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Anwaltsblatt 2002/04 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Europa<br />

Grundlage sie interessierten Dritten ihre persönliche Beurteilung<br />

über die Zuverlässigkeit dieser Buchungsdaten übermitteln, folge,<br />

dass für Wirtschaftsprüfer in den Niederlanden – anders als etwa<br />

im deutschen Recht – kein Berufsgeheimnis gilt, das mit dem der<br />

Rechtsanwälte vergleichbar wäre.<br />

Daraus folge, dass die SWV in den Niederlanden die Einhaltung<br />

des dort geltenden Standesrechts sichern soll und dass die Niederländische<br />

Anwaltskammer in Anbetracht der berufsständischen<br />

Grundsätze annehmen konnte, dass ein Rechtsanwalt möglicherweise<br />

nicht mehr in der Lage ist, seinen Mandanten unabhängig<br />

und unter Wahrung eines strengen Berufsgeheimnisses zu vertreten,<br />

wenn er einer Struktur angehört, die auch die Aufgabe hat,<br />

die finanziellen Ergebnisse der Vorgänge, in denen er tätig geworden<br />

ist, im Rahmen der Rechnungslegung zu erfassen und zu prüfen.<br />

Eine Verordnung wie die SWV sei daher notwendig um die<br />

ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufes sicherzustellen.<br />

12 )<br />

Dass in einem anderen Mitgliedstaat möglicherweise andere Vorschriften<br />

gelten, bedeutet nach Ansicht des EuGH im Übrigen<br />

nicht, dass die in einem Mitgliedstaat anwendbaren Vorschriften<br />

gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen. Auch wenn gemischte<br />

Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern in anderen<br />

Mitgliedstaaten zulässig seien, könne die Niederländische<br />

Rechtsanwaltskammer zu Recht den Standpunkt vertreten, dass die<br />

mit der SWV verfolgten Ziele insbesondere in Anbetracht des in<br />

den Niederlanden für die Rechtsanwälte und die Wirtschaftsprüfer<br />

jeweils geltende Berufsrecht nicht mit weniger einschneidenden<br />

Mitteln erreicht werden hätte können. 13 )<br />

Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sei nicht zu erkennen,<br />

dass die wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen, wie sie<br />

sich für die in den Niederlanden tätigen Rechtsanwälte aus einer<br />

Verordnung wie der SWV ergeben, über das hinausgingen, was<br />

erforderlich ist, um die ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufes<br />

sicherzustellen.<br />

Auslegung von Art 82 EG-Vertrag<br />

Eine Einrichtung wie die Niederländische Anwaltskammer ist nach<br />

Ansicht des EuGH kein Unternehmen im Sinne von Art 82 EG-Vertrag,<br />

da sie keine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. Sie könne auch<br />

nicht als Gruppe von Unternehmen im Sinne von Art 82 EG-Vertrag<br />

betrachtet werden, weil die in den Niederlanden eingetragenen<br />

Anwälte nicht so eng miteinander verbunden sind, dass sie auf<br />

dem Markt in gleicher Weise vorgehen können, sodass das zwischen<br />

ihnen bestehende Wettbewerbsverhältnis entfällt.<br />

Der Rechtsanwaltsberuf sei nämlich durch geringe Konzentration,<br />

große Heterogenität und starken Wettbewerb gekennzeichnet.<br />

Rechtsanwälte können mangels struktureller Bindungen nicht als Inhaber<br />

einer kollektiven beherrschenden Stellung im Sinne von<br />

Art 82 EG-Vertrag angesehen werden. Im Übrigen entfallen auf<br />

die Rechtsanwälte in den Niederlanden nur 60% der Umsätze im<br />

Bereich der juristischen Dienstleistungen. Der Gerichtshof stellte<br />

fest, dass sie damit einen Marktanteil haben, der angesichts der<br />

großen Zahl von Anwaltskanzleien für sich genommen keinen<br />

maßgeblichen Anhaltspunkt für das Vorliegen einer kollektiven beherrschenden<br />

Stellung darstellt.<br />

Auslegung von Art 43 und 49 EG-Vertrag<br />

Der EuGH stellte fest, dass die Art 43 und 49 EG-Vertrag einer nationalen<br />

Regelung, wie der SWV, durch die Sozietäten zwischen<br />

Anwälten und Wirtschaftsprüfern verboten werden, nicht entgegenstehen,<br />

da diese Regelung bei vernünftiger Betrachtung als für<br />

die ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, wie er<br />

in den Niederlanden geordnet ist, erforderlich angesehen werden<br />

konnte.<br />

Soweit die Bestimmungen über das Niederlassungsrecht und/oder<br />

den freien Dienstleistungsverkehr auf ein Verbot gemischter Sozietäten<br />

zwischen Anwälten und Wirtschaftsprüfern wie das in der<br />

SWV enthaltene anwendbar sein sollten und soweit diese eine Beschränkung<br />

dieser Freiheiten darstellen sollte, wäre nach Ansicht<br />

des EuGH diese Beschränkung jedenfalls aus den gleichen Gründen,<br />

aus welchen die Wettbewerbsbeschränkung gerechtfertigt ist,<br />

gerechtfertigt. 14 )<br />

Schlussbemerkung<br />

Aus Sicht der Anwaltschaft ist zu begrüßen, dass der EuGH in diesem<br />

Urteil die Bedeutung der Grundwerte des Rechtsanwaltsberufes<br />

bestätigt hat und diese als wesentlich zum Schutz des Mandanten<br />

ansieht. Damit wird deutlich, dass der Anwalt eben nicht, wie<br />

etwa von der Europäischen Kommission propagiert, gleich wie jeder<br />

andere Dienstleistungsanbieter behandelt werden kann. Die<br />

Grundsätze, die der EuGH in seinem Urteil entwickelt hat, sind auf<br />

das österreichische Berufsrecht übertragbar, welches multidisziplinäre<br />

Partnerschaften aus den selben Überlegungen wie der Gerichtshof<br />

verbietet, weil nur so die Unabhängigkeit und Verschwiegenheit<br />

des Rechtsanwaltes gewahrt und Interessenskonflikte vermieden<br />

werden können.<br />

EuGH-Urteil Arduino<br />

Im Verfahren Arduino 15 ) hatte der EuGH zu beurteilen, ob die verbindliche<br />

Gebührenordnung der italienischen Rechtsanwälte gegen<br />

das Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft verstößt.<br />

12) Rn 105 und 107 des Urteils<br />

13) Rn 108 des Urteils<br />

14) Rn 122 des Urteils<br />

15) Rs C-35/99, Urteil vom 19. Februar <strong>2002</strong> (noch nicht in der Slg veröffentlicht)<br />

AnwBl <strong>2002</strong>/4 209

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