UNBEQU~ wie beim Pass- und Personalausweis gesetz. Es kommt allerdings hinzu, da
__________________________________________________ UNBEQU~ "Eine Flut von Sicherheitsgesetzen überrollt uns" Stellungnahme anlässlich der Öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags DR. ROLF GÖSSNER, RECHTSANWALT UND PUBLIZIST Leider war die Vorbereitungszeit zu knapp bemessen, um die vorliegenden Gesetzentwürfe ihrer Problematik entsprechend angemessen begutachten zu können. Immerhin handelt es sich um zahlreiche gravierende Veränderungen. Leider muss wegen der Kürze der Zeit die Bewertung eher vorläufig bleiben. Dies ist umso bedauerlicher, als uns gegenwärtig eine wahre Flut von ,,sicherheitsgesetzen" zur Terrorismusbekämpfung zu überrollen droht, die in aller Eile durchgesetzt werden sollen. Bei der Bewertung der zahlreichen einzelnen Maßnahmen, insbesondere des zweiten Or. Gössners Erste Hilfe Verständliche Ratschläge und Verhaltenstipps für all jene Gelegenheiten, in denen Einzelne von Polizei, Justiz oder Geheimdiensten betroffen sein können: von der Verkehrskontrolle bis zur Wohnungsdurchsuchung, von der Beschlagnahmung bis zum Lauschangriff. nEin Muss für alle, die selbstbewusst mit diesem Staat umgehen wollen.1I (Kölner Woche) Rolf Gössner Erste Rec hts Hilfe 384 Seiten, ISBN 3-89533-243-7, DM 39,80 VERLAG DIE WERKSTATT Lo!zestr. 240 37083 Göttingen www.werbtott·verlog.de "Sicherheitspakets", kommt nicht nur der Überblick allmählich abhanden, sondern auch der Blick für das Große und Ganze droht verloren zu gehen: nämlich für die mit den einzelnen Maßnahmen und ihrem Zusammenwirken drohenden Strukturveränderungen im Gefüge eines sich freiheitlich-demokratisch verstehenden Rechtsstaates. Ihr Kollege Burkhard Hirsch stellt in der SZ nicht zu Unrecht die Frage, ob wir angesichts all dieser Gesetzesverschärfungen "ein demokratischer Rechtsstaat bleiben". Ich möchte also hier schon einmal dafür plädieren, die einzelnen Maßnahmen und dieses erste "Sicherheitspaket" nicht isoliert zu betrachten. Kronzeugenregelungen (Artikel 1 bis 8, Artikel 9) Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Verbesserung der Bekämpfung von Straftaten der Organisierten Kriminalität und des Terrorismus - BT-Drs. 14/6834 v. 29.08.2001; Gesetzentwurfdes Bundesrates zur Ergänzung der Kronzeugenregelungen im Strafrecht (KrZErgG) BT- Drs. 14/5938 v. 26.04.2001 Mit den vorliegenden Gesetzentwürfen sollen neue - diesmal bereichsspezifische - Kronzeugenregelungen geschaffen werden. Die im Kern jeweils gleichlautenden Regelungen verweisen auf § 49 Abs. 2 StGB, wonach das Gericht die Strafe nach seinem Ermessen mildem kann; dabei kann das Gericht bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen. Darüber hinaus soll aber - mit Ausnahmen - auch gänzlich von Strafe abgesehen werden können. Handelsgeschäfte mit der Wahrheit Kronzeugen (postmonarchistisch müssten sie eigentlich Staatszeugen heißen), die selbst straffällig geworden sind und die Menschen um eigener Vorteile willen belasten, sind bislang in Drogenverfahren, in sog. Terrorismusverfahren und in Verfahren wegen bestimmter organisiert begangener Straftaten zugelassen worden. Die bei den letztgenannten Kronzeugenregelungen, die jeweils befristet waren, sind zum Jahresende 1999 ersatzlos ausgelaufen. Begründet wurde das Auslaufen der Kronzeugenregelung im Terrorismusund OK-Bereich mit ,,Zweifeln an der Glaubwürdigkeit von Kronzeugen". Der ihnen in Aussicht gestellte Strafnachlass wirke wie ein ,,Anreiz zu falschen Verdächtigungen und Denunziationen". Beim "Handel mit SchwerkriminelIen, aus denen Kronzeugen wurden", seien Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit auf der Strecke geblieben. Darüber hinaus sei die Ungleichbehandlung gegenüber anderen überführten Straftätern, die nicht begünstigt werden, "verfassungsrechtlich bedenklich". Diese Argumente, die ich selbst aus meiner Tätigkeit als Strafverteidiger bestätigen kann, sind durch Zeitablauf nicht falsch geworden, sondern gelten auch heute noch. Sie müssen deshalb bei der Beurteilung der vorgeschlagenen Regelungen Berücksichtigung finden. Die vorliegenden Gesetzentwürfe der CDU/CSU und des Bundesrates geben Anlass, an die prinzipiellen rechtlichen und rechtspolitischen Bedenken gegen diese Art von Zeugen zu erinnern, wie sie auch im straf- und strafverfahrensrechtlichen Schrifttum zum Ausdruck kommen. Ich kann sie hier nur anreißen. Der Kronzeuge ist das Gegenteil eines klassischen Zeugen: Selbst tief in Schuld verstrickt, kauft er sich durch den Verrat seiner (ehemaligen) Mitstreiter vom Staat frei, der seinerseits bei der Terrorismusund OK-Bekämpfung unter besonderem Erfolgszwang steht. Eines der gewichtigsten Bedenken gegen die Figur des Kronzeugen ist die mangelnde Glaubwürdigkeit. Das verständliche Interesse an Straffreiheit oder zumindest an milder Beurteilung durch das Gericht, das existentielle Interesse an dem Schutz und der Unterstützung durch die Sicherheitsorgane - diese Interessenkonstellation und hochgradige Abhängigkeit von staatlichen Instanzen erzeugt einen ungeheuren Druck und damit auch die Gefahr, letztlich mehr zu sagen, als man weiß. Dezember 2001 15