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Anwaltsblatt 2002/04 - Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

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Europa<br />

Mag. Silvia Dotzauer, ÖRAK<br />

EuGH-Urteil Wouters : Ein von einer Anwaltskammer erlassenes<br />

Verbot gemischter Sozietäten zwischen Rechtsanwälten und<br />

Wirtschaftsprüfern verstößt nicht gegen das EG-Wettbewerbsrecht<br />

Einleitung<br />

Am 19. 2. <strong>2002</strong> hat der EuGH in zwei Fällen, die die Berufsgruppe<br />

der Rechtsanwälte betreffen, entschieden. Im Verfahren<br />

Wouters/NOvA 1 ) (Nederlandse Orde van Advocaten / Niederländische<br />

Rechtsanwaltskammer) hatte er sich mit der Frage zu<br />

beschäftigen, ob eine Rechtsanwaltskammer als Unternehmensvereinigung<br />

im Sinne von Art 81 Abs 1 EG-Vertrag 2 ) anzusehen ist<br />

und ob ein von einer Anwaltskammer erlassenes Verbot multidisziplinärer<br />

Partnerschaften mit dem Wettbewerbsrecht der Gemeinschaft<br />

vereinbar ist. Das Urteil des EuGH im Fall Arduino 3 ) betraf<br />

die Frage, ob die Festlegung des italienischen Rechtsanwaltstarifs<br />

gegen das EG-Wettbewerbsrecht verstößt. Das Verfahren Arduino<br />

wird im Anschluss an die Darstellung des Urteils Wouters erläutert.<br />

Im Verfahren Wouters sprach der EuGH aus:<br />

1. Eine Verordnung über die Zusammenarbeit zwischen Rechtsanwälten<br />

und Angehörigen anderer freier Berufe wie die Zusammenarbeitsverordnung<br />

von 1993, die von einer Einrichtung wie der<br />

Niederländischen Rechtsanwaltskammer erlassen wurde, ist als<br />

Beschluss einer Unternehmensvereinigung im Sinne von Art 81<br />

Abs 1 EG-Vertrag anzusehen.<br />

2. Eine nationale Regelung wie die Zusammenarbeitsverordnung<br />

1993, die von einer Einrichtung wie der Niederländischen Rechtsanwaltskammer<br />

erlassen wurde, verstößt nicht gegen Art 81 Abs 1<br />

EG-Vertrag, da diese Einrichtung bei vernünftiger Betrachtung annehmen<br />

konnte, dass die Regelung trotz der notwendig mit ihr verbundenen<br />

wettbewerbsbeschränkenden Wirkungen für die ordnungsgemäße<br />

Ausübung des Rechtsanwaltsberufes, wie er in dem<br />

betreffenden Mitgliedstaat geregelt ist, erforderlich ist.<br />

3. Eine Einrichtung wie die Niederländische Rechtsanwaltskammer<br />

stellt weder ein Unternehmen noch eine Gruppe von Unternehmen<br />

im Sinne von Art 82 EG-Vertrag dar.<br />

4. Die Art 43 und 49 EG-Vertrag stehen einer nationalen Regelung<br />

wie der Zusammenarbeitsverordnung 1993, durch die Sozietäten<br />

zwischen Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern verboten werden,<br />

nicht entgegen, da diese Regelung bei vernünftiger Betrachtung<br />

als für die ordnungsgemäße Ausübung des Rechtsanwaltsberufes,<br />

wie er in dem betreffenden Staat geordnet ist, erforderlich<br />

angesehen werden konnte.<br />

Der EuGH hat mit diesem Urteil nunmehr generell festgestellt, dass<br />

Rechtsanwaltskammern Unternehmensvereinigungen im Sinne von<br />

Art 81 Abs 1 EG-Vertrag sind, woraus folgt, dass die Regelungen,<br />

die von Anwaltskammern erlassen werden, grundsätzlich dem europäischen<br />

Wettbewerbsrecht unterliegen.<br />

Allerdings hat er hinsichtlich der Anwendbarkeit des EG-Wettbewerbsrechts<br />

auf Regelungen, die von einem Berufsverband erlassen<br />

wurden, generell zwei Fälle unterschieden. Danach unterliegen<br />

die von einem Berufsverband aufgestellten Regelungen in dem<br />

Fall nicht dem EG-Wettbewerbsrecht, in welchem ein Mitgliedstaat<br />

bei der Übertragung von Rechtssetzungsbefugnissen an einen Berufsverband<br />

Kriterien des Allgemeininteresses und wesentliche<br />

Grundsätze festlegt, die bei der Satzungsgebung zu beachten<br />

sind, und die Letztentscheidungsbefugnis behält. Im anderen Fall<br />

sind die vom Berufsverband erlassenen Regelungen allein diesem<br />

zuzurechnen.<br />

Anders als der Generalanwalt 4 ) kam der EuGH zu dem Ergebnis,<br />

dass nicht einmal der Tatbestand des Art 81 Abs 1 EG-Vertrag erfüllt<br />

ist, wenn die von Anwaltskammern erlassenen Regelungen die<br />

Grundwerte des Rechtsanwaltsberufes, wozu jedenfalls die Wahrung<br />

der Unabhängigkeit und Verschwiegenheit und die Vermeidung<br />

von Interessenkonflikten zählt, betreffen.<br />

Sachverhalt<br />

Den beiden in Amsterdam zugelassenen Rechtsanwälten Wouters<br />

und Savelbergh war vom Vorstand der Rechtsanwaltskammer<br />

die Genehmigung für die Gründung von Sozietäten mit den in<br />

den Niederlanden ansässigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften<br />

Arthur Andersen und Price Waterhouse versagt worden.<br />

Der Kammervorstand stützte seine ablehnende Entscheidung auf<br />

eine Verordnung von 1993 über die Zusammenarbeit von Rechtsanwälten<br />

mit Angehörigen anderer Berufsgruppen (Samenwerkingsverordening,<br />

kurz SWV), die von der Delegiertenversammlung<br />

der niederländischen Rechtsanwaltskammer erlassen worden war.<br />

Diese Verordnung verbietet Sozietäten von Rechtsanwälten mit<br />

Wirtschaftsprüfern.<br />

1) Rs C-309/99, Urteil vom 19. 2. <strong>2002</strong> (noch nicht in der Slg veröffentlicht)<br />

2) Die Artikelbezeichnungen beziehen sich auf den EG-Vertrag nach Amsterdam<br />

3) Rs C-35/99, Urteil vom 19. 2. <strong>2002</strong> (noch nicht in der Slg veröffentlicht)<br />

4) Schlussanträge vom 10. 7. 2001; siehe die Darstellung im AnwBl<br />

2001/588<br />

206 AnwBl <strong>2002</strong>/4

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