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Querstand Nr. 13 Jg. 10 SS 2005 - Querstand - Zeitschrift für junge ...

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Kaum mehr als Barbarei<br />

Manche wünschen sich, es wäre anders gekommen. Fakt aber ist,<br />

dass Musikwissenschaft schon wieder viel mit Politik zu tun hat.<br />

Denn 15 Jahre nach der Wiedervereinigung kämpft die Disziplin<br />

hierzulande vielerorts ums nackte Überleben.<br />

Aktuelles Beispiel der gegenwärtig allerorts populären bildungspolitischen<br />

Kahlschläge sind die „Strukturreformen“<br />

der Berliner Universitäten mit konkreten Auswirkungen<br />

auch auf die Musikwissenschaft. War die Berliner Situation<br />

mit der Musikethnologie an der Freien Universität, der<br />

Systematischen Musikwissenschaft an der Technischen Universität,<br />

den Schwerpunkten Musiksoziologie und<br />

Popularmusik an der Humboldt-Universität und Historischer<br />

Musikwissenschaft an allen drei Universitäten in<br />

Deutschland bisher einmalig, werden nach den „Strukturreformen“<br />

von den einstmals acht Professuren nur noch<br />

drei erhalten bleiben. Die Studiengänge an der TU und FU<br />

werden dabei längerfristig ganz abgewickelt.<br />

Die einschneidenden Veränderungen in Berlin scheinen<br />

dramatisch. Denn zweifelsohne ist nicht nur der zahlenmäßige<br />

Schwund an Professuren bei gleich bleibenden,<br />

wenn nicht sogar steigenden Studierendenzahlen kaum<br />

aufzufangen, auch die bisher einmalige Breite des Studienangebots<br />

in allen Teildisziplinen des Faches scheint auf<br />

immer dahin. Hinzu kommt, dass die vorgenommenen Einsparungen<br />

selbst wirtschaftspolitisch kontraproduktiv, kurzsichtig<br />

und unüberlegt sind: Die Studierenden rechnen den<br />

PolitikerInnen jetzt schon vor, dass sich die Einsparungen<br />

auf eine Million Euro p.a. belaufen, während die<br />

MusikwissenschaftlerInnen an FU und TU allein der Stadt<br />

rund <strong>13</strong>,8 Millionen Euro im Jahr einbringen. Schwer ist es<br />

wohl, Worte zu finden <strong>für</strong> politische und gesellschaftliche<br />

Umstände, in denen die Inkompetenz einer mehr oder weniger<br />

zufällig gewählten politischen „Elite“ die Zukunft<br />

einer ganzen Generation begabter <strong>junge</strong>r Menschen zu zerstören<br />

im Stande ist.<br />

Dabei wünschen manche sich seit langem schon – zwar<br />

nicht finanziell, mit Blick auf die Ausrichtung der Curricula<br />

aber wohl – Berliner Verhältnisse auch andernorts, denn<br />

schließlich ist die Ausrichtung der Disziplin im deutschsprachigen<br />

Raum kaum irgendwo so zukunftsorientiert wie<br />

in Berlin. Gerade die in der Hauptstadt gepflegten Bereiche<br />

wie Musikethnologie, Sozialgeschichte, Filmmusik,<br />

Neue Musik, Gender-Theorie und populäre Musik sind an<br />

vielen anderen Instituten außerhalb der (aus heutiger Sicht<br />

ehemaligen?) Musikhauptstadt oftmals wenigstens unterrepräsentiert,<br />

wenn nicht gar vollkommen vernachlässigt.<br />

Vielmehr können sich manche des Eindrucks nicht verwehren,<br />

dass in Deutschland das eine oder andere Institut<br />

weiterhin tradierte Forschungsschwerpunkte wie Mittelalter<br />

und Philologie pflegt, ohne neuere Methoden oder Erweiterungen<br />

im Repertoire überhaupt zur Kenntnis zu nehmen<br />

und veränderte gesellschaftliche Realitäten sowie solche<br />

im heute wesentlich heterogeneren Corpus der Studierenden<br />

in den Strukturen der Curricula zu berücksichtigen.<br />

Fast, so scheint es jedenfalls, ist die deutschsprachige Musikwissenschaft<br />

vielerorts wissenschaftstheoretisch noch<br />

ganz im historistischen Denken (und der damit einherge-<br />

KOLUMNE<br />

XIII

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