Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten
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Eine polizeiliche Lautsprecheransage<br />
informierte gegen 9.00 Uhr daIüber, dass<br />
die Eingekesselten nun in "Verbringungsgewahrsam"<br />
genommen würden.<br />
Dann begann die Aufnahme der Personalien.<br />
Das dauerte anfangs bei den Frauen<br />
unmäßig lange, weil es nur eine Beamtin<br />
zur Leibesvisitation gab. Eine zweite Beamtin<br />
musste schreiben. Später kam eine<br />
bayrische Polizeieinheit mit Frauen zur<br />
Verstärkung.<br />
Gegen 10.30 Uhr erfolgte eine zweite<br />
polizeiliche Lautsprecherdurchsage.<br />
Diesmal wurde informiert, dass wir nach<br />
Neu-Tramm zum Verhinderungsgewahrsam<br />
verbracht würden.<br />
Bei meinem Polaroid-Fototermin, der<br />
Leibesvisitation und der Personalienfeststellung<br />
wies ich noch einmal auf meinen<br />
angemeldeten Beobachterstatus hin und<br />
erhielt die Antwort: ,,Das ist kein Persilschein".<br />
Nach der Prozedur wies mich<br />
mein uniformierter Begleiter darauf hin,<br />
dass ich Widerspruch einlegen könne.<br />
Das tat ich sofort.<br />
Der Beamte nahm dies ausdrücklich<br />
zur Kenntnis. Die Nichtigkeit dieses<br />
Widerspruchs stellte sich schnell heraus,<br />
als ein Demonstrierender auch Widerspruch<br />
einlegen wollte. Zu Protokoll<br />
könne dies nicht genommen werden,<br />
hieß es. Der Beamte habe es nur individuell<br />
zur Kenntnis genommen.<br />
Auch Menschenwürde<br />
wird relativ.<br />
Vor dem Besteigen des Gefangenentransporters<br />
gegen 11.00 Uhr wurde bei den<br />
meisten noch einmal das Gepäck durchsucht<br />
und der Leib visitiert. Ich wurde<br />
verschont. Beim Einsteigen in den Bus<br />
begegnete mir schon auf der ersten Stufe<br />
eine Video-Camera in geringem Abstand.<br />
Der Halter bewegte sich langsam rückwärts,<br />
die Linse in dem engen Gang immer<br />
auf mich gerichtet, bis ich in der Zeile<br />
10 saß. Dort stand er noch vorgebeugt<br />
in der Tür, die Camera 50 cm vor meiner<br />
Nase. Nun ist auch mein kleinstes Altersfaltehen<br />
für die Staatssicherheit, pardon,<br />
die Sicherheit der deutschen Grundordnung<br />
gezoomt.<br />
Mehr als 5 Kubikmeter hatte die 4er<br />
Zelle nicht. In der gegenüberliegenden<br />
Einzelzelle, die nicht mehr als einen Kubikmeter<br />
groß ist, saß ein junger Mann.<br />
Bevor der Bus abfuhr, wurden die Zellen<br />
verriegelt. Als der Bus nach ca. 40 Minuten<br />
in der ehemaligen Bundeswehrkaserne<br />
und jetzigen "Gefangenensammelstelle"<br />
Neu-Tramm ankam, wurden die Zellentüren<br />
gleich geöffnet. Das war auch<br />
nötig. Die Luft war zum Umfallen. Wir<br />
durften unter Aufsicht von zwei Beamten<br />
bzw. Beamtinnen die Toiletten besuchen.<br />
Den Gefangenen in dem anderen Bus erging<br />
es viel schlechter. Vier Stunden waren<br />
sie in diesen Zellen eingesperrt. die<br />
trotz Klopfen und Rufen nicht geöffnet<br />
wurden. Deshalb kollabierte eine Frau.<br />
Ein Mann pinkelte in die Zelle.<br />
Nun erwartete uns ein neuer Fototermin,<br />
diesmal mit Digitalkamera. Handy,<br />
zwei Kulis und drei Bleistifte wurden<br />
mir abgenommen und versiegelt. Ich<br />
habe als Berichterstatterin noch lange<br />
und verzweifelt um einen Bleistift-Stummel<br />
für Notizen gekämpft vergeblich.<br />
Dann wurden wieder die Personalien<br />
aufgenommen und eine ,,Rechtsmittelbelehrung"<br />
erteilt. Allerdings nur auf Nachfrage.<br />
Ich erhielt ein Blatt mit aufgeklebter<br />
Nummer, auf dem ich meinen Widerspruch<br />
sofort unter Aufsicht darlegen<br />
sollte. Ich erbat Bedenk- und Formulierungszeit.<br />
Das sei kein Problem, ich könne<br />
in der Zelle schreiben. Aber wie ohne<br />
Schreibgerät? Das dürften sie mir nicht<br />
lassen, weil ich mit einem solchen einen<br />
Wärter angreifen oder mich selbst verstümmeln<br />
könne.<br />
Schließlich stand ich vor einer großen<br />
Halle mit fünf großen Metalltoren. Hinter<br />
der ersten Tür war der Empfang. Dort<br />
sollte nun auch meine Tasche zum Asservat<br />
genommen werden. Mein Essen könne<br />
ich noch rausnehmen, wurde mir beschieden.<br />
Auf Selbstverpflegung war ich<br />
zwar nicht eingestellt, wollte aber nach<br />
einem Kaugummi suchen. Da sei keiner<br />
32<br />
Dezember 2001