Gesamte Ausgabe runterladen - Zentralverband der Ärzte für ...
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erfor<strong>der</strong>lich wäre. Sie ist vielmehr abhängig<br />
von sozialen Beziehungen, wie<br />
z.B. Beschützer/Opfer, Verführer/Verführte,<br />
Mama/Sohn und viele an<strong>der</strong>e,<br />
die alle als Liebesbeziehungen bezeichnet<br />
werden. Die sexuelle Erregung<br />
beim Mann wird stark von Vorstellungen<br />
und von Phantasien gelenkt.<br />
Das Vorstellungsvermögen ist<br />
in <strong>der</strong> Hierarchie <strong>der</strong> menschlichen<br />
Organisation recht weit oben und es<br />
ist weitgehend maßgeblich <strong>für</strong> die sexuelle<br />
Erregung. Eine innere Vorstellungsebene,<br />
die unbewußte Verhaltensmuster<br />
und Programme einschließt<br />
(„Innere Bil<strong>der</strong>“), entscheidet<br />
beim Menschen darüber, welche<br />
Reize, Gefühle und Bil<strong>der</strong> zur Erregung<br />
führen können. Und die Vorstellungen<br />
des Menschen werden vorwiegend<br />
durch soziokulturelle Einflüsse,<br />
heute also ganz wesentlich<br />
durch die Medien geprägt. Auf diese<br />
Tatsache <strong>der</strong> menschlichen Organisation<br />
baut die Werbung auf.<br />
Wenn eine Störung <strong>der</strong> gesunden<br />
Dynamik, z.B. auf <strong>der</strong> Vorstellungsebene,<br />
vorliegt, würde eine Behandlung<br />
auf <strong>der</strong> emotionalen Ebene<br />
bestenfalls kurzfristige Erfolge bringen,<br />
da <strong>der</strong> Gesamtorganismus längerfristig<br />
durch die in <strong>der</strong> hierarchischen<br />
Organisation höher liegenden Ebene<br />
gesteuert wird. Deshalb ist es heute<br />
unerläßlich, auf <strong>der</strong> mentalen Ebene<br />
<strong>der</strong> Überzeugungen und Vorstellungen<br />
also auch im soziokulturellen Bereich<br />
medizinisch zu arbeiten, die Überzeugungen<br />
sinnvoll zu gestalten. (12)<br />
Wenn eine Störung im emotionalen<br />
Beziehungsmuster sich in einem<br />
physischen Symptom zeigt, kann <strong>der</strong><br />
Körper nicht gesund werden, wenn die<br />
Störung auf <strong>der</strong> Beziehungsebene<br />
nicht geheilt wird. Es obliegt jetzt unserer<br />
ärztlichen Kunst, herauszufinden,<br />
auf welcher Ebene <strong>der</strong> hierarchischen<br />
Organisation des Organismus<br />
die Störung ihren Anfang genommen<br />
hat, um sie auch dort zu behandeln.<br />
Originalarbeit<br />
Und zurück zu Viagra<br />
Wenn wir mit diesem dynamischen<br />
systemischen Menschen- und Mannesbild<br />
die Behandlung eines Mannes<br />
mit erektiler Dysfunktion vornehmen<br />
wollen, müssen wir zunächst nach <strong>der</strong><br />
gestörten Ebene fragen und welche<br />
Bedeutung die erektile Dysfunktion<br />
im Lebensprozeß des Mannes hat. Es<br />
wird immer <strong>der</strong> Mensch behandelt<br />
und nicht nur das Symptom (das oft<br />
Krankheit genannt wird). Für einen<br />
Mann mit erektiler Dysfunktion kann<br />
diese Dysfunktion <strong>für</strong> ihn sehr sinnvoll<br />
und schützend sein, wenn er<br />
gleichzeitig noch eine KHK o<strong>der</strong><br />
Herzinsuffizienz o.dgl.m. hat. Denn in<br />
diesen Fällen könnte eine volle sexuelle<br />
Erregung zum Herzversagen<br />
führen, wie es unter Viagra ja inzwischen<br />
in den USA schon häufiger geschehen<br />
ist. Auch in an<strong>der</strong>en Fällen<br />
kann die erektile Schwäche ein Schutz<br />
sein vor einer physischen und auch<br />
psychischen Verausgabung.<br />
Die Erektionspille erscheint also<br />
bei den weitaus meisten <strong>der</strong> 7,5 Millionen<br />
Männer mit erektiler Dysfunktion<br />
kontraindiziert (13). Wie<br />
aber könnte die Lösung des Impotenzproblems<br />
aussehen? Individuelle Psychotherapie?<br />
Sexualtherapeutische<br />
Beratungen? In Einzelfällen sicher.<br />
Selbsthilfegruppen, evtl. mit kompetenter<br />
Anleitung? Das wäre sicher <strong>für</strong><br />
viele sinnvoll, um einen Weg heraus<br />
aus alten Überzeugungen und Beziehungsmustern<br />
hin zu einer lebendigen<br />
partnerschaftlichen Beziehung zu finden,<br />
in <strong>der</strong> lustvoll-sinnlicher Kontakt<br />
eine angemessene Rolle spielt.<br />
> Vorstellungsbil<strong>der</strong> können als<br />
Bindeglie<strong>der</strong> zwischen bewußter<br />
Informatinsverarbeitung und<br />
physiologischer Verän<strong>der</strong>ung<br />
betrachtet werden.<<br />
Prof. Dr. med. Jeane Achterberg<br />
„Heilung durch Gedankenkraft“ (1985,<br />
1989) S.160<br />
714<br />
„Eine neue Art zu denken ist<br />
notwendig, wenn die Menschheit<br />
weiterbestehen will.“<br />
[Albert Einstein]<br />
Der Anfang allerdings sollte jetzt im<br />
Denken <strong>der</strong> im Gesundheitswesen<br />
führenden und tätigen Persönlichkeiten<br />
stattfinden. Ein Denken, welches<br />
den Menschen als ein sich lebenslang<br />
entwickelndes Wesen anerkennt<br />
und versteht (14). Als Wesen,<br />
die <strong>für</strong> ihre Entwicklung weitgehend<br />
und zunehmend selbst die Verantwortung<br />
übernehmen, wohl evtl. unter<br />
Anleitung und Hilfe beson<strong>der</strong>s qualifizierter<br />
Menschen und gesellschaftlicher<br />
Institutionen, letztendlich aber<br />
selbstverantwortlich. Als Arzt können<br />
wir helfen, den Menschen gesunde<br />
Rahmenbedingungen, einen heilenden<br />
Raum zu schaffen, in dem sich die<br />
Selbstheilungskräfte optimal entfalten<br />
können.<br />
Diese Entwicklung des Individuums<br />
ist eingebettet in eine soziale<br />
Evolution und ist nicht käuflich. So ist<br />
die zur Zeit übliche Zuzahlung <strong>der</strong><br />
Patienten bei Medikamenten und physikalischer<br />
Therapie nicht die Selbstverantwortung,<br />
die ich meine. Die<br />
Zuzahlung verstärkt bei den Patienten<br />
Konsumverhalten und die Erwartungshaltung<br />
bezüglich des Bezahlten.<br />
Mir geht es um die Verantwortung, die<br />
je<strong>der</strong> <strong>für</strong> die Gestaltung seines Lebens,<br />
seiner Beziehungen, seiner<br />
Schlaf- und Eßgewohnheiten übernehmen<br />
soll. Das erfor<strong>der</strong>t Aktivität <strong>der</strong><br />
Patienten und bewußte Mitarbeit.<br />
In einem Gesundheitssystem, das<br />
auf die weitgehende Eigenverantwortung<br />
<strong>der</strong> Menschen <strong>für</strong> ihre Gesundheit<br />
aufbaut – soweit es das gesunde<br />
Verhalten angeht –, würde sich<br />
eine Leistung des Gesundheitssystems<br />
eventuell an Bedingungen knüpfen.<br />
Z.B. würde die medikamentöse o<strong>der</strong><br />
invasive Behandlung einer KHK an<br />
die Bedingung geknüpft, an einer<br />
Raucherentwöhnung, einer Ernährungsberatung<br />
und/o<strong>der</strong> einem Kursprogramm<br />
à la DEAN ORNISH teilzunehmen<br />
(15). Die Erfolge dieser z.T.<br />
<strong>Ärzte</strong>zeitschrift <strong>für</strong> Naturheilverfahren 39, 10 (1998)