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Gesamte Ausgabe runterladen - Zentralverband der Ärzte für ...

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PFLANZLICHE ARZNEIMITTEL –<br />

umstrittene Arzneimittel,<br />

zuwenig Qualitätskontrollen?<br />

Praxis<br />

Ein Kommentar von Prof. Dr. Heinz Schilcher, München, dem 2. Vorsitzenden<br />

<strong>der</strong> Kommission E und <strong>der</strong> Kommission <strong>für</strong> traditionelle Arzneimittel<br />

(§ 109a AMG) beim Bundesinstitut <strong>für</strong> Arzneimittel und Medizinprodukte<br />

in Berlin, über die Stellung <strong>der</strong> pflanzlichen Arzneimittel in <strong>der</strong> heutigen<br />

Medizin und über die Frage <strong>der</strong> Kassenerstattung von Phytopharmaka<br />

(nach einem Vortrag im Süddeutschen Rundfunk, am 26. Juli 1998, <strong>der</strong><br />

bundesweit von weiteren Rundfunkanstalten ausgestrahlt wird),<br />

Seit <strong>der</strong> Existenz <strong>der</strong> chemisch-synthetischen<br />

Arzneimittel Ende des<br />

19. Jahrhun<strong>der</strong>ts werden pflanzliche<br />

Arzneimittel – in <strong>der</strong> Fachsprache als<br />

Phytopharmaka bezeichnet – ständig<br />

kontrovers diskutiert. Aufgrund <strong>der</strong><br />

Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen<br />

ist zur Zeit eine beson<strong>der</strong>s heftige<br />

Diskussion darüber entbrannt, ob<br />

pflanzliche Arzneimittel von den<br />

Prof Dr. Heinz Schilcher, München<br />

Krankenkassen erstattet werden sollen<br />

bzw. erstattet werden müssen.<br />

Das brisante Thema: „Phytotherapie<br />

– gemeint ist die Pflanzenheilkunde<br />

– in <strong>der</strong> vertragsärztlichen Versorgung:<br />

PRO und CONTRA“ war<br />

Gegenstand einer heißen Diskussion<br />

beim 47. Deutschen <strong>Ärzte</strong>kongreß in<br />

Berlin im Juni d. J. Dabei zeigte sich,<br />

daß einige wenige Wissenschaftler<br />

pflanzliche Arzneimittel aufgrund eines<br />

angeblich mangelnden Wirksamkeitsnachweises<br />

aus <strong>der</strong> Erstattungspflicht<br />

<strong>der</strong> Krankenkassen ausgeschlossen<br />

sehen wollen und Phytopharmaka<br />

gerade noch <strong>für</strong> die<br />

Selbstmedikation akzeptieren, wobei<br />

<strong>der</strong> Patient die pflanzlichen Arzneimittel<br />

eben selbst zu bezahlen hat.<br />

Gleich viele Wissenschaftler in <strong>der</strong><br />

Expertenrunde waren dagegen grundsätzlich<br />

an<strong>der</strong>er Meinung – und zwar<br />

nicht nur aufgrund des Wissens aus<br />

<strong>der</strong> Erfahrungsheilkunde, son<strong>der</strong>n insbeson<strong>der</strong>e<br />

aufgrund neuer experimenteller<br />

und klinischer Studien, und plädierten<br />

sehr wohl <strong>für</strong> die Erstattung<br />

von qualitativ hochwertigen Phytopharmaka.<br />

Auf die qualitativen Unterschiede<br />

wird im folgenden noch näher<br />

eingegangen. Lei<strong>der</strong> besitzen die relativ<br />

wenigen ablehnenden Wissenschaftler<br />

bei den Krankenkassen ein<br />

höheres Gewicht als die Be<strong>für</strong>worter<br />

<strong>der</strong> pflanzlichen Arzneimittel.<br />

PRO und CONTRA<br />

Phytotherapie<br />

Als erstes PRO-Argument ist zu nennen:<br />

die historische Bedeutung <strong>der</strong><br />

Pflanzenheilkunde, sprich die jahrtausendlange<br />

erfolgreiche Anwendung<br />

von Arzneipflanzen bzw. von Heilkräutern.<br />

Zahlreiche Heilpflanzen, die<br />

beispielsweise im Papyrus Ebers aufgenommen<br />

sind, werden heute noch<br />

verwendet. Das Werk wurde immerhin<br />

etwa 1.500 v. Chr. geschrieben<br />

und gibt einen Überblick über die damals<br />

in Ägypten verwendeten Arzneipflanzen<br />

und Gewürze. Das gleiche<br />

gilt <strong>für</strong> DIOSKURIDES, einem griechischen<br />

Arzt, <strong>der</strong> im l. Jahrhun<strong>der</strong>t v.<br />

Chr. lebte, <strong>für</strong> seine fünf Bücher mit<br />

dem Titel „De materia medica“ o<strong>der</strong><br />

schließlich <strong>für</strong> HIPPOKRATES, ebenfalls<br />

672<br />

einem griechischen Arzt, <strong>der</strong> um 400<br />

v. Chr. auf <strong>der</strong> Insel Kos lebte und <strong>der</strong><br />

in seinen über 600 überlieferten<br />

Schriften die meisten von uns heute<br />

verwendeten Arzneipflanzen beschrieb.<br />

Die im Altertum aufgezeichneten<br />

bzw. verwendeten Arzneipflanzen –<br />

<strong>der</strong> große Arzneischatz mit über 1000<br />

Heilkräutern <strong>der</strong> traditionellen chinesischen<br />

o<strong>der</strong> indischen Medizin kann<br />

nur am Rande erwähnt werden – wurden<br />

im Mittelalter von zahlreichen<br />

deutschsprachigen Kräuterbüchern erneut<br />

aufgegriffen und vor allem durch<br />

handgemalte Pflanzendarstellungen<br />

gut dokumentiert. Beispielhaft genannt<br />

seien die Werke von: LEONHARD<br />

FUCHS (1501-1566), beson<strong>der</strong>s sein<br />

„New Kreuterbuch“ o<strong>der</strong> „Gart <strong>der</strong><br />

Gesundheit“ von OTTO BRUNFELS<br />

(1485) bzw. die Arzneipflanzenbücher<br />

von HIERONYMUS BOCK, THEODOR<br />

TABERNAEMONTANUS, MATTHIOLUS,<br />

DODENAEUS, LOBELIUS, LONICER u. a.<br />

Charakteristisch <strong>für</strong> diese Zeit ist ein<br />

Ausspruch von PARACELSUS (1493-<br />

1541), <strong>der</strong> da lautete: „Alle Matten<br />

und Wäl<strong>der</strong>, Wiesen und Fel<strong>der</strong> sind<br />

Apotheken“, wobei er neben den Arzneipflanzen<br />

bereits viele chemische<br />

Substanzen, hauptsächlich metallische<br />

Verbindungen bzw. Arzneimittel mineralischen<br />

Ursprungs verwendete.<br />

Rückbesinnung auf die<br />

Heilkräfte <strong>der</strong> Natur<br />

Schließlich sei auch noch an die ausgeprägte<br />

sogenannte Kloster-Medizin<br />

im Mittelalter erinnert mit ihren beispielhaften<br />

Klosterkräutergärten. Die<br />

bekannteste Vertreterin dieser medizinischen<br />

Richtung war HILDEGARD VON<br />

BINGEN, die von 1098 bis 1179 lebte<br />

und im Kloster Rupertsberg bei Bingen<br />

ihre Kräuterbücher schrieb. Noch<br />

heute gibt es eine große „Hildegard-<br />

Medizin“-Anhängerschaft. Wenn man<br />

die Äbtissin HILDEGARD VON BINGEN<br />

heute als die erste deutsche Naturärztin<br />

bezeichnet, so ist damit nur <strong>der</strong><br />

naturheilkundliche Teil ihres umfang-<br />

<strong>Ärzte</strong>zeitschrift <strong>für</strong> Naturheilverfahren 39, 10 (1998)

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