M. Blömer, Die Stele von Doliche, in: E. Winter
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98<br />
Der Name des Gottes<br />
Michael <strong>Blömer</strong><br />
In diesem Zusammenhang sei auch noch die Frage gestellt, unter welchen Namen das Götterpaar<br />
<strong>in</strong> <strong>Doliche</strong> verehrt wurde. <strong>Die</strong> geläufigen Namen Iupiter <strong>Doliche</strong>nus oder Zeus Dolichaios s<strong>in</strong>d<br />
e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>terpretatio romana bzw. graeca, ebenso Iuno Reg<strong>in</strong>a. Somit muss es ältere <strong>in</strong>digene<br />
Namen gegeben haben, die dann überlagert wurden. <strong>Die</strong> neue <strong>Stele</strong> trägt ke<strong>in</strong>e Inschrift, die<br />
darüber eventuell Auskunft geben könnte. Epigraphische Zeugnisse, die aus dem Heiligtum oder<br />
auch aus der Stadt <strong>Doliche</strong> stammen und sich auf die Götter beziehen, datieren bislang sämtlich<br />
<strong>in</strong> die Zeit der römischen Herrschaft und s<strong>in</strong>d entweder <strong>in</strong> griechischer oder <strong>in</strong> late<strong>in</strong>ischer<br />
Sprache verfasst. 191 Da das Late<strong>in</strong>ische <strong>in</strong> Nordsyrien nicht als Umgangssprache diente,<br />
müssen diese Inschriften <strong>von</strong> Verehrern des Gottes aus dem Westen des Reiches, zumeist wohl<br />
Soldaten, <strong>in</strong> Auftrag gegeben worden zu se<strong>in</strong>. 192 Entsprechend zeigen sie die auch im Westen<br />
übliche Nomenklatur. E<strong>in</strong>e late<strong>in</strong>ische Weih<strong>in</strong>schrift nennt den Gott I(ovi) O(timo) M(aximo)<br />
[<strong>Doliche</strong>no], e<strong>in</strong>e weitere monumentalere Inschrift lässt sich ebenso ergänzen. 193 Dass westliche<br />
Soldaten die größte Gruppe <strong>von</strong> Gläubigen, die nicht dem lokalen Umfeld <strong>Doliche</strong>s entstammt,<br />
gebildet haben, zeigen nicht nur diese Weihungen mit late<strong>in</strong>ischen Inschriften, sondern vor allem<br />
auch Funde römischer Militaria im Heiligtum, die vom 1. Jh. n. Chr. an ihre Präsenz bezeugen. 194<br />
In welchem Umfang es darüber h<strong>in</strong>aus Pilger aus dem Westen gegeben hat, die, nur um das<br />
Heiligtum aufzusuchen, aus weiter Entfernung anreisten, ist bislang nicht abzuschätzen. 195<br />
Interessanter für die Frage nach dem lokalen Namen des Gottes s<strong>in</strong>d die griechischen Inschriften.<br />
E<strong>in</strong>e Weihung auf e<strong>in</strong>em Bronzeblech aus dem Heiligtum nennt den Gott lediglich theos epekoos<br />
dolichaion. 196 Theos dolichenos heißt der Gott auf dem neronischen Basaltaltar (Taf. 22, 1). 197 In<br />
der sogenannten Priesternekropole, e<strong>in</strong>er Gruppe <strong>von</strong> Felskammergräbern römischer Zeit ca. 1, 3<br />
km westlich des Heiligtums gelegen, wird e<strong>in</strong>er der dort Begrabenen als ierateusanta <strong>Doliche</strong>no<br />
bezeichnet. 198 Auf e<strong>in</strong>em Weihrelief aus Perrhe, das <strong>von</strong> e<strong>in</strong>em Bewohner <strong>Doliche</strong>s errichtet<br />
191 Das epigraphische Material der Grabung wird <strong>von</strong> Margherita Facella (Pisa) bearbeitet, vgl. bislang M. Facella,<br />
A New Statue Base for Caracalla from Dülük Baba Tepesi, <strong>in</strong>: W<strong>in</strong>ter 2008, 125–136 und M. Facella ‒ E. W<strong>in</strong>ter,<br />
Neue Inschriften zum Kult des Iupiter <strong>Doliche</strong>nus aus Kle<strong>in</strong>asien, <strong>in</strong>: W<strong>in</strong>ter (Hrsg.), Vom Euphrat bis zum Bosporus.<br />
Kle<strong>in</strong>asien <strong>in</strong> der Antike. Festschrift für Elmar Schwertheim zum 65. Geburtstag. Bd. 1, AMS 65 (Bonn<br />
2008) 217–228.<br />
192 Der Gebrauch des Late<strong>in</strong>ischen deutet zweifellos auf die Anwesenheit westlicher Soldaten oder Verwaltungsbeamter,<br />
vgl. W. Eck, Presence, Role and Significance of Lat<strong>in</strong> <strong>in</strong> the Epigraphy and Culture of the Roman Near<br />
East, <strong>in</strong>: H. M. Cotton ‒ R. G. Hoyland ‒ J. J. Price ‒ D. J. Wasserste<strong>in</strong> (Hrsg.), From Hellenism to Islam: Cultural<br />
and L<strong>in</strong>guistic Change <strong>in</strong> the Roman Near East (Cambridge 2009) 15–42.<br />
193 Facella ‒ W<strong>in</strong>ter a. O. (Anm. 191).<br />
194 Zu ausgewählten Militariafunden <strong>in</strong> diesem Band T. Fischer, Teile <strong>von</strong> römischen Waffen und militärischer Ausrüstung<br />
aus den Grabungen auf dem Düluk Baba Tepesi <strong>in</strong> den Jahren 2002‒2009, S. 105–119. Auf e<strong>in</strong>e zeitweise<br />
Stationierung römischen Militärs <strong>in</strong> <strong>Doliche</strong> deutet der Neufund e<strong>in</strong>es Soldatengrabste<strong>in</strong>s, vgl. <strong>in</strong> diesem Band<br />
M. Facella ‒ M. Speidel, From Dacia to <strong>Doliche</strong> (and back). A new gravestone for a Roman soldier, S. 207–215. Für<br />
e<strong>in</strong>e Verbreitung des Kultes <strong>in</strong> Syrien und Kle<strong>in</strong>asien h<strong>in</strong>gegen gibt es ke<strong>in</strong>e Belege, vgl. <strong>Blömer</strong> a. O. (Anm. 17).<br />
195 Allgeme<strong>in</strong> zum Problem <strong>von</strong> Pilgern <strong>in</strong> paganen Kulten vgl. J. Elsner – I. Rutherford (Hrsg.), Pilgrimage <strong>in</strong><br />
Graeco-Roman and Early Christian Antiquity. See<strong>in</strong>g the Gods (Oxford 2005), <strong>in</strong>sbesondere die E<strong>in</strong>leitung. Entscheidend<br />
ist die hier nicht zu beantwortende Frage, <strong>in</strong>wieweit das Heiligtum <strong>von</strong> <strong>Doliche</strong> <strong>von</strong> den Mitgliedern<br />
westlicher Geme<strong>in</strong>schaften als konstitutives Zentrum des Kultes wahrgenommen worden ist.<br />
196 Facella ‒ W<strong>in</strong>ter a. O. (Anm. 193) 217–228.<br />
197 CCID Nr. 2 Taf. 1.<br />
198 Wagner 1982, 165‒166 Nr. 8 Abb. 29; CCID Nr. 3; Zur Schreibweise des Attributs Dolichaios/<strong>Doliche</strong>nos<br />
vgl. auch A. Cafissi, Il culto di Ζευς Δoλιχαιoς, Stefano Bizant<strong>in</strong>o ed alcune iscrizioni greche, Atti e memorie<br />
dellʼAcademia toscana di scienze 64, 1999, 9–21.