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Anwaltsblatt 2002/04 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Abhandlungen<br />

Island, Italien, Liechtenstein, Luxemburg, Niederlande, Nordirland<br />

(Solicitors), Norwegen, Österreich, Schottland (Solicitors und<br />

Advocates), Spanien und Schweden. Die Angabe ist unzulässig in<br />

Griechenland, Irland (Solicitors und Barristers) und Portugal.<br />

Spezialisierungsangaben sind unzulässig in Teilen von Belgien, in<br />

Finnland, Griechenland, Irland (Solicitors), Nordirland (Barristers),<br />

Österreich, Portugal und Spanien.<br />

Amtliche Spezialisierungsangaben, ähnlich dem deutschen Fachanwalt,<br />

existieren neben Deutschland in England und Wales (Solicitors),<br />

Frankreich (15 Gebiete), Island und Schottland (Solicitors).<br />

Die Bezeichnung „Experte/Spezialist“ ohne amtliche Ausbildung<br />

oder amtlichen Titel, dh letztlich eine Spezialisierung kraft Selbsteinschätzung,<br />

die allerdings zutreffend sein muss, darf geführt werden<br />

in Dänemark, England und Wales (Solicitors und Barristers),<br />

Irland (Barristers), Island, Italien, Liechtenstein, Niederlande,<br />

Nordirland (Solicitors), Norwegen, Schottland (Solicitors und<br />

Advocates) und Schweden. Die Zahl der Länder, in denen die Spezialisierungsangabe<br />

kraft Selbsteinschätzung erfolgt, ist also erheblich<br />

höher als die Zahl der Länder mit amtlichen Spezialisierungsangaben.<br />

Was gilt bei grenzüberschreitender Tätigkeit? Kann das Recht des<br />

Niederlassungsortes, das keine Spezialisierungsbezeichnungen<br />

zulässt, die Führung einer nach Heimatrecht zulässigen Spezialisierungsangabe<br />

verbieten? Oder umgekehrt: Kann das Niederlassungsrecht<br />

dem niedergelassenen Anwalt die Führung einer Spezialisierungsbezeichnung<br />

zusätzlich zum heimatlichen Berufstitel<br />

gestatten, die nach Heimatrecht unstatthaft ist?<br />

Was gilt im Fall von grenzüberschreitenden Sozietäten, zumal<br />

wenn man bedenkt, dass nach einer Reihe von Berufsrechten in<br />

den einzelnen Ländern die Sozietäten als solche berechtigt sind,<br />

Interessenschwerpunkte, Tätigkeitsschwerpunkte und Spezialisierungen<br />

anzugeben?<br />

6. Sozietätsrecht<br />

Damit bin ich bei einem weitgehend ungeklärten Thema. Gibt es<br />

in den einzelnen Mitgliedstaaten der EU überhaupt ein eigenes<br />

Berufsrecht der Sozietäten, oder nur ein Berufsrecht der einzelnen<br />

Anwälte? Und unabhängig davon, wo liegen rechtliche Regelungsunterschiede,<br />

soweit es um die Bildung von Sozietäten unter Beteiligung<br />

von Anwälten aus anderen Ländern geht?<br />

Gelegentlich der Wiener Präsidentenkonferenz 2001 habe ich<br />

erfahren, dass nach norwegischem Berufsrecht bei einer norwegischen<br />

Anwaltskanzlei die Mehrheit nach Köpfen bei norwegischen<br />

Anwälten liegen muss. Andere Länder – zB Deutschland und England<br />

– kennen ein derartiges berufsrechtliches Mehrheitserfordernis<br />

nicht, das mir im Hinblick auf das gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot<br />

als zumindest fragwürdig erscheint. Die praktische<br />

Konsequenz des norwegischen Mehrheitserfordernisses ist,<br />

dass sich eine Kanzlei von drei norwegischen Anwälten in Oslo<br />

mit einer Kanzlei von drei deutschen Rechtsanwälten in Hamburg<br />

nur in der Form zusammenschließen kann, dass die norwegischen<br />

Anwälte der deutschen Sozietät beitreten, die dann in Oslo eine<br />

Niederlassung unterhält.<br />

7. Syndikusanwälte<br />

Diesen Themenkreis möchte ich nur der Vollständigkeit halber<br />

erwähnen. Die Stellung der Syndikusanwälte in den einzelnen<br />

europäischen Ländern ist sehr unterschiedlich. Der Europäische<br />

Gerichtshof in der Entscheidung AM & S von 1981 und der CCBE<br />

lehnen es bisher ab, den Syndikusanwälten, die als angestellte<br />

Rechtsanwälte für ihren Arbeitgeber tätig sind, denselben Status<br />

wie selbstständigen Rechtsanwälten zu geben. Auch hier kann es<br />

zu zahlreichen Konfliktsituation kommen, die für die praktische<br />

Arbeit große Schwierigkeiten bereiten. Würde etwa ein Syndikusanwalt,<br />

der nach seinem Heimatrecht den Status als Anwalt hat, in<br />

einem anderen Mitgliedstaat, das diesen Status verweigert, ein<br />

Zeugnisverweigerungsrecht haben? Ich erinnere an den oben<br />

erwähnten Fall des amerikanischen Inhouse Counsel.<br />

Meine Ausführungen haben gezeigt, dass es in wichtigen Einzelfragen<br />

wesentliche Unterschiede zwischen den anwaltlichen Berufsrechten<br />

der einzelnen Länder gibt. Dieser Umstand wirkt sich<br />

in der grenzüberschreitenden Tätigkeit von Anwälten – allein, in<br />

Sozietäten oder in Kooperationen – immer störender aus. Er kann<br />

und wird – siehe das Beispiel USA – zunehmend dazu benutzt werden,<br />

Anwälte und Sozietäten aus Mandaten „herauszuschießen“.<br />

Von daher wird es zunehmend dringlich, das Problem im Interesse<br />

der Anwälte, der Mandanten und der allgemeinen Öffentlichkeit<br />

aktiv anzugehen.<br />

Die ideale Lösung wäre natürlich eine Harmonisierung der nationalen<br />

Berufsrechte, und zwar unabhängig davon, ob diese vom<br />

Gesetzgeber oder von einer Standesorganisation erlassen worden<br />

sind. Die Hoffnung, dass sich dieses Ziel auch nur mittelfristig erreichen<br />

lassen wird, wäre jedoch unrealistisch. Dafür sind die Unterschiede<br />

in den nationalen Berufsrechten und vor allem die Unterschiede<br />

in dem ihnen zu Grunde liegenden Verständnis von Stellung<br />

und Funktion des Anwalts zu unterschiedlich. Auch die von<br />

mir aufgezeigten Querverbindungen zum Anwaltsmonopol, zur<br />

Überprüfung des anwaltlichen Berufsrechts nach dem Maßstab des<br />

Wettbewerbsrechts und zur Frage, bis wann ein Anwalt in der<br />

Rechtsanwendung straffrei ist und ab wann er sich strafbar macht,<br />

sind nicht gerade dazu angetan, die Harmonisierung der nationalen<br />

Berufsrechte zu beschleunigen. Bedenkt man, dass trotz der<br />

signifikanten Zunahme der grenzüberschreitenden Tätigkeit die<br />

anwaltliche Tätigkeit weiterhin in der übergroßen Mehrzahl der<br />

Fälle rein nationalen Charakter hat, dann kann man eine Harmonisierung<br />

der nationalen Berufsrechte insgesamt, um die Probleme<br />

bei der grenzüberschreitenden Tätigkeit zu lösen, realistischerweise<br />

nur langfristig in den Blick nehmen.<br />

AnwBl <strong>2002</strong>/4 197

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