Die Presse Schaufenster
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Redaktion: Anna Burghardt, Fotos: Stanislav jenis(2), beigestellt<br />
<br />
Echt gut, aber seit Tagen völlig leer“,<br />
schrieb eine Bekannte über ein neues<br />
Lokal, das gegenüber ihrer Wohnung aufgesperrt<br />
hätte. Gute Adresse (Walfischgasse),<br />
asiatische Fusionsküche, ein Interieurfoto<br />
war im Internet aufzutreiben, sah recht<br />
hübsch und ambitioniert aus, also nichts<br />
wie hin. Später sollte die Tischgenossin<br />
sagen, dass man eigentlich schon angesichts<br />
der Glassteinchendekoration am Eingang<br />
hätte wissen können, woran man ist,<br />
die Karte aber zunächst eben andere<br />
Erwartungen schürte. Nämlich durchwegs<br />
positive (und man realisiert im Nachhinein,<br />
wie sehr man selbst auf Reizwörter wie<br />
Fritz Cola oder Fentimans abgerichtet ist –<br />
nämlich nach dem Muster:<br />
Wer solche angeblichen<br />
Underdog-Getränke auf der<br />
Karte auflistet, hat bestimmt<br />
Ambitionen in Richtung einer<br />
einfallsreichen Küche oder<br />
aber bedingungsloser ruraler<br />
Authentizität). Nachdem wir uns durch die<br />
unübersichtliche Karte des alles andere als<br />
leeren Go Gourmet gekämpft hatten – Thainamen,<br />
deutsche Erklärung, englische<br />
Übersetzung, gestaffelte Preise, das Ganze<br />
noch durch Versalien, kursiv, fett verschärft<br />
– bestellten wir irgendwann doch frohen<br />
<br />
<br />
NACHSCHLAG: Wer in der<br />
Gegend ist und statt fusion<br />
cuisine lieber richtig essen<br />
will, geht am besten ins Phô<br />
Sài Gòn in der Hegelgasse.<br />
<br />
Mutes. Bald sollte der Tisch in dem Minilokal<br />
zu einem Saucenfriedhof verkommen:<br />
Zu jeder Vorspeise, ob zu den sehr guten<br />
Dim Sum, dem ohnehin schon marinierten<br />
Fad-Salat mit drei Garnelen, ein paar Tofustücken<br />
und zwei Spältchen Avocado oder<br />
anderen, gab es zwei Saucen in Schälchen,<br />
die nie wieder abserviert wurden (laut Chefin<br />
sind alle Saucen selbst gemacht).<br />
Schwein im Tontopf geschmort klang verheißungsvoll<br />
nach prächtigen, butterweichen<br />
Trümmern, hatte aber Kimchi in der<br />
Hauptrolle und wenig dünn geschnetzeltes<br />
Fleisch in der Nebenrolle. Aromatisch in<br />
Ordnung, die Enttäuschung war aber auch<br />
angesichts des Preises (13,80) groß. Buchweizennudeln<br />
in Currysauce<br />
klangen schon seltsam, Japaner<br />
würden weinen, wenn sie<br />
wüssten, was man aus ihren<br />
Sobanudeln, einer bei richtiger<br />
Behandlung berückend<br />
spartanischen Delikatesse, so<br />
alles machen kann. Bunte Paprikastreifen<br />
haben hier die Aufgabe, jeden Teller zu<br />
behübschen, nur nicht die Maki, die zum<br />
Teil zwar sehr kunstvolle Intarsienwickel<br />
sind, aber geschmacklich nicht wirklich<br />
etwas können. Aber wie praktisch, da stehen<br />
ja zig Saucen zum Tunken herum. <br />
⋆ Go Gourmet, Walfischgasse 4, 1010 Wien. Tel: 01/3705439, Durchgehend warme Küche 11–23.30 Uhr<br />
Mehr Kolumnen auf: → <strong>Schaufenster</strong>.<strong>Die</strong><strong>Presse</strong>.com<br />
Gumpoldskirchner aus Tattendorf. Vielleicht<br />
ist es schon aufgefallen. Ich stecke seit<br />
einiger Zeit in einer schwierigen Burgunderphase.<br />
Ich steh auf das Zeug. Und zwar sowohl<br />
in Weiß als auch in Rot. Schwierig, da<br />
wieder herauszukommen. Aber möglich. Es<br />
gibt ein paar Tricks. Apropos Burgunder: Der<br />
Johanneshof Reinisch in Tattendorf in der<br />
Thermenregion ist, was Pinot Noir und<br />
St. Laurent (Holzspur) betrifft, so ziemlich<br />
genial. Jetzt kommt der Trick: Ich widme mich<br />
diesmal dem Rotgipfler Satzing 2011. Weil der<br />
kommt - zugegeben - zumindest burgundisch<br />
daher. <strong>Die</strong> Riede Satzing liegt übrigens<br />
in Gumpoldskirchen am Fuß des Anninger.<br />
Dort stehen bis zu 40 Jahre alte Rebstöcke.<br />
Perfekte Voraussetzungen also für einen gediegenen,<br />
komplexen Wein. Schöne Aromen,<br />
aber nicht vordergründig parfümiert. Ein<br />
Wein, der Spaß macht und gleichzeitig Tiefgang<br />
hat. Solche Weine kredenz ich gern,<br />
wenn Weinkenner und Weinpenner an einem<br />
Tisch sitzen. Der passt eigentlich immer. Vor<br />
allem zur Wiener Küche. Ich sag nur: Gefüllte<br />
Paprika. Ja, ich glaube, auf diese Weise könnte<br />
ich die Burgunderphase überwinden.<br />
Johanneshof Reinisch, Rotgipfler Satzing<br />
2011, kostet ab Hof 18,60 Euro, www.j-r.at<br />
<br />
Schmelz. Der Produktname hatscht etwas,<br />
der Geschmack ist aber von ungleich eleganterer<br />
Gangart: der wunderbare Prosciutto<br />
crudo di Loipersbach des ebenso wunderbaren<br />
Fleischhauers Otmar Tschürtz, der unter<br />
anderem den Taubenkobel mit Fleisch beliefert.<br />
<strong>Die</strong>ser samtige Rohschinken reift am<br />
Knochen, mindestens 15 Monate hängt er im<br />
pannonischen Klima. Er ist deutlich weniger<br />
salzig als großindustrielle Ware und von hocharomatischem<br />
Schmelz.<br />
Prosciutto crudo di<br />
Loipersbach von<br />
Tschürtz, etwa bei<br />
Selection Neubauer,<br />
Porzellangasse 50,<br />
1090 Wien, 100 g um<br />
4,20 Euro.<br />
<strong>Schaufenster</strong> 35