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Unbequem Nr. 46/47 - Kritische Polizisten

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UNBEQU~<br />

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zum Preis der Selbstvernichtung, bis zur<br />

Lust am gemeinsamen Untergang.<br />

Unerwünschte Supervision<br />

Bereits in der zweiten Stufe kann externer<br />

Sachverstand nutzbringend eingesetzt<br />

werden, um interne Befangenheit<br />

(Betriebsblindheit) zu kompensieren. Solange<br />

nicht verstanden wird, wie hilfreich<br />

sich neutrale Supervision in den ersten<br />

Eskalationsstufen auswirkt, bleiben<br />

auf dem Weg zur Konfliktfähigkeit viele<br />

wertvolle Kräfte auf der Strecke. In den<br />

meisten Fällen, in denen die Konfliktlösungsinitiative<br />

KLIMA e. V. eingeschaltet<br />

worden ist, war die Stufe vier nach<br />

Glasl schon erreicht oder überschritten.<br />

Dann leiden die meisten Betroffenen<br />

schon unter einer posttraumatischen Belastungsstörung,<br />

so dass es nur noch um<br />

Schadensbegrenzung gehen kann. Sogar<br />

wenn ein personalärztliches Gutachten<br />

völlige Gesundung unter der Voraussetzung<br />

einer kompetenten Vermeidung<br />

krankmachender Bedingungen am Arbeitsplatz<br />

durch Hinzuziehung externer<br />

sachverständiger Hilfe bestätigt, bleiben<br />

Vorgesetzte in Behörden bei der selbstherrlichen<br />

Einschätzung, dass die internen<br />

Möglichkeiten, die jahrelange Leidensgeschichten<br />

nicht verhindert haben,<br />

jetzt plötzlich greifen werden. Sogar vor<br />

einer Verunglimpfung externer Helfer<br />

wird möglicherweise nicht zurück geschreckt,<br />

wie die folgende eigene Erfahrung<br />

nahe legt.<br />

Im Interesse einer von Mobbing betroffenen<br />

Beamtin, der ich geraten hatte,<br />

im September den Resturlaub des vergangenen<br />

Jahres zu nehmen und damit<br />

die vom Amtsarzt bestätigte arbeitsplatzbedingte<br />

Krankschreibung zu unterbrechen,<br />

rufe ich einen Sachbearbeiter ihrer<br />

Behörde an, der versucht haben soll, in<br />

der krankschreibenden Praxis Auskünfte<br />

über sie einzuholen. Ich frage ihn, weshalb<br />

er bei einem eingereichten Urlaubsantrag<br />

die Notwendigkeit gesehen habe,<br />

in der Praxis nachzuhaken, anstatt den<br />

UrIaubsantrag für Resturlaub des vergangenen<br />

Jahres problemlos zu genehmigen.<br />

Er behauptet, wenn die Beamtin gesund<br />

sei, müsse sie zum Dienst erscheinen und<br />

hätte keinen selbstverständlichen Anspruch<br />

auf Urlaub. Das müsse erst geprüft<br />

werden. Da sie nicht zum Dienst erschienen<br />

sei, wäre er gehalten gewesen,<br />

nachzuforschen. Ich bitte um schriftliche<br />

Info dazu, er verweist auf meine fehlende<br />

Legitimation und erklärt, ein Rechtsanwalt<br />

müsse von der Beamtin beauftragt<br />

werden.<br />

Ich erzähle nichts von der Mitteilung<br />

der Sprechstundenhilfe, dass der Sachbearbeiter<br />

auf den Hinweis, wegen der bestehenden<br />

Schweigepflicht nichts über<br />

den Gesundheitszustand der Beamtin erfahren<br />

zu dürfen, damit gedroht hat, die<br />

Wohnung der Beamten aufbrechen zu<br />

lassen. Aber ich stelle eine Strafanzeige<br />

wegen Körperverletzung durch Psychoterror<br />

in Aussicht, wenn sich der Verdacht<br />

bestätigen sollte, dass Drohungen<br />

ausgesprochen worden sind. Ich erkläre<br />

ihm, dass ich allerdings ebenso für möglich<br />

halte, dass er selbst es gar nicht böse<br />

meine, sondern dass er auf Weisung<br />

durch den Präsidenten gehandelt habe,<br />

der dann gegebenenfalls zur Verantworlung<br />

zu ziehen sei. Nachdem ich noch<br />

einmal dezidiert meine Sicht vermittelt<br />

habe, dass eine überzogene Reaktion erfolgt<br />

sei, anstatt den zustehenden Urlaub<br />

zu genehmigen und mit einer freundlichen<br />

Rückmeldung zu verbinden, wird<br />

mir vorgeworfen, einen fehlerhaften Rat<br />

gegeben zu haben, wenn ich zum Urlaubsantrag<br />

geraten habe. Meine Notizen<br />

enden mit der Antwort: "Vor dem Hintergrund<br />

der krankmachenden Einwirkungen<br />

ist allen Beteiligten klar, dass ein<br />

Dienstantritt ohne vorherige Vermittlungsgespräche<br />

ausgeschlossen ist. Meines<br />

Erachtens handelt es sich um Schikane.<br />

Den Dienstherrn geht es nichts an,<br />

wo sich die Beamtin im Urlaub aufhält."<br />

In einer Strafanzeige wegen Beleidigung<br />

werde ich jetzt vom behördlichen Oberpräsidenten<br />

beschuldigt, in diesem Telefonat<br />

den Präsidenten als obersten<br />

Psychoterroristen bezeichnet zu haben,<br />

und bin mir nach der polizeilichen Vernehmung<br />

nicht einmal sicher, ob sich das<br />

auf die ungerechtfertigte Verwendung<br />

des Superlativs beziehen soll.<br />

Ratschläge dürfen keine Schläge<br />

sein<br />

Trotz der subjektiven Sicherheit, niemanden<br />

als Psychoterroristen bezeichnet<br />

zu haben, sondern immer sehr vorsichtig<br />

auf den durch Rechtsanwalt Dr. Thomas<br />

Etzel für Mobbing ins Spiel gebrachten<br />

Begriff "Psychoterror" hinzuweisen,<br />

muss man sich mit der Möglichkeit auseinander<br />

setzen, dass hier ein Versuch<br />

gestartet worden ist, eine Wirkung erzielende<br />

Vertrauensperson zu kriminalisieren,<br />

um sich nicht mit ihr und ihrer Argumentation<br />

einlassen zu müssen. Glücklicherweise<br />

ist Etzel in seinem Strafprozess<br />

wegen Beleidigung freigesprochen<br />

worden (Amtsgericht München, 822 Ds<br />

236 Js 207708/98), so dass er weiterhin<br />

zur Gleichsetzung von Mobbing und<br />

Psychoterrorismus stehen kann. Dennoch<br />

bleibt dringend anzuraten, vorläufig<br />

äußerst zurückhaltend mit vorsichtigen,<br />

als Ich-Botschaften deklarierten<br />

Mutmaßungen aufzutreten, so sehr grobe<br />

Bezeichnungen bei menschenverachtendem<br />

Verhalten auch gerechtfertigt sein<br />

mögen.<br />

Bei "schwierigen" Gesprächen eskaliert<br />

der Konflikt zuweilen trotz Ich-Botschaft,<br />

weil eine Ich-Botschaft auch eine<br />

verletzende Du-Botschaft enthalten kann:<br />

,,Ich fühle mich missverstanden!", ,,Ich<br />

habe das Gefühl, Sie nehmen mich nicht<br />

ernst!", ,,Ich fühle mich betrogen." Ich­<br />

Botschaften drücken nur und ausschließlich<br />

Eindrücke, Gefühle, Gedanken und<br />

Bedürfnisse aus, ohne dem Empfänger<br />

dafür die Verantwortung zuzuschieben<br />

auch nicht "unterschwellig". Wörter wie<br />

,,missverstanden", "unterdrückt", ,,missbraucht",<br />

"getäuscht" stellen ebenso wie<br />

die Verstärkungen "immer", "dauernd",<br />

"oft", "ständig" eine unterschwellige Bewertung<br />

dar und sollten vermieden werden.<br />

Es braucht Einiges an Training, seine<br />

Gefühle nicht anklagend zum Ausdruck<br />

zu bringen und Wünsche nicht als Forderungen,<br />

sondern als Bitten zu formulieren.<br />

Die Konfliktlösungsinitiative KLIMA e.<br />

V. bietet ein vielseitiges Schulungsprogramm<br />

an, das neuerdings auch im Internet<br />

unter www.antimobbing.de abgerufen<br />

werden kann.<br />

38<br />

Dezember 2001

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