Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten
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UNBEQU~<br />
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Durchsuchung Betroffenen eigenverantwortlich<br />
sichten können. Dies steht bisher<br />
nur der Staatsanwaltschaft zu. Bislang<br />
ist eine Übertragung der Durchsicht<br />
auf Hilfsbeamte ausdrucklich und bewusst<br />
nicht gestattet.<br />
Diese Sicherung hat gute Grunde. Sie<br />
soll verhindern, dass vor Ort durch Exekutivbeamte<br />
Einblick in persönliche,<br />
zum Teil intime Unterlagen genommen<br />
wird. Es soll vermieden werden, dass Polizeibeamte<br />
in der Hektik vor Ort entscheiden<br />
sollen, ob es sich um Unterlagen<br />
handelt, die etwa im Zusammenhang<br />
mit dem Zeugnisverweigerungsrecht<br />
nicht verwertet werden dürften (etwa<br />
Pressesachen). Es soll gesichert werden,<br />
dass solche Unterlagen nicht in falsche<br />
Hände geraten; sie sollen deshalb nur<br />
von einem Staatsanwalt, möglichst unter<br />
Teilnahme des Betroffenen, gesichtet<br />
werden.<br />
Dieser Grundsatz soll mit dem vorliegenden<br />
Entwurf aufgehoben werden. Als<br />
Anwalt kann ich vor einem solchen<br />
Schritt nur warnen. Wer schon mal die<br />
Durchsuchung von Wohnungen oder Geschäftsräumen<br />
erlebt hat oder später die<br />
durchwühlten Räume gesehen hat, wird<br />
verstehen, dass die Durchsicht nicht den<br />
aktiv durchsuchenden Polizeibeamten<br />
überlassen werden sollte und zwar weder<br />
vor Ort, noch später auf dem Polizeirevier,<br />
ohne Anwesenheit und Federführung<br />
eines Staatsanwalts.<br />
2. Dinglicher Arrest durch StA<br />
und Hilfsbeamte<br />
Prinzipiell ist gegen diese Novellierung,<br />
die Vollziehung des dinglichen Arrestes<br />
in bewegliche Sachen zur Sicherung späteren<br />
Wertersatzverfalls durch die Staatsanwaltschaft<br />
oder deren Hilfsbeamte zu<br />
bewirken, wenig einzuwenden, zumal<br />
diese Kompetenzverschiebung keine<br />
Strukturveränderung begünstigt; der<br />
Rechtsschutz gegen den dinglichen Arrest<br />
bleibt unangetastet.<br />
3. Zeugenpflicht, vor der Polizei zu<br />
erscheiuen und auszusagen<br />
Künftig sollen Zeugen verpflichtet sein,<br />
auf Ladung auch vor der Polizei zu erscheinen<br />
und zur Sache auszusagen,<br />
wenn der Ladung ein Auftrag oder ein<br />
Ersuchen der Staatsanwaltschaft zu<br />
Grunde liegt. Bislang gibt es keine Verpflichtung<br />
des Zeugen, vor der Polizei zu<br />
erscheinen und auszusagen. Im Falle unberechtigten<br />
Ausbleibens oder unberechtigter<br />
Weigerung eines Zeugen soll die<br />
Staatsanwaltschaft von den bereits möglichen<br />
Maßregeln Gebrauch machen<br />
können und damit das Erscheinen und<br />
die Aussage vor der Polizei erzwingen.<br />
Als Rechtsanwalt kann ich auch hier<br />
nur davor warnen, der Polizei bei der<br />
Zeugenladung und -vernehmung weitergehende<br />
Befugnisse einzuräumen. Bislang<br />
waren sich Verteidiger vielfach einig,<br />
dass eine Zeugenaussage zur Sache<br />
vor der Polizei zu vermeiden sei. Dies<br />
liegt u.a. daran, dass die Erfahrung immer<br />
wieder zeigt, dass die unter Erfolgszwang<br />
stehende Polizei mitunter Zeugen<br />
über ihre Rechte, Zeugnis- bzw. Aussageverweigerungsrechte<br />
nicht genügend<br />
aufklärt oder hart an der Grenze unerlaubter<br />
Vernehmungs methoden agiert. In<br />
bestimmten Verfahrensbereichen kommt<br />
es immer wieder vor, dass die Betroffenen<br />
zunächst im Unklaren gelassen werden,<br />
in welcher Rolle sie vernommen<br />
werden sollen, ob als Verdächtige, Beschuldigte,<br />
oder als Informanten oder<br />
Zeugen. Die Verwicklung in "informatorische<br />
Gespräche", ohne Beschuldigtenoder<br />
Zeugen status und damit ohne Belehrung,<br />
ist ebenfalls zu beobachten. Bislang<br />
kann sich der Zeuge gegen unzulässige<br />
Fragen im Zweifel durch Verweigerung<br />
und Schweigen wehren, weil er vor<br />
den Beamten des Polizeidienstes gar<br />
nicht aussagen muss.<br />
Auftrag und Ersuchen der Staatsanwaltschaft<br />
zur Ladung eines Zeugen<br />
durch die Polizei, zumal wenn sie allgemein<br />
erklärt werden oder im Frühstadium<br />
des Verfahrens ergehen sollen, bedeutet<br />
praktisch eine Abgabe an Verantwortung<br />
und dürfte nicht genügen, in der<br />
konkreten Vernehmungssituation vor der<br />
Polizei kontrollierenden Einfluss zu nehmen.<br />
Die Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft<br />
wird so entwertet. Viele betroffene<br />
Zeugen und Rechtsberater sehen<br />
in der Staatsanwaltschaft ein Justizorgan,<br />
das möglicherweise mit etwas mehr Distanz<br />
und Verantwortlichkeit gegenüber<br />
den Betroffenen operiert als die Polizei <br />
und insbesondere auch die Gesamtschau<br />
des Verfahrens und die materielle sowie<br />
prozessuale Rechtslage berucksichtigt.<br />
Es gibt gravierende rechtsstaatliche<br />
Bedenken gegen die weitere Stärkung<br />
der Rolle der Polizei im Ermittlungsverfahren<br />
- nachdem die Polizei im Ermittlungsverfahren<br />
faktisch längst eine dominante<br />
Rolle spielt (vgl. LiskenlDenninger,<br />
Handbuch des Polizei rechts,<br />
München 1996, 2. Aufl., C 7). Die Entwicklung<br />
des Polizeirechts im Präventivbereich<br />
und des Straf- und Strafprozessrechts<br />
im Repressivbereich der letzten<br />
Jahrzehnte haben tendenziell zu einer Art<br />
Verpolizeilichung des Ermittlungsverfahrens<br />
geführt. Die Polizei hat sich in<br />
der Praxis längst von ihrer Hilfsbeamten<br />
Rolle emanzipiert. Gerade im Zusammenhang<br />
mit dem Einsatz geheimer<br />
polizeilicher Mittel und Methoden, die in<br />
den 90er Jahren legalisiert wurden, und<br />
damit verbundener Verdachtsschöpfungs-<br />
und Verdachtsverdichtungsstrategien<br />
ist nicht selten eine Art<br />
,,Außensteuerung" von Strafverfahren<br />
durch die Polizei zu registrieren.<br />
Der Gesetzentwurf des Bundesrates<br />
zielt auf eine weitere Verlagerung von<br />
Kompetenzen der Staatsanwaltschaft auf<br />
die Polizei. Dies schwächt zwangsläufig<br />
die Rolle der Staatsanwaltschaft als<br />
"Herrin des Ermittlungsverfahrens" noch<br />
weiter obwohl doch gerade die Staatsanwaltschaft<br />
durch die ihr eingeräumte<br />
Sachleitungsbefugnis die Einhaltung des<br />
Legalitätsprinzips, die Vollständigkeit<br />
der Sachverhaltserforschung und die Justizförmigkeit<br />
des Verfahrens gewährleisten<br />
soll. Entgegen dieser Tendenz sollte<br />
die Stellung der Staatsanwaltschaft· im<br />
Ermittlungsverfahren gegenüber der Polizei<br />
vielmehr gestärkt werden, wie es im<br />
übrigen auch die Bundesregierung laut<br />
ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf<br />
des Bundesrates anstrebt (Anlage 2).<br />
e<br />
Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />
zur Änderung der Strafprozessordnung,<br />
BT-Drs. J4f7008v. 01.10.2001;<br />
Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Verbessernng<br />
der Bekämpfung von Straftaten<br />
der Organisierten Kriminalität und<br />
des Terrorismus, BT-Drs. 14/6834 v.<br />
29.08.2001 (Artikel 12 Ändernng des<br />
Gesetzes über Fernmeldeanlagen, FAG)<br />
§ 12 Femmeldeanlagengesetz (FAG) gestattet<br />
den Strafverfolgungsbehörden,<br />
von den verpflichteten TeJediensteanbietern<br />
Auskunft über Telekommunikationsverbindungen<br />
des Beschuldigten oder<br />
seiner Kommunikationspartner bzw.<br />
-mittler (vgl. § lOOa Satz 2 StPO) zu verlangen.<br />
Diese Auskünfte dienen der Beschaffung<br />
von Beweismitteln (Indizien)<br />
für tatbestandsmäßiges Verhalten, der<br />
Bestimmung des Standortes eines Beschuldigten<br />
zur Tatzeit oder zur Ermittlung<br />
seines gegenwärtigen Aufenthaltsortes<br />
und zur Abklärung, ob und bezüglich<br />
welcher Person eine Telekommunikationsüberwachung<br />
erfolgversprechend<br />
erscheint. Die Befugnis wird auch zur<br />
Ermittlung von Datennetzkriminalität<br />
genutzt.<br />
Diese Regelung tritt mit Ablauf des<br />
31.12.200 I außer Kraft.<br />
18<br />
Dezember 2001