31.10.2013 Aufrufe

Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten

Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten

Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

UNBEQU~ <br />

• Die nach dem Teledienstedatenschutzgesetz<br />

garantierte Möglichkeit der anonymen<br />

oder pseudonymen Nutzung<br />

darf nicht durch strafprozessuale Befugnisse<br />

oder deren Umsetzung in der<br />

Praxis von Betreibern und Strafverfolgungsbehörden<br />

eingeschränkt werden;<br />

Problem Zeugnisverweigerungsrechte<br />

Die Berücksichtigung von Zeugnisverweigerungsrechten<br />

soll erst später in einem<br />

den ,,Besonderheiten aller heimlichen<br />

Ermittlungsmaßnahmen gerecht<br />

werdenden Gesamtkonzept" erarbeitet<br />

werden. Dass die strafpozessual so wichtige<br />

Frage der Zeugnisverweigerungsrechte<br />

nach diesem Entwurf noch nicht<br />

geregelt werden soll, ist jedoch nicht einzusehen.<br />

Denn Zeugnisverweigerungsrechte<br />

haben im deutschen Strafprozessrecht<br />

zentrale Bedeutung; es geht dabei<br />

um den Schutz von besonderen Vertrauensverhältnissen.<br />

Dieser Schutz kann<br />

nicht einfach "vorläufig" drei Jahre lang<br />

(bis zum Auslaufen der Regelung) missachtet<br />

werden.<br />

Der strafprozessuale Schutz von<br />

Kommunikationsvorgängen mit zeugnisverweigerungsberechtigten<br />

Berufsgeheimnisträgern<br />

wird mit der Neuregelung<br />

nicht gewährleistet, d.h. er kann auf<br />

diesem Wege umgangen werden: Telekommunikationsverbindungen<br />

von bzw.<br />

zu Angehörigen, zu Geistlichen, Abgeordneten,<br />

Strafverteidigern, Rechtsanwälten,<br />

Notaren, Steuerberatern, Journalisten,<br />

Ärzten, Psychotherapeuten, Drogenberatern,<br />

anerkannten Beratungsstellen<br />

etc. wären damit für die Strafverfolgungsbehörden<br />

nicht tabu, sondern<br />

könnten ausgewertet werden. Erinnert<br />

sei an die zahlreichen Proteste von Berufsverbänden<br />

anlässlich der Legalisierung<br />

des Großen Lauschangriffs, in denen<br />

besonders auf die gesetzliche Verankerung<br />

des Zeugnisverweigerungsrechts<br />

gepocht worden ist, die dann ja auch in<br />

letzter Minute erfolgt ist.<br />

Zu fordern ist also, dass in jedem Fall<br />

die Novellierung genutzt wird, eine entsprechende<br />

Regelung zum Zeugnisverweigerungsrecht<br />

schon jetzt in §§ lOOg,<br />

100 h StPO - aber parallel auch in § l00a<br />

StPO Telefonüberwachung - zu treffen,<br />

die später möglicherweise noch modifiziert<br />

werden könnte (insofern macht eine<br />

Befristung ohnehin Sinn). Eine Verlängerung<br />

von § 12 FAG, wie sie der<br />

CDUfCSU-Gesetzentwurf vorsieht, verbietet<br />

sich, weil dessen Verfassungsmä­<br />

Bigkeit in der rechtswissenschaftlichen<br />

Literatur mit guten Gründen angezweifelt<br />

wird und auch die Bundesregierung<br />

zumindest in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot<br />

von verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken ausgeht.<br />

1<br />

Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />

eines Strafrechtsänderungsgesetzes<br />

- § 129b StGB, BT-Drs.<br />

1417025<br />

Mit der geplanten ScbalTung eines<br />

neuen § 129b StGB wird die Strafbarkeit<br />

der Bildung von und<br />

Beteiligung an kriminellen und terroristiscben<br />

Vereinigungen (§§ 129, 129a<br />

StGB) aufAuslandsvereinigungen<br />

ausgeweitet.<br />

Eine solche Gesetzesausweitung wird<br />

deshalb für notwendig erachtet, weil der<br />

Bundesgerichtshof bisher im Zusammenhang<br />

mit §§ 129, 129a StGB verlangt,<br />

dass im Falle von ausländischen<br />

kriminellen oder terroristischen Vereinigungen<br />

zumindest eine Teilorganisation<br />

in der Bundesrepublik ihren Sitz haben<br />

müsse, wenn deren Mitglieder strafrechtlich<br />

in der Bundesrepublik belangt werden<br />

sollen (BGHSt 30, 325, 328 f.).<br />

Ohne eine solche inländische Teilorganisation<br />

machen sich Mitglieder einer ausländischen<br />

"Terroristischen Vereinigung"<br />

in der Bundesrepublik nach der<br />

heutigen Rechtslage nicht gemäß §§ 129,<br />

129a strafbar, es sei denn nach anderen<br />

Straftatbeständen, die ihnen jedoch konkret<br />

nachzuweisen wären.<br />

Die "Gemeinsame Maßnahme des<br />

EU-Rates" vom 21.12.1998 (AbI. L 351<br />

v. 29.12.1998, S. I) verpflichtet die Mitgliedsstaaten<br />

der EU, dafür zu sorgen,<br />

dass die Beteiligung an einer kriminellen<br />

Vereinigung in ihrem Hoheitsgebiet<br />

strafrechtlich geahndet werden kann, und<br />

zwar "unabhängig von dem Ort im Hoheitsgebiet<br />

der Mitgliedstaaten, an dem<br />

die Vereinigung ihre Operationsbasis hat<br />

oder ihre strafbaren Tätigkeiten ausübt".<br />

Daraus zieht nun die Bundesregierung<br />

die Konsequenz, einen neuen §<br />

129b StGB zu schaffen, um die §§ 129,<br />

129a auch auf Vereinigungen im Ausland<br />

auszudehnen. Im Zweifel werden dadurch<br />

auch lokal begrenzte ausländische<br />

Vereinigungen in das deutsche Strafrecht<br />

einbezogen, da nach dem Entwurfswortlaut<br />

nicht erforderlich ist, dass diese<br />

international operieren.<br />

Die NovelIierung gebt weit über die<br />

Vorgaben der EU hinaus:<br />

• Nicht nur § 129 (,,kriminelle V".), wie<br />

die Gemeinsame Maßnahme der EU<br />

verlangt, sondern auch § 129a ("Terroristische<br />

V.") soll auf Vereinigungen im<br />

Ausland ausgedehnt werden.<br />

• Die Strafbarkeit wird dabei nicht nur<br />

auf Vereinigungen in Mitgliedsstaaten<br />

der EU ausgedehnt, wie die EU-Vorlage<br />

verlangt, sondern angesichts der<br />

jüngsten terroristischen Anschläge in<br />

den USA - sei eine Erstreckung der genannten<br />

Vorschriften über die EU hinaus<br />

generell auf im Ausland tätige kriminelle/terroristische<br />

Vereinigungen<br />

weltweit erforderlich.<br />

• Die EU-Vorgabe gilt definitionsgemäB<br />

nur für solche Vereinigungen, deren<br />

Mitglieder Straftaten verabredet haben,<br />

welche ,Jm Höchstmaß mit mindestens<br />

vier Jahren Freiheitsstrafe bedroht"<br />

sein müssen. Damit sollen kleinkriminelle<br />

Gruppierungen von der Strafbarkeitsausdehnung<br />

ausgeschlossen werden.<br />

Dies trifft zwar für die in § 129a<br />

genannten Delikte größtenteils zu, aber<br />

nicht auf alle gemäß § 129 StGB erfassbaren<br />

Verabredungstaten. Daher erfordert<br />

die EU-Maßnahme nicht, wie es<br />

im vorliegenden Gesetzentwurf geschieht,<br />

die besagte Erweiterung auch<br />

pauschal bezüglich aller Katalogtaten<br />

des § 129 StGB umzusetzen.<br />

• Die EU-Maßnahme fordert nicht die<br />

Strafbarkeit der Unterstützung einer inkriminierten<br />

Vereinigung noch die<br />

Werbung für eine solche, worunter<br />

nach höchstrichterlicher Rechtsprechung<br />

auch bloße "Sympathisanten­<br />

Werbung" zu verstehen ist (BGH St 28,<br />

26 ff). Diese weit gefassten Auffangtatbestände,<br />

die in der juristischen Literatur<br />

heftig kritisiert werden (Rudolphi,<br />

in: JZ 1979,33 ff. m.w.N.), sind in der<br />

,,Europäischen Staatengemeinschaft"<br />

kein Gemeingut. Sie sollten also auch<br />

hierLulande gestrichen werden, zumal<br />

sie in der bisherigen Praxis nicht selten<br />

zu zensurierenden Folgen geführt haben<br />

sowie zu zahlreichen Ermittlungsverfahren,<br />

jedoch kaum zu Verurteilungen<br />

(vgl. BReg., BT-Drs. 14/5687).<br />

Mit der von der Bundesregierung geplanten,<br />

weiten Fassung des § 129b in Verbindung<br />

mit den zugrundeliegenden §§<br />

129, 129a StGB sind gravierende Probleme<br />

verbunden,<br />

• die zum einen mit der Grundproblematik<br />

der Organisationsnormen 129, 129a<br />

StGB und den damit verbundenen<br />

Sonderermittlungsbefugnissen von Polizei,<br />

Staatsanwaltschaften und Geheimdiensten<br />

zur Ausforschung von<br />

politischen Gruppen, Bewegungen und<br />

Szenen zusammenhängen, die nun<br />

20<br />

Dezember 2001

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!