M. Blömer, Die Stele von Doliche, in: E. Winter
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Michael <strong>Blömer</strong><br />
<strong>Die</strong> Gött<strong>in</strong> <strong>von</strong> <strong>Doliche</strong> wirft mehr noch als ihr Partner e<strong>in</strong>e Reihe grundsätzlicher Fragen<br />
auf. Während der Gott e<strong>in</strong>deutig als Wettergottheit zu identifizieren ist, hat die Gött<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e<br />
unmittelbare Parallele unter den bekannten eisenzeitlichen Gött<strong>in</strong>nen und nimmt auch unter den<br />
syrischen Gött<strong>in</strong>nen der römischen Zeit e<strong>in</strong>e Sonderstellung e<strong>in</strong>. Wie bereits dargelegt, hat der<br />
Hirsch als Basistier e<strong>in</strong>er Gött<strong>in</strong> ke<strong>in</strong>e Vorläufer. Kubaba, aber auch die Atargatis/Dea Syria <strong>von</strong><br />
Hierapolis, die sich <strong>in</strong> römischer Zeit zu der weiblichen Hauptgött<strong>in</strong> Nordsyriens schlechth<strong>in</strong><br />
entwickelt, s<strong>in</strong>d stets mit dem Löwen verbunden. Zudem stehen diese Gött<strong>in</strong>nen nicht auf ihren<br />
Basistieren, sondern thronen bzw. reiten auf ihnen. Ansonsten ist die ikonographische Nähe<br />
zur syro-hethitischen Kubaba aber so offensichtlich, dass e<strong>in</strong>e Beziehung bestanden haben<br />
muss. <strong>Die</strong>s gilt umso mehr, als die Verehrung der Kubaba <strong>in</strong> Nordsyrien <strong>in</strong> hellenistischer und<br />
römischer Zeit nicht mehr bezeugt ist. 141 Kaum Ähnlichkeiten lassen sich h<strong>in</strong>gegen zu Atargatis/<br />
Dea Syria, der dann wichtigsten weiblichen Gött<strong>in</strong> Nordsyriens, feststellen. 142 <strong>Die</strong>s überrascht,<br />
da die Gött<strong>in</strong> aus dem nahen Hierapolis-Manbig ebenfalls parhedros des Wettergottes ist und<br />
ihr Heiligtum sich ganz ähnlich wie das <strong>von</strong> <strong>Doliche</strong> entwickelte. 143<br />
Angesichts dieser Fragen s<strong>in</strong>d weitere Forschungen notwendig, um zu e<strong>in</strong>em besseren Verständnis<br />
der Gött<strong>in</strong> zu gelangen. Während man dem männlichen Gott stets große Aufmerksamkeit<br />
geschenkt hat, ist die Gött<strong>in</strong> als se<strong>in</strong>e Begleiter<strong>in</strong> lediglich am Rande beachtet worden. Ihre<br />
Herkunft, Ikonographie, ihr Verhältnis zu den anderen großen Gött<strong>in</strong>nen des römischen Orients,<br />
aber auch ihr Status im westlichen Kult s<strong>in</strong>d bislang nie e<strong>in</strong>gehend untersucht worden. 144<br />
<strong>Die</strong> weiteren Bildelemente<br />
Im Feld zwischen dem Götterpaar steht e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnes Symbol. Aus e<strong>in</strong>er Art Basis, die aus<br />
zwei horizontalen Streifen gebildet ist, steigt e<strong>in</strong> schlankes, spitz zulaufendes Objekt empor. Es<br />
besteht aus e<strong>in</strong>er Mittelrippe, <strong>von</strong> der zu beiden Seiten vertikal Rippen abgehen, die nach oben<br />
h<strong>in</strong> kont<strong>in</strong>uierlich kürzer werden. Auf westlichen Darstellungen, die das Götterpaar e<strong>in</strong>ander<br />
gegenüberstehend zeigen, ist an dieser Stelle häufig e<strong>in</strong> Altar dargestellt, auf dem zumeist e<strong>in</strong>e<br />
Flamme brennt. 145 E<strong>in</strong>en Altar kann das Objekt auf der <strong>Doliche</strong>ner <strong>Stele</strong> jedoch nicht me<strong>in</strong>en.<br />
141 Zu bedenken ist allerd<strong>in</strong>gs, dass <strong>in</strong> Kommagene manche der eisenzeitlichen Kultplätze der Kubaba noch <strong>in</strong><br />
hellenistischer und römischer Zeit existierten, ohne dass Zeugnisse zur Verfügung stehen, die über e<strong>in</strong>e mögliche<br />
Kultkont<strong>in</strong>uität Auskunft geben, so etwa <strong>in</strong> Ancoz oder Boybeypınarı, vgl. J. Wagner ‒ G. Petzl, Relief- und<br />
Inschriftenfragmente des kommagenischen Herrscherkultes aus Ancoz, <strong>in</strong>: G. Heedemann ‒ E. W<strong>in</strong>ter (Hrsg.),<br />
Neue Forschungen zur Religionsgeschichte Kle<strong>in</strong>asien, AMS 49 (Bonn 2003) 85‒96.<br />
142 Aus der vielfältigen Literatur zu Atargatis/Dea Syria sei <strong>in</strong>sbesondere verwiesen auf Lightfoot 2003; J. Lightfoot,<br />
Pilgrims and Ethnographers: In Search of the Syrian Goddess, <strong>in</strong>: J. Elsner ‒ I. Rutherford (Hrsg.), Pilgrimage <strong>in</strong><br />
Graeco-Roman & Early Christian Antiquity. See<strong>in</strong>g the Gods (Oxford 2005) 333–345; zu Fragen <strong>von</strong> Kulttransfer<br />
und -transformation vgl. N. Belayche, «DEAE SVRIAE SACRUM» La Romanità des Cultes ʽorienteuxʼ, RH 302.3,<br />
2000, 565–592; H.-J. Gehrke, Kulte und Akkulturation. Zur Rolle <strong>von</strong> religiösen Vorstellungen und Ritualen <strong>in</strong><br />
kulturellen Austauschprozessen, <strong>in</strong>: H.-J. Gehrke ‒ A. Mastroc<strong>in</strong>que (Hrsg.), Rom und der Osten im 1. Jh. v. Chr.<br />
(Akkulturation oder Kampf der Kulturen?), Hiera 13 (Cosenza 2009) 65–122.<br />
143 Wie <strong>in</strong> <strong>Doliche</strong> blüht das Heiligtum erst spät, offenbar <strong>in</strong> persischer Zeit auf, entwickelt sich dann aber rasch<br />
zu e<strong>in</strong>em Kultzentrum <strong>von</strong> <strong>in</strong>ternationaler Bedeutung. Kritisch zu verme<strong>in</strong>tlich frühen Zeugnissen der Besiedlung<br />
des Ortes J. Böse, Murmuriga und Napiggu. Zur historischen Topographie am nördlichen syrischen Euphrat vom<br />
15. bis zum 7. Jh. v. Chr., MDOG 141, 2009, 65–84, <strong>in</strong>sb. 78–80.<br />
144 Um dieses Desiderat e<strong>in</strong>zulösen, ist e<strong>in</strong>e ausführliche Bearbeitung des e<strong>in</strong>schlägigen epigraphischen und archäologischen<br />
Materials durch Margherita Facella (Pisa) und den Verfasser <strong>in</strong> Vorbereitung.<br />
145 Vgl. CCID Nr. 202 Taf. 39; Nr. 295 Taf. 58; Nr. 518; Nr. 587 Taf. 128.