hochmeister zeitung - Evangelische Hochmeister-Kirchengemeinde
hochmeister zeitung - Evangelische Hochmeister-Kirchengemeinde
hochmeister zeitung - Evangelische Hochmeister-Kirchengemeinde
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
M U S I K<br />
J. S. Bach: Kantate BWV 70<br />
Wachet! betet! betet! wachet!<br />
KANTANTENGOTTESDIENST am SONNTAG, 10. NOVEMBER, 9:30 UHR<br />
Berliner Motettenchor und Kammerorchester des Motettenchores<br />
Von Anfang bis Ende fesselnd“<br />
schreibt Maarten’t Hart - der<br />
Autor so wunderbarer Bücher<br />
wie „Die Netzflickerin“ oder „Gott<br />
fährt Fahrrad“ - sei die Kantate zum<br />
26. Sonntag nach Trinitatis, die Bach<br />
zum 21. November 1723 komponierte.<br />
Bereits einige Jahre zuvor in<br />
Weimar hatte er eine Kantate (BWV<br />
70a) zum 2. Advent komponiert. Da<br />
an seiner neuen Wirkungsstätte in<br />
Leipzig keine Aufführungsmöglichkeit<br />
zu diesem Termin bestand, schrieb er<br />
die Kantate für diesen neuen Termin<br />
um. Die Umformung des Inhalts war<br />
nicht schwer, handeln doch die Lesungen<br />
beider Tage vom Ende der<br />
Zeiten und der Erwartung der Wiederkunft<br />
Christi. Der Text Salomon<br />
Francks konnte unverändert beibehalten<br />
werden; lediglich die Einführung<br />
von Rezitativen und einer Choralstrophe<br />
brachte die Erweiterung des<br />
ursprünglich rezitativlosen Werkes zur<br />
größeren, zweiteiligen Form mit sich.<br />
Der Verfasser der Rezitativtexte ist<br />
unbekannt; die naheliegende Vermutung,<br />
Bach selber könne sich hier als<br />
Dichter betätigt haben, läßt sich weder<br />
beweisen noch widerlegen. Diese<br />
Rezitative stellen, soweit das noch<br />
nötig ist, eine engere Beziehung zur<br />
Sonntagslesung her; diesem Zweck<br />
dienen Hinweise auf „des Richters<br />
ausgesprochne Worte“ (Satz 9; vgl.<br />
Matth. 25, 34-36 und 41-43) oder auf<br />
die unterschiedliche Bedeutung jenes<br />
Tages für die „verstockten Sünder“<br />
und die „erwählten Gotteskinder“<br />
(Satz 2, ähnlich Satz 6 und 9). Freilich<br />
fehlt dem dergestalt erweiterten Text<br />
die konsequente Durchführung eines<br />
Gedankens; er schwankt beständig<br />
zwischen der Besorgnis, für das Ende<br />
der Welt nicht hinreichend<br />
gerüstet zu<br />
sein, und der Hoffnung,<br />
einst zu den<br />
Auserwählten gezählt<br />
zu werden, für<br />
die jener Tag „ein<br />
Anfang wahrer<br />
Freude“ sein werde.<br />
Bachs Komposition<br />
vereint den<br />
jugendfrischen, originellen<br />
Erfindungreichtum<br />
seiner<br />
Weimarer Jahre mit<br />
dem Zug zur<br />
großen Form, der<br />
gerade in den Adventskantaten<br />
von<br />
1716 erstmals wahrnehmbar<br />
und durch<br />
die Erweiterung von 1773 noch<br />
offensichtlicher wird.<br />
Im Eingangschor erprobt Bach, soweit<br />
das überlieferte Œuvre erkennen<br />
läßt, zum ersten Mal in großem Ausmaße<br />
die Kompositionstechnik des<br />
Choreinbaus in die Wiederholung<br />
ausgedehnter Partien des Orchesterritornells.<br />
Dadurch entsteht ein spannungsreicher<br />
Wechsel im Hervortreten<br />
bald des Chores (mit begleitendem<br />
Orchester), bald des Orchesters<br />
(mit hineinkomponiertem Chor).<br />
Das Instrumentarium erhält seine<br />
charakteristische Note durch die Mitwirkung<br />
einer Trompete (zu Oboe,<br />
Streichern und Continuo); ihre signalartigen<br />
Weckrufe geben den<br />
Anstoß zu lebhaft-figurierter Bewegung<br />
in den übrigen Instrumenten<br />
und im Chor. Daneben erklingen, nur<br />
dem Chor eigen, in den Choreinbaupartien<br />
kurze Rufe „wachet!“ und<br />
lang gehaltene Akkorde „betet!“, die<br />
den Franckschen Text in plastisch--<br />
lebendiger, ja erregender Unmittelbarkeit<br />
erleben lassen.<br />
Günther Brick<br />
Seite 7