Concept Ophthalmologie, Heft 2/2012 - Klinikum Ernst von ...
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medizin komplementäre augenheilkunde<br />
Komplementäre Therapie bei AMD<br />
Dr. Karl-Uwe Marx, Augenarzt aus Unna, erörterte die neuesten<br />
wissenschaftlichen Erkenntnisse zur altersbedingten Makuladegeneration<br />
(AMD). Bei der trockenen Form habe die<br />
klassische Therapie einen reduktionistischem Denkansatz: Es<br />
werde abgewartet. Trotz vieler Studien solle die eigene Beobachtung<br />
und Erfahrung des kritischen Arztes Priorität haben. Die<br />
komplementäre Therapie verfolge den Abbau <strong>von</strong> Drusen, die<br />
Rückbildung neu gebildeter Gefäße, die Resorption <strong>von</strong> Ödemen,<br />
die Regeneration und Funktionsverbesserung <strong>von</strong> Visus<br />
und Gesichtsfeld. Der Stoffwechsel des Auges sei vom Gesamtorganismus<br />
abhängig – warum habe der Patient eine AMD entwickelt,<br />
warum seien Selbstregulation und Selbstreparatur nicht<br />
mehr vollständig möglich? Störgrößen bzw. Risikofaktoren im<br />
Regelsystem müssten aufgespürt werden. Risikofaktoren schädigten<br />
Funktionen und Systeme im gesamten Organismus, so<br />
dass verschiedene Symptome ausgelöst würden.<br />
Von vielen bekannten Risikofaktoren hob Marx insbesondere<br />
die Toxine hervor. Endogene Toxine entstehen bei Dysbiose<br />
durch Gärung, Fäulnis, Nahrungsmittelunverträglichkeiten,<br />
Stoffwechselmetaboliten und chronische Entzündungen im<br />
Zahn-Kiefer-Bereich. Exogene Toxine kommen aus Nahrung,<br />
Umwelt, Wohnraum, Arbeitsplatz, als Schwermetalle<br />
(Dentallegierungen), als Medikamentennebenwirkung, durch<br />
subklinisch verlaufende virale oder maskierte, schon länger zurückliegende<br />
Infektionen mit Bakterien und durch Impfungen.<br />
Die Basistherapie solle die nachgewiesenen Störgrößen soweit<br />
eliminieren, dass die Reaktionsfähigkeit des Organismus auf<br />
angepasste therapeutische Reize angemessen erfolge, da sonst<br />
das Regulationssystem zusätzlich belastet werde. Dysbiosen<br />
müssten beseitigt, Toxine entfernt werden. Ernährungsgewohnheiten<br />
seien zu überprüfen. Die individuelle Therapie bestehe<br />
in Reiz- und Reaktionstherapie – abhängig <strong>von</strong> Art und<br />
Schweregrad der Erkrankung, dem Gesamtrisikoprofil, der unterschiedlichen<br />
Reaktionsmöglichkeit multimorbider Patienten<br />
–, in der Substitution <strong>von</strong> Nährstoffen und der Stimulation <strong>von</strong><br />
Funktionen und Regeneration. Schon Kneipp habe festgestellt,<br />
dass ein gesunder Körper auch ein gesundes Auge habe.<br />
Biomechanische Muskelstimulation<br />
Über biomechanische Muskelstimulation als neues Therapieverfahren<br />
der Augenheilkunde informierte Dr. Rene Woytinas,<br />
Augenarzt in Kulmbach und erster Vorsitzender der DGGA.<br />
Woytinas berichtete über Behandlungen <strong>von</strong> Augenerkrankungen<br />
durch Augenfunktionstraining mit biomechanischer<br />
Muskelstimulation (BMS). Das Auge koordiniert mit einem<br />
komplexen Muskelapparat doppelbildfreies, scharfes Sehen<br />
für beide Augen in allen Entfernungen. In der Alterungsphase<br />
nimmt die Muskelkraft in Bezug auf Kontaktibilität, Erregbarkeit,<br />
Kontraktionsgeschwindigkeit und Elastizität ab. Ursache<br />
32<br />
ist hauptsächlich die Verminderung motorischer Einheiten in<br />
den Muskelfasern. Schätzungsweise sterben jenseits des 30.<br />
Lebensjahres pro Lebensdekade etwa 6 % der Muskelfasern, ab<br />
dem 50. Lebensjahr sind es schon 12 bis 15 %. Die Leistungsfähigkeit<br />
wird u.a. durch die Lebensführung (Rauchen, Sport,<br />
Ernährung, Alkohol) sowie durch Trainings- und Leistungsanforderungen<br />
bei Arbeit und Freizeit beeinflusst. Krafttraining<br />
bei über 60-Jährigen führt zu einer Muskelkraftzunahme. Bei<br />
gesunden Älteren seien drei bis vier Trainingseinheiten pro<br />
Woche optimal. Reduktion der Sarkopenie und Erhalt der motorischen<br />
Kompetenz seien also möglich.<br />
BMS sei ein hocheffizientes Training, bei dem Muskeln auf<br />
rein mechanischem Weg und ohne sie anzustrengen in Längsschwingung<br />
gebracht würden, wie sie sonst bei willkürlicher<br />
maximaler Muskelarbeit entstehe. Die Schwingungen bewirkten<br />
den Stimulationseffekt, indem sie mit entsprechender<br />
Gerätetechnik und manueller Fertigkeit auf die vorgespannte<br />
oder vorgedehnte Muskulatur übertragen würden und diese in<br />
Resonanz brächten. Indikationen seien Presbyopie, Myopie<br />
bei Jugendlichen und Kindern, geringgradige Phorien, Asthenopien,<br />
Fazialisparese und frühe Lidfehlstellungen.<br />
Es gelte die Meinung, dass Presbyopie nicht kausal behandelbar<br />
sei. Als Ursache werde der Elastizitätsverlust der Linse durch<br />
deren Alterung angenommen. Mit Beginn der Presbyopie lasse<br />
die Muskelleistung insgesamt nach, was auch Wirkung auf die<br />
Akkommodation als muskulären Prozess habe. Woytinas benannte<br />
folgende Auswahlkriterien für die Presbyopiebehandlung<br />
mit BMS: Additionsbedarf <strong>von</strong> maximal 1,5 Dioptrien,<br />
bisher keine Lesebrille, keine sichtbaren Linsenveränderungen,<br />
keine Psychopharmaka. Zehn Sitzungen erfolgten innerhalb<br />
<strong>von</strong> fünf Wochen, jeweils dreimal zwei Minuten. Nach Erstbehandlung<br />
halte der Effekt drei bis sechs Monate an. Danach erfolgten<br />
vier Sitzungen, anschließend seien circa zwei Folgebehandlungen<br />
pro Jahr nötig. Problematisch sei die Compliance.<br />
Woytinas schlussfolgerte, dass Presbyopie im Anfangsstadium<br />
behandelbar sei. Die Altersweitsichtigkeit entstehe nicht nur<br />
durch Linsenalterung, sondern auch durch altersbedingte<br />
Muskelschwäche. Durch BMS werde der Linsenstoffwechsel<br />
verbessert und die Linse altere langsamer.<br />
Als Hauptursache für die Myopie bei Kindern werde akkommodativer<br />
Stress angenommen. Das veränderte Freizeitverhalten<br />
der Kinder und Jugendlichen führe zu einer Zunahme<br />
der Myopie. Während Kinder früher ihre Freizeit mit Sport<br />
und Spiel verbrachten, säßen sie heute vor PC und TV. Die<br />
Augen seien auf ermüdungsfreies und ohne die Muskeln anzustrengen<br />
scharfes Sehen in der Ferne ausgerichtet. Der permanente<br />
Stress an der Muskulatur werde im Gehirn registriert<br />
und stimuliere das Bulbuswachstum. Das Auge werde kurzsichtig,<br />
um sich den Bedingungen anzupassen. Ein trainierter<br />
Muskel komme mit der Situation eines gesteigerten Leistungsbedarfs<br />
besser zurecht. So könne regelmäßiges Augenfunkti-<br />
<strong>Concept</strong> <strong>Ophthalmologie</strong><br />
02 / <strong>2012</strong>