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Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten

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51<br />

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Eine polizeiliche Lautsprecheransage<br />

informierte gegen 9.00 Uhr daIüber, dass<br />

die Eingekesselten nun in "Verbringungsgewahrsam"<br />

genommen würden.<br />

Dann begann die Aufnahme der Personalien.<br />

Das dauerte anfangs bei den Frauen<br />

unmäßig lange, weil es nur eine Beamtin<br />

zur Leibesvisitation gab. Eine zweite Beamtin<br />

musste schreiben. Später kam eine<br />

bayrische Polizeieinheit mit Frauen zur<br />

Verstärkung.<br />

Gegen 10.30 Uhr erfolgte eine zweite<br />

polizeiliche Lautsprecherdurchsage.<br />

Diesmal wurde informiert, dass wir nach<br />

Neu-Tramm zum Verhinderungsgewahrsam<br />

verbracht würden.<br />

Bei meinem Polaroid-Fototermin, der<br />

Leibesvisitation und der Personalienfeststellung<br />

wies ich noch einmal auf meinen<br />

angemeldeten Beobachterstatus hin und<br />

erhielt die Antwort: ,,Das ist kein Persilschein".<br />

Nach der Prozedur wies mich<br />

mein uniformierter Begleiter darauf hin,<br />

dass ich Widerspruch einlegen könne.<br />

Das tat ich sofort.<br />

Der Beamte nahm dies ausdrücklich<br />

zur Kenntnis. Die Nichtigkeit dieses<br />

Widerspruchs stellte sich schnell heraus,<br />

als ein Demonstrierender auch Widerspruch<br />

einlegen wollte. Zu Protokoll<br />

könne dies nicht genommen werden,<br />

hieß es. Der Beamte habe es nur individuell<br />

zur Kenntnis genommen.<br />

Auch Menschenwürde<br />

wird relativ.<br />

Vor dem Besteigen des Gefangenentransporters<br />

gegen 11.00 Uhr wurde bei den<br />

meisten noch einmal das Gepäck durchsucht<br />

und der Leib visitiert. Ich wurde<br />

verschont. Beim Einsteigen in den Bus<br />

begegnete mir schon auf der ersten Stufe<br />

eine Video-Camera in geringem Abstand.<br />

Der Halter bewegte sich langsam rückwärts,<br />

die Linse in dem engen Gang immer<br />

auf mich gerichtet, bis ich in der Zeile<br />

10 saß. Dort stand er noch vorgebeugt<br />

in der Tür, die Camera 50 cm vor meiner<br />

Nase. Nun ist auch mein kleinstes Altersfaltehen<br />

für die Staatssicherheit, pardon,<br />

die Sicherheit der deutschen Grundordnung<br />

gezoomt.<br />

Mehr als 5 Kubikmeter hatte die 4er­<br />

Zelle nicht. In der gegenüberliegenden<br />

Einzelzelle, die nicht mehr als einen Kubikmeter<br />

groß ist, saß ein junger Mann.<br />

Bevor der Bus abfuhr, wurden die Zellen<br />

verriegelt. Als der Bus nach ca. 40 Minuten<br />

in der ehemaligen Bundeswehrkaserne<br />

und jetzigen "Gefangenensammelstelle"<br />

Neu-Tramm ankam, wurden die Zellentüren<br />

gleich geöffnet. Das war auch<br />

nötig. Die Luft war zum Umfallen. Wir<br />

durften unter Aufsicht von zwei Beamten<br />

bzw. Beamtinnen die Toiletten besuchen.<br />

Den Gefangenen in dem anderen Bus erging<br />

es viel schlechter. Vier Stunden waren<br />

sie in diesen Zellen eingesperrt. die<br />

trotz Klopfen und Rufen nicht geöffnet<br />

wurden. Deshalb kollabierte eine Frau.<br />

Ein Mann pinkelte in die Zelle.<br />

Nun erwartete uns ein neuer Fototermin,<br />

diesmal mit Digitalkamera. Handy,<br />

zwei Kulis und drei Bleistifte wurden<br />

mir abgenommen und versiegelt. Ich<br />

habe als Berichterstatterin noch lange<br />

und verzweifelt um einen Bleistift-Stummel<br />

für Notizen gekämpft vergeblich.<br />

Dann wurden wieder die Personalien<br />

aufgenommen und eine ,,Rechtsmittelbelehrung"<br />

erteilt. Allerdings nur auf Nachfrage.<br />

Ich erhielt ein Blatt mit aufgeklebter<br />

Nummer, auf dem ich meinen Widerspruch<br />

sofort unter Aufsicht darlegen<br />

sollte. Ich erbat Bedenk- und Formulierungszeit.<br />

Das sei kein Problem, ich könne<br />

in der Zelle schreiben. Aber wie ohne<br />

Schreibgerät? Das dürften sie mir nicht<br />

lassen, weil ich mit einem solchen einen<br />

Wärter angreifen oder mich selbst verstümmeln<br />

könne.<br />

Schließlich stand ich vor einer großen<br />

Halle mit fünf großen Metalltoren. Hinter<br />

der ersten Tür war der Empfang. Dort<br />

sollte nun auch meine Tasche zum Asservat<br />

genommen werden. Mein Essen könne<br />

ich noch rausnehmen, wurde mir beschieden.<br />

Auf Selbstverpflegung war ich<br />

zwar nicht eingestellt, wollte aber nach<br />

einem Kaugummi suchen. Da sei keiner<br />

32<br />

Dezember 2001

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