M. Blömer, Die Stele von Doliche, in: E. Winter
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Michael <strong>Blömer</strong><br />
Das Gewand, das der Gott trägt, ist ebenfalls nach altorientalischen Vorbildern gearbeitet. Kurzer<br />
Schurz mit Fransenbesatz am Saum, breiter Gürtel und e<strong>in</strong>faches Obergewand mit kurzen Armen<br />
s<strong>in</strong>d bei den eisenzeitlichen Darstellungen des Wettergottes und darüber h<strong>in</strong>aus e<strong>in</strong>e sehr weit<br />
verbreitete Tracht. 98 Ungewöhnlich ist allerd<strong>in</strong>gs, dass der Gürtel quergeriefelt ist, wie er <strong>in</strong> der<br />
nordsyrischen Bildkunst der Eisenzeit üblicherweise nur <strong>von</strong> Frauen getragen wird. 99 Männer<br />
und männliche Gottheiten tragen h<strong>in</strong>gegen e<strong>in</strong>en als e<strong>in</strong>faches Band geformten Gürtel, der meist<br />
Randverstärkungen aufweist.<br />
Das Gewand des Gottes kennt unter den römerzeitlichen Denkmälern Nordsyriens, die<br />
Iupiter <strong>Doliche</strong>nus oder verwandte Götter zeigen, ke<strong>in</strong>e Vergleiche. <strong>Die</strong>se s<strong>in</strong>d stets <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />
unterschiedlich stark durch westliche E<strong>in</strong>flüsse transformierten Gestalt gezeigt. <strong>Die</strong> Götter tragen<br />
zumeist e<strong>in</strong> griechisch-römisches Militärkostüm mit Panzer, pteryges, oft auch e<strong>in</strong>em Mantel,<br />
was ihre Wehrhaftigkeit auf e<strong>in</strong>e zeitgemäße Weise zum Ausdruck brachte. 100 Lediglich e<strong>in</strong>e<br />
sehr ger<strong>in</strong>ge Zahl <strong>von</strong> Denkmälern verzichtet auf die Panzertracht. 101 Gleichwohl ist, soweit<br />
dies aufgrund des Erhaltungszustandes noch zu beurteilen ist, auch bei diesen Ausnahmen<br />
die Wiedergabe der Kleidung <strong>von</strong> griechisch-römischen Mustern bee<strong>in</strong>flusst. Ähnlich enge<br />
Übere<strong>in</strong>stimmung mit vorhellenistischen Gewändern wie auf der <strong>Stele</strong> <strong>von</strong> <strong>Doliche</strong> zeigen<br />
lediglich die bereits erwähnten Darstellungen <strong>von</strong> Priestern lokaler Kulte. 102<br />
Betrachtet man die weiteren Details der Trachtangabe des Gottes auf der <strong>Stele</strong> <strong>von</strong> <strong>Doliche</strong>,<br />
fällt zunächst auf, dass die Be<strong>in</strong>e des Gottes nackt s<strong>in</strong>d. <strong>Die</strong>s entspricht den Darstellungen auf<br />
eisenzeitlichen Reliefs <strong>von</strong> Wettergöttern aus Syrien. Dagegen zeigt die Masse der vor allem<br />
westlichen Bildnisse des Iupiter <strong>Doliche</strong>nus den Gott mit Hosen bekleidet. <strong>Die</strong>se Tracht hat<br />
allerd<strong>in</strong>gs <strong>in</strong> Nordsyrien ke<strong>in</strong>e lokale Tradition und kann frühestens <strong>in</strong> persischer Zeit <strong>in</strong> die<br />
Bildwelt der Region aufgenommen worden se<strong>in</strong>. 103 Viel wahrsche<strong>in</strong>licher ist allerd<strong>in</strong>gs, dass sie<br />
erst unter römischer Herrschaft und unter römischem E<strong>in</strong>fluss Teil der Ikonographie des Iupiter<br />
<strong>Doliche</strong>nus wurde ‒ <strong>in</strong> Anklang an die Ikonographie anderer ʽorientalischerʼ Gottheiten, die<br />
stärker iranisch geprägt war und damit dem westlichen Topos des Hosen tragenden Orientalen<br />
besser genüge tat. 104 Dass sie dann auch bei e<strong>in</strong>igen der <strong>in</strong> Syrien gefundenen Darstellungen,<br />
98 Bunnens 2006, 42‒43 mit Kat. 1–5. 8. 9. 12. 13. 32. 33. 37. 45. 48. 51. 53. 57. Im Gegensatz zu den nordsyrischen<br />
Schurzröcken zeigen die assyrischen Fransen an der Schmalseite des Schurzes, vgl. Hrouda 1965, 30‒31.<br />
99 Orthmann 1971, 156. Besonders deutlich wird die Beziehung zwischen Geschlecht und Gürtelform auf den<br />
Grabstelen, die Paare zeigen, vgl. Bonatz 2000, Kat. C 21‒27. 29. 60. 62.<br />
100 Dabei ist das Tragen des Panzers <strong>in</strong> Syrien ke<strong>in</strong>eswegs ausschließlich mit Iupiter <strong>Doliche</strong>nus verbunden. Seit<br />
dem ausgehenden Hellenismus ist zu beobachten, dass e<strong>in</strong>e Vielzahl <strong>von</strong> Hauptgöttern <strong>in</strong> Syrien und Mesopotamien<br />
Panzertracht trägt, vgl. H. Seyrig, Antiquités Syriennes 89. Les dieux armés et les Arabes en Syrie, Syria 47,<br />
1970, 77–112; zu hellenistischen Panzern bei syrischen Göttern I. Laube, Thorakophoroi. Gestalt und Semantik<br />
des Brustpanzers <strong>in</strong> der Darstellung des 4.–1. Jh. v. Chr., Tüb<strong>in</strong>ger Archäologische Forschungen 1 (Rahden 2006)<br />
70–72. Auch <strong>in</strong> Kle<strong>in</strong>asien ist dieses Phänomen geläufig, vgl. z. B. die erst kürzlich publizierten Felsreliefs im<br />
H<strong>in</strong>terland <strong>von</strong> Termessos und anderen lykischen Orten bei R. Fleischer, Unbekannte Felsheiligtümer <strong>in</strong> Termessos,<br />
IstMitt 58, 2008, 197–242. Wo dieser Kostümwechsel se<strong>in</strong>en Ausgang nahm, ist nicht geklärt. Nichts deutet aber<br />
bislang darauf h<strong>in</strong>, dass <strong>Doliche</strong> hier e<strong>in</strong>e Vorreiterrolle spielte.<br />
101 CCID Nr. 8 Taf. 4; Nr. 9; Nr. 17 Taf. 5; Nr. 29 Taf. 10. H<strong>in</strong>zu kommen die Reliefs aus Çatal Ziyaret, vgl. Gatier<br />
1998, 161‒162 Abb. 1; aus Ceylanlı vgl. P. Perdrizet ‒ Ch. Fossey, Voyage dans la Syrie du Nord, BCH 21, 1897,<br />
88‒89 Abb. 4 Taf. 4. Wegen ihres schlechten Erhaltungszustandes ist bei den Denkmälern CCID Nr. 19 Taf. 6 und<br />
Nr. 21 Taf. 6 nicht def<strong>in</strong>itiv zu klären, wie die Tracht beschaffen ist.<br />
102 Vgl. <strong>in</strong>sbesondere die bereits bei Stucky 1976 vorgestellten Denkmäler.<br />
103 So sieht z. B. bereits Demirçioğlu 1939, 81‒82 im Relief aus ʽMaraşʼ CCID Nr. 17 Taf. 5 <strong>in</strong> den Hosen und im<br />
Mantel e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terpretatio persica.<br />
104 Vgl. dazu auch M. <strong>Blömer</strong> – M. Facella, E<strong>in</strong> neues Weihrelief für Iupiter <strong>Doliche</strong>nus aus Perrhe, <strong>in</strong>: W<strong>in</strong>ter