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Die Presse Schaufenster

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REISE<br />

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Karst und Kaffee. „Abseits der Pfade“ ist für Wolfgang<br />

Salomons „Triest“-Buch keine bloße Floskel,<br />

sondern ein Versprechen an den Kenner der „spröden<br />

Schönheit“, dass auch er Neues zu entdecken<br />

vermag. In dem einstigen KZ von Triest, dem einzigen<br />

Italiens, haben vermutlich die wenigsten<br />

einen Rundgang gemacht. Und die Büsten im „Giardino<br />

Pubblico Muzio Giuseppe Spirito de Tommasini“<br />

hat sich wohl auch nicht jeder so genau<br />

angesehen. Persönlich, aus der Ich-Perspektive,<br />

erzählt der Wiener Gastronom („Spezerei“ am Karmeliterplatz)<br />

vom Einkehren in die typischen Osmice<br />

(Buschenschänke) und Besuchen bei einer<br />

Kräuterexpertin, von dösigen Tagen am Meer und<br />

Abstechern in triesttypische Gastronomie: Kaffeehäuser,<br />

Fischrestaurants, Buffets. Dazu gibt es immer<br />

wieder Rezepte. Ein kundiger Begleiter.<br />

Wolfgang Salomon: „Triest. Abseits der Pfade“<br />

Braumüller Verlag, 14,90 Euro, www.braumueller.at<br />

<br />

Kanada und Küste. <strong>Die</strong> Lage von „The Wickaninnish<br />

Inn“ auf Vancouver Island ist wirklich besonders:<br />

Regenwald, Klippen, Surferstrand, nur ein<br />

kleiner Ort in der Nähe. <strong>Die</strong>ser Umstand – nebst<br />

ansehnlicher Ausstattung und gemütlicher Atmosphäre<br />

– hat dem Hotel erneut eine Auszeichnung<br />

bei den World‘s Best Awards des Magazins „Travel<br />

+ Leisure“ eingetragen. www.wickinn.com<br />

Etiler ist nicht das interessanteste<br />

Viertel Istanbuls. Gehobene Mittelschicht,<br />

viel Grün. Ein paar Läden,<br />

Eczane, also Apotheke, und Kuaför. Ein<br />

Parkplatz mit der Aufschrift „Oto<br />

Yikama“, was japanisch anmutet, aber<br />

sogar Nichtkenner des Türkischen kriegen<br />

den Verdacht nicht los, dass Oto<br />

Auto heißen könnte. Nicht unweit davon<br />

steht das 34-stöckige Le Méridien Istanbul<br />

Etiler.<br />

Das Hotel präsentiert das markeneigene<br />

Kunstprogramm LM100, betreut von<br />

einem Kurator, dem Franzosen Jérôme<br />

Sans. Zunächst ein Willkommensdrink<br />

mit General Manager und Nebenmanagern.<br />

<strong>Die</strong> PR-Leute verleihen dem Projekt<br />

einen religiösen Touch: „Please help<br />

us to get the message round the world!“<br />

Ihre Hotelmarke sprechen sie „Lee<br />

Maríddian“ aus, wenn sie nicht den<br />

unangenehmen französische Artikel<br />

ganz unterschlagen. Maríddian-Kunst<br />

soll selbst zu einer Marke werden.<br />

<br />

<br />

Ist das jetzt ein<br />

Autofriseur?,<br />

fragt man sich.<br />

Anschließend kommt Jérôme Sans, graumeliert,<br />

Typus müder Profizauberer,<br />

zum Gespräch. Frage: Worin besteht Ihr<br />

Job? „Ich habe keinen Job!“, braust er auf,<br />

„ich kreiere neue Situationen, neue<br />

Geschichten, ich will Grenzen niederreißen.“<br />

Das fängt ja gut an. Tatsächlich<br />

folgt ein 20-minütiger Monolog, unfassbar<br />

schwer, einem solchen Typen zuzuhören,<br />

ohne zu implodieren. „Kultur ist,<br />

was dem Leben einen Sinn gibt. Ohne<br />

Kultur wäre alles gleich“, doziert er. Als<br />

ich frage, wie lange er für die Hotelkette<br />

arbeiten wolle, antwortet er schnaubend<br />

– als hätte ich ihn nach seiner Analsexfrequenz<br />

gefragt –, niemand könne in die<br />

Zukunft blicken, seine Mission sei jedoch<br />

noch nicht beendet. Aber: Er will „das<br />

Vokabular der Marke neu erfinden“, den<br />

Hotelgästen einzigartige Erlebnisse bieten<br />

– für unsere Kultur sind wir nämlich<br />

„selbst verantwortlich“.<br />

<strong>Die</strong>se tiefen Erkenntnisse bringt Sans in<br />

allerhöchster Schaumquirlstufe mit der<br />

Überlegenheit des wahren Genießers<br />

vor, der einem lästigen Schreiberling –<br />

und allen übrigen Menschen – die Welt<br />

erklärt. Sans ist der Missing Link zwischen<br />

Kunst und Kapital, hohe Überzeugungskraft<br />

plus elegant-öliger Redefluss,<br />

ein Charisma, das von der Managerkaste<br />

geliebt und von der Künstlerkaste ertragen<br />

wird.<br />

Letzte Frage: Wie er zu Lee Maríddian<br />

gekommen sei? „They contacted me“,<br />

stellt er grimmig klar, „nicht schlecht,<br />

denn normalerweise kommen Hotelketten<br />

nie auf jemanden wie mich!“ Am<br />

Ende erhebt und verabschiedet er sich,<br />

lässig, nächster Tisch, ohne mir die Hand<br />

zu schütteln. <br />

⋆ Le Méridien Istanbul Etiler, Cengiz Topel Caddesi 39, Etiler, Beşiktaş, Istanbul.<br />

Texte: Madeleine Napetschnig; www.amanshauser.at; Weitere Kolumnen auf: <strong>Schaufenster</strong>.<strong>Die</strong><strong>Presse</strong>.com/Amanshauser; Fotos: Beigestellt<br />

42 <strong>Schaufenster</strong>

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