31.10.2013 Aufrufe

Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten

Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten

Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

UNBEQU~<br />

-------------------------------<br />

Durchsuchung Betroffenen eigenverantwortlich<br />

sichten können. Dies steht bisher<br />

nur der Staatsanwaltschaft zu. Bislang<br />

ist eine Übertragung der Durchsicht<br />

auf Hilfsbeamte ausdrucklich und bewusst<br />

nicht gestattet.<br />

Diese Sicherung hat gute Grunde. Sie<br />

soll verhindern, dass vor Ort durch Exekutivbeamte<br />

Einblick in persönliche,<br />

zum Teil intime Unterlagen genommen<br />

wird. Es soll vermieden werden, dass Polizeibeamte<br />

in der Hektik vor Ort entscheiden<br />

sollen, ob es sich um Unterlagen<br />

handelt, die etwa im Zusammenhang<br />

mit dem Zeugnisverweigerungsrecht<br />

nicht verwertet werden dürften (etwa<br />

Pressesachen). Es soll gesichert werden,<br />

dass solche Unterlagen nicht in falsche<br />

Hände geraten; sie sollen deshalb nur<br />

von einem Staatsanwalt, möglichst unter<br />

Teilnahme des Betroffenen, gesichtet<br />

werden.<br />

Dieser Grundsatz soll mit dem vorliegenden<br />

Entwurf aufgehoben werden. Als<br />

Anwalt kann ich vor einem solchen<br />

Schritt nur warnen. Wer schon mal die<br />

Durchsuchung von Wohnungen oder Geschäftsräumen<br />

erlebt hat oder später die<br />

durchwühlten Räume gesehen hat, wird<br />

verstehen, dass die Durchsicht nicht den<br />

aktiv durchsuchenden Polizeibeamten<br />

überlassen werden sollte und zwar weder<br />

vor Ort, noch später auf dem Polizeirevier,<br />

ohne Anwesenheit und Federführung<br />

eines Staatsanwalts.<br />

2. Dinglicher Arrest durch StA<br />

und Hilfsbeamte<br />

Prinzipiell ist gegen diese Novellierung,<br />

die Vollziehung des dinglichen Arrestes<br />

in bewegliche Sachen zur Sicherung späteren<br />

Wertersatzverfalls durch die Staatsanwaltschaft<br />

oder deren Hilfsbeamte zu<br />

bewirken, wenig einzuwenden, zumal<br />

diese Kompetenzverschiebung keine<br />

Strukturveränderung begünstigt; der<br />

Rechtsschutz gegen den dinglichen Arrest<br />

bleibt unangetastet.<br />

3. Zeugenpflicht, vor der Polizei zu<br />

erscheiuen und auszusagen<br />

Künftig sollen Zeugen verpflichtet sein,<br />

auf Ladung auch vor der Polizei zu erscheinen<br />

und zur Sache auszusagen,<br />

wenn der Ladung ein Auftrag oder ein<br />

Ersuchen der Staatsanwaltschaft zu<br />

Grunde liegt. Bislang gibt es keine Verpflichtung<br />

des Zeugen, vor der Polizei zu<br />

erscheinen und auszusagen. Im Falle unberechtigten<br />

Ausbleibens oder unberechtigter<br />

Weigerung eines Zeugen soll die<br />

Staatsanwaltschaft von den bereits möglichen<br />

Maßregeln Gebrauch machen<br />

können und damit das Erscheinen und<br />

die Aussage vor der Polizei erzwingen.<br />

Als Rechtsanwalt kann ich auch hier<br />

nur davor warnen, der Polizei bei der<br />

Zeugenladung und -vernehmung weitergehende<br />

Befugnisse einzuräumen. Bislang<br />

waren sich Verteidiger vielfach einig,<br />

dass eine Zeugenaussage zur Sache<br />

vor der Polizei zu vermeiden sei. Dies<br />

liegt u.a. daran, dass die Erfahrung immer<br />

wieder zeigt, dass die unter Erfolgszwang<br />

stehende Polizei mitunter Zeugen<br />

über ihre Rechte, Zeugnis- bzw. Aussageverweigerungsrechte<br />

nicht genügend<br />

aufklärt oder hart an der Grenze unerlaubter<br />

Vernehmungs methoden agiert. In<br />

bestimmten Verfahrensbereichen kommt<br />

es immer wieder vor, dass die Betroffenen<br />

zunächst im Unklaren gelassen werden,<br />

in welcher Rolle sie vernommen<br />

werden sollen, ob als Verdächtige, Beschuldigte,<br />

oder als Informanten oder<br />

Zeugen. Die Verwicklung in "informatorische<br />

Gespräche", ohne Beschuldigtenoder<br />

Zeugen status und damit ohne Belehrung,<br />

ist ebenfalls zu beobachten. Bislang<br />

kann sich der Zeuge gegen unzulässige<br />

Fragen im Zweifel durch Verweigerung<br />

und Schweigen wehren, weil er vor<br />

den Beamten des Polizeidienstes gar<br />

nicht aussagen muss.<br />

Auftrag und Ersuchen der Staatsanwaltschaft<br />

zur Ladung eines Zeugen<br />

durch die Polizei, zumal wenn sie allgemein<br />

erklärt werden oder im Frühstadium<br />

des Verfahrens ergehen sollen, bedeutet<br />

praktisch eine Abgabe an Verantwortung<br />

und dürfte nicht genügen, in der<br />

konkreten Vernehmungssituation vor der<br />

Polizei kontrollierenden Einfluss zu nehmen.<br />

Die Leitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft<br />

wird so entwertet. Viele betroffene<br />

Zeugen und Rechtsberater sehen<br />

in der Staatsanwaltschaft ein Justizorgan,<br />

das möglicherweise mit etwas mehr Distanz<br />

und Verantwortlichkeit gegenüber<br />

den Betroffenen operiert als die Polizei ­<br />

und insbesondere auch die Gesamtschau<br />

des Verfahrens und die materielle sowie<br />

prozessuale Rechtslage berucksichtigt.<br />

Es gibt gravierende rechtsstaatliche<br />

Bedenken gegen die weitere Stärkung<br />

der Rolle der Polizei im Ermittlungsverfahren<br />

- nachdem die Polizei im Ermittlungsverfahren<br />

faktisch längst eine dominante<br />

Rolle spielt (vgl. LiskenlDenninger,<br />

Handbuch des Polizei rechts,<br />

München 1996, 2. Aufl., C 7). Die Entwicklung<br />

des Polizeirechts im Präventivbereich<br />

und des Straf- und Strafprozessrechts<br />

im Repressivbereich der letzten<br />

Jahrzehnte haben tendenziell zu einer Art<br />

Verpolizeilichung des Ermittlungsverfahrens<br />

geführt. Die Polizei hat sich in<br />

der Praxis längst von ihrer Hilfsbeamten­<br />

Rolle emanzipiert. Gerade im Zusammenhang<br />

mit dem Einsatz geheimer<br />

polizeilicher Mittel und Methoden, die in<br />

den 90er Jahren legalisiert wurden, und<br />

damit verbundener Verdachtsschöpfungs-<br />

und Verdachtsverdichtungsstrategien<br />

ist nicht selten eine Art<br />

,,Außensteuerung" von Strafverfahren<br />

durch die Polizei zu registrieren.<br />

Der Gesetzentwurf des Bundesrates<br />

zielt auf eine weitere Verlagerung von<br />

Kompetenzen der Staatsanwaltschaft auf<br />

die Polizei. Dies schwächt zwangsläufig<br />

die Rolle der Staatsanwaltschaft als<br />

"Herrin des Ermittlungsverfahrens" noch<br />

weiter obwohl doch gerade die Staatsanwaltschaft<br />

durch die ihr eingeräumte<br />

Sachleitungsbefugnis die Einhaltung des<br />

Legalitätsprinzips, die Vollständigkeit<br />

der Sachverhaltserforschung und die Justizförmigkeit<br />

des Verfahrens gewährleisten<br />

soll. Entgegen dieser Tendenz sollte<br />

die Stellung der Staatsanwaltschaft· im<br />

Ermittlungsverfahren gegenüber der Polizei<br />

vielmehr gestärkt werden, wie es im<br />

übrigen auch die Bundesregierung laut<br />

ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf<br />

des Bundesrates anstrebt (Anlage 2).<br />

e<br />

Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung<br />

zur Änderung der Strafprozessordnung,<br />

BT-Drs. J4f7008v. 01.10.2001;<br />

Gesetzentwurf der CDU/CSU zur Verbessernng<br />

der Bekämpfung von Straftaten<br />

der Organisierten Kriminalität und<br />

des Terrorismus, BT-Drs. 14/6834 v.<br />

29.08.2001 (Artikel 12 Ändernng des<br />

Gesetzes über Fernmeldeanlagen, FAG)<br />

§ 12 Femmeldeanlagengesetz (FAG) gestattet<br />

den Strafverfolgungsbehörden,<br />

von den verpflichteten TeJediensteanbietern<br />

Auskunft über Telekommunikationsverbindungen<br />

des Beschuldigten oder<br />

seiner Kommunikationspartner bzw.<br />

-mittler (vgl. § lOOa Satz 2 StPO) zu verlangen.<br />

Diese Auskünfte dienen der Beschaffung<br />

von Beweismitteln (Indizien)<br />

für tatbestandsmäßiges Verhalten, der<br />

Bestimmung des Standortes eines Beschuldigten<br />

zur Tatzeit oder zur Ermittlung<br />

seines gegenwärtigen Aufenthaltsortes<br />

und zur Abklärung, ob und bezüglich<br />

welcher Person eine Telekommunikationsüberwachung<br />

erfolgversprechend<br />

erscheint. Die Befugnis wird auch zur<br />

Ermittlung von Datennetzkriminalität<br />

genutzt.<br />

Diese Regelung tritt mit Ablauf des<br />

31.12.200 I außer Kraft.<br />

18<br />

Dezember 2001

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!