Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten
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UNBEQU~ <br />
• Die nach dem Teledienstedatenschutzgesetz<br />
garantierte Möglichkeit der anonymen<br />
oder pseudonymen Nutzung<br />
darf nicht durch strafprozessuale Befugnisse<br />
oder deren Umsetzung in der<br />
Praxis von Betreibern und Strafverfolgungsbehörden<br />
eingeschränkt werden;<br />
Problem Zeugnisverweigerungsrechte<br />
Die Berücksichtigung von Zeugnisverweigerungsrechten<br />
soll erst später in einem<br />
den ,,Besonderheiten aller heimlichen<br />
Ermittlungsmaßnahmen gerecht<br />
werdenden Gesamtkonzept" erarbeitet<br />
werden. Dass die strafpozessual so wichtige<br />
Frage der Zeugnisverweigerungsrechte<br />
nach diesem Entwurf noch nicht<br />
geregelt werden soll, ist jedoch nicht einzusehen.<br />
Denn Zeugnisverweigerungsrechte<br />
haben im deutschen Strafprozessrecht<br />
zentrale Bedeutung; es geht dabei<br />
um den Schutz von besonderen Vertrauensverhältnissen.<br />
Dieser Schutz kann<br />
nicht einfach "vorläufig" drei Jahre lang<br />
(bis zum Auslaufen der Regelung) missachtet<br />
werden.<br />
Der strafprozessuale Schutz von<br />
Kommunikationsvorgängen mit zeugnisverweigerungsberechtigten<br />
Berufsgeheimnisträgern<br />
wird mit der Neuregelung<br />
nicht gewährleistet, d.h. er kann auf<br />
diesem Wege umgangen werden: Telekommunikationsverbindungen<br />
von bzw.<br />
zu Angehörigen, zu Geistlichen, Abgeordneten,<br />
Strafverteidigern, Rechtsanwälten,<br />
Notaren, Steuerberatern, Journalisten,<br />
Ärzten, Psychotherapeuten, Drogenberatern,<br />
anerkannten Beratungsstellen<br />
etc. wären damit für die Strafverfolgungsbehörden<br />
nicht tabu, sondern<br />
könnten ausgewertet werden. Erinnert<br />
sei an die zahlreichen Proteste von Berufsverbänden<br />
anlässlich der Legalisierung<br />
des Großen Lauschangriffs, in denen<br />
besonders auf die gesetzliche Verankerung<br />
des Zeugnisverweigerungsrechts<br />
gepocht worden ist, die dann ja auch in<br />
letzter Minute erfolgt ist.<br />
Zu fordern ist also, dass in jedem Fall<br />
die Novellierung genutzt wird, eine entsprechende<br />
Regelung zum Zeugnisverweigerungsrecht<br />
schon jetzt in §§ lOOg,<br />
100 h StPO - aber parallel auch in § l00a<br />
StPO Telefonüberwachung - zu treffen,<br />
die später möglicherweise noch modifiziert<br />
werden könnte (insofern macht eine<br />
Befristung ohnehin Sinn). Eine Verlängerung<br />
von § 12 FAG, wie sie der<br />
CDUfCSU-Gesetzentwurf vorsieht, verbietet<br />
sich, weil dessen Verfassungsmä<br />
Bigkeit in der rechtswissenschaftlichen<br />
Literatur mit guten Gründen angezweifelt<br />
wird und auch die Bundesregierung<br />
zumindest in Bezug auf das Bestimmtheitsgebot<br />
von verfassungsrechtlichen<br />
Bedenken ausgeht.<br />
1<br />
Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />
eines Strafrechtsänderungsgesetzes<br />
- § 129b StGB, BT-Drs.<br />
1417025<br />
Mit der geplanten ScbalTung eines<br />
neuen § 129b StGB wird die Strafbarkeit<br />
der Bildung von und<br />
Beteiligung an kriminellen und terroristiscben<br />
Vereinigungen (§§ 129, 129a<br />
StGB) aufAuslandsvereinigungen<br />
ausgeweitet.<br />
Eine solche Gesetzesausweitung wird<br />
deshalb für notwendig erachtet, weil der<br />
Bundesgerichtshof bisher im Zusammenhang<br />
mit §§ 129, 129a StGB verlangt,<br />
dass im Falle von ausländischen<br />
kriminellen oder terroristischen Vereinigungen<br />
zumindest eine Teilorganisation<br />
in der Bundesrepublik ihren Sitz haben<br />
müsse, wenn deren Mitglieder strafrechtlich<br />
in der Bundesrepublik belangt werden<br />
sollen (BGHSt 30, 325, 328 f.).<br />
Ohne eine solche inländische Teilorganisation<br />
machen sich Mitglieder einer ausländischen<br />
"Terroristischen Vereinigung"<br />
in der Bundesrepublik nach der<br />
heutigen Rechtslage nicht gemäß §§ 129,<br />
129a strafbar, es sei denn nach anderen<br />
Straftatbeständen, die ihnen jedoch konkret<br />
nachzuweisen wären.<br />
Die "Gemeinsame Maßnahme des<br />
EU-Rates" vom 21.12.1998 (AbI. L 351<br />
v. 29.12.1998, S. I) verpflichtet die Mitgliedsstaaten<br />
der EU, dafür zu sorgen,<br />
dass die Beteiligung an einer kriminellen<br />
Vereinigung in ihrem Hoheitsgebiet<br />
strafrechtlich geahndet werden kann, und<br />
zwar "unabhängig von dem Ort im Hoheitsgebiet<br />
der Mitgliedstaaten, an dem<br />
die Vereinigung ihre Operationsbasis hat<br />
oder ihre strafbaren Tätigkeiten ausübt".<br />
Daraus zieht nun die Bundesregierung<br />
die Konsequenz, einen neuen §<br />
129b StGB zu schaffen, um die §§ 129,<br />
129a auch auf Vereinigungen im Ausland<br />
auszudehnen. Im Zweifel werden dadurch<br />
auch lokal begrenzte ausländische<br />
Vereinigungen in das deutsche Strafrecht<br />
einbezogen, da nach dem Entwurfswortlaut<br />
nicht erforderlich ist, dass diese<br />
international operieren.<br />
Die NovelIierung gebt weit über die<br />
Vorgaben der EU hinaus:<br />
• Nicht nur § 129 (,,kriminelle V".), wie<br />
die Gemeinsame Maßnahme der EU<br />
verlangt, sondern auch § 129a ("Terroristische<br />
V.") soll auf Vereinigungen im<br />
Ausland ausgedehnt werden.<br />
• Die Strafbarkeit wird dabei nicht nur<br />
auf Vereinigungen in Mitgliedsstaaten<br />
der EU ausgedehnt, wie die EU-Vorlage<br />
verlangt, sondern angesichts der<br />
jüngsten terroristischen Anschläge in<br />
den USA - sei eine Erstreckung der genannten<br />
Vorschriften über die EU hinaus<br />
generell auf im Ausland tätige kriminelle/terroristische<br />
Vereinigungen<br />
weltweit erforderlich.<br />
• Die EU-Vorgabe gilt definitionsgemäB<br />
nur für solche Vereinigungen, deren<br />
Mitglieder Straftaten verabredet haben,<br />
welche ,Jm Höchstmaß mit mindestens<br />
vier Jahren Freiheitsstrafe bedroht"<br />
sein müssen. Damit sollen kleinkriminelle<br />
Gruppierungen von der Strafbarkeitsausdehnung<br />
ausgeschlossen werden.<br />
Dies trifft zwar für die in § 129a<br />
genannten Delikte größtenteils zu, aber<br />
nicht auf alle gemäß § 129 StGB erfassbaren<br />
Verabredungstaten. Daher erfordert<br />
die EU-Maßnahme nicht, wie es<br />
im vorliegenden Gesetzentwurf geschieht,<br />
die besagte Erweiterung auch<br />
pauschal bezüglich aller Katalogtaten<br />
des § 129 StGB umzusetzen.<br />
• Die EU-Maßnahme fordert nicht die<br />
Strafbarkeit der Unterstützung einer inkriminierten<br />
Vereinigung noch die<br />
Werbung für eine solche, worunter<br />
nach höchstrichterlicher Rechtsprechung<br />
auch bloße "Sympathisanten<br />
Werbung" zu verstehen ist (BGH St 28,<br />
26 ff). Diese weit gefassten Auffangtatbestände,<br />
die in der juristischen Literatur<br />
heftig kritisiert werden (Rudolphi,<br />
in: JZ 1979,33 ff. m.w.N.), sind in der<br />
,,Europäischen Staatengemeinschaft"<br />
kein Gemeingut. Sie sollten also auch<br />
hierLulande gestrichen werden, zumal<br />
sie in der bisherigen Praxis nicht selten<br />
zu zensurierenden Folgen geführt haben<br />
sowie zu zahlreichen Ermittlungsverfahren,<br />
jedoch kaum zu Verurteilungen<br />
(vgl. BReg., BT-Drs. 14/5687).<br />
Mit der von der Bundesregierung geplanten,<br />
weiten Fassung des § 129b in Verbindung<br />
mit den zugrundeliegenden §§<br />
129, 129a StGB sind gravierende Probleme<br />
verbunden,<br />
• die zum einen mit der Grundproblematik<br />
der Organisationsnormen 129, 129a<br />
StGB und den damit verbundenen<br />
Sonderermittlungsbefugnissen von Polizei,<br />
Staatsanwaltschaften und Geheimdiensten<br />
zur Ausforschung von<br />
politischen Gruppen, Bewegungen und<br />
Szenen zusammenhängen, die nun<br />
20<br />
Dezember 2001