechselt sie auch gerne mal die Perspektive: »Am Dom<br />
war ich zum Beispiel oben, an den Fenstern. Ich als Hausfrau<br />
hab’ einen Lappen mitgenommen, weil ich mir gedacht hab’,<br />
wer putzt denn da schon die Fenster? Des war sehr gut. Erst<br />
mal hab’ ich geputzt und dann ham wir fotografiert.«<br />
Es ist kurz vor 18 Uhr, Schichtende, und der Abstieg steht an:<br />
»Runter geh’ ich rückwärts, des schont die Gelenke. Des hat<br />
mer der Schnellläufer beigebracht.« Ob sich die körperlichen<br />
Strapazen wirklich lohnen? »Was soll ich sagen? Wenn ich<br />
gar net raufgeh’, dann fehlt’s mer!« (fab)