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Fachtagung 25 Jahre Wildwasser

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<strong>25</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Wildwasser</strong>: Interkulturelle Öffnung eines feministischen Projekts<br />

Prof. Dr. Birgit Rommelspacher, Alice-Salomon Fachhochschule Berlin<br />

<strong>25</strong><br />

<strong>Wildwasser</strong> e.V.<br />

Ein Jubiläum ist immer ein Anlass zurückzuschauen, die wechselvolle Geschichte in Erinnerung zu<br />

rufen und dabei auch die Verdienste hervorzuheben, nicht zuletzt um daraus auch Kraft für die<br />

zukünftige Arbeit zu schöpfen. Ich möchte dies aus einer bestimmten Perspektive tun, nämlich<br />

anhand der Frage, wie sehr es <strong>Wildwasser</strong> gelungen ist sich interkulturell zu öffnen, welche<br />

Prozesse dabei ausgelöst wurden und zu welchen Kontroversen das geführt hat. So etwas kann<br />

man nicht abstrakt tun, sondern muss sich schon genauer kundig machen. Deshalb habe ich<br />

einige der Mitarbeiterinnen von <strong>Wildwasser</strong> zu ihren Erfahrungen mit dem Thema und ihrer<br />

Einschätzung befragt. Bei ihnen möchte ich mich an dieser Stelle für ihre Bereitschaft zum<br />

Gespräch und ihre Offenheit ganz herzlich bedanken.<br />

Interkulturelle Öffnung war nicht immer ein Thema bei <strong>Wildwasser</strong>. Bei seiner Gründung standen<br />

andere Themen im Vordergrund, und es wurden auch andere Kontroversen ausgefochten. Aber<br />

auch damals ging es zentral schon um Differenzen. So etwa um die Differenz zwischen den von<br />

sexuellem Missbrauch betroffenen Frauen und den akademisch ausgebildeten Fachfrauen.<br />

<strong>Wildwasser</strong> war damals neue Wege gegangen Fachlichkeit zu definieren. Die eigene Betroffenheit<br />

wurde dabei als eine wesentliche wenn nicht gar unerlässliche Voraussetzung dafür angesehen,<br />

die Folgen sexueller Gewalt richtig zu erfassen und eine Brücke zu anderen Betroffenen zu<br />

schlagen. Damit wurde jedoch zugleich der Gegensatz zu den Frauen aufgemacht, die sich<br />

aufgrund ihrer akademischen Ausbildung und ihrer methodischen Kompetenzen sehr wohl in der<br />

Lage fühlten, auch hier beraterisch oder therapeutisch tätig zu sein, denn man muss und kann, wie<br />

sie argumentierten, ja nicht alle Erfahrungen selbst gemacht haben, um damit professionell<br />

umgehen zu können.<br />

Diese Diskussion um Betroffenheit versus Fachkompetenz war jedoch nicht die einzige<br />

Kontroverse. Gleichzeitig gab es heftige Diskussionen zwischen Lesben und heterosexuellen<br />

Frauen oder zwischen Müttern und Nicht-Müttern, da diese jeweils glaubten nur sie hätten<br />

aufgrund ihrer Erfahrungen die „richtige“ Perspektive und würden den „richtigen“ Feminismus<br />

vertreten können. Das waren Debatten, die <strong>Wildwasser</strong> von der feministischen Bewegung quasi<br />

geerbt hatte, denn sie wurden damals in allen Frauenprojekten geführt.<br />

Insofern kann man heute fragen, inwiefern dieser politische Hintergrund auch den Umgang mit<br />

anderen Differenzen prägt bzw. ob und inwiefern es hier Ähnlichkeiten und Unterschiede gibt.<br />

1. Das feministische Erbe<br />

<strong>Wildwasser</strong> ist unmittelbar aus der Frauenbewegung heraus entstanden, die um die<br />

gesellschaftliche Anerkennung weiblicher Wirklichkeiten erst einmal kämpfen musste. Häusliche<br />

Gewalt war unbekannt und galt allenfalls als ein Phänomen der unteren sozialen Schichten.<br />

Sexuellen Missbrauch gab es nicht, allenfalls den Kinderschänder als Fremdtäter. So galt es<br />

gegen die heftigsten Widerstände den patriarchalen Schleier um die Geheimnisse der „heiligen<br />

Familie“ zu lüften und offensiv das Private zum Politischen zu machen. Das erforderte aber auch<br />

ungeheuren Mut und den Einsatz der ganzen Person. Das damals bahnbrechende Werk von<br />

Barbara Kavemann und Ingrid Lohstöter „Väter als Täter“ (1982) hat sich etwa mit aller Vehemenz<br />

gegen die Mär vom Fremdtäter positioniert. Ebenso musste eindeutig klar gestellt werden, wer hier<br />

Täter und wer Opfer ist, denn auch das war keineswegs klar, denken wir nur an die damals höchst<br />

einflussreiche psychoanalytische Theorie vom sexuellen Missbrauch als einem Produkt kindlicher<br />

Wunschphantasie (Verführungsthese).<br />

Nachdem eine relativ klare feministische Position erarbeitet worden war, die den sexuellen<br />

Missbrauch in die patriarchalen Machtverhältnisse einordnete, war es dann wiederum eine enorme<br />

Herausforderung wahrzunehmen und anzuerkennen, dass auch Frauen missbrauchen können und<br />

Mütter nicht nur Mittäterinnen sondern auch Täterinnen sein konnten. Auch hier leistete Barbara

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