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MANAGEMENT<br />
Massnahmen hier, Strategien dort<br />
MILCHMARKT Sind ein gesichertes Einkommen für die Milchproduzenten oder<br />
gute Exportchancen von Milchprodukten wichtiger? Liegt die Zukunft des Schweizer<br />
Milchmarkts in mehr Regulierung oder längerfristiger Deregulierung? Dringender als die<br />
Beantwortung dieser Fragen wäre allerdings eine überzeugende, von allen Beteiligten<br />
getragene Antwort auf die Frage: Wohin will die Schweizer Milchbranche überhaupt?<br />
Loredana<br />
Sorg<br />
Lorenz<br />
Büchel<br />
Die Milchproduktion bildet den<br />
grössten Anteil des Produktionswertes<br />
in der Schweizer Landwirtschaft.<br />
In diesem von Grünflächen<br />
geprägten Land wird die Haltung von<br />
Milchkühen auch in Zukunft eine zentrale<br />
Rolle spielen. Dass aber gerade im<br />
Schweizer Milchmarkt zurzeit ein gravierendes<br />
Problem besteht, wagen<br />
Fachpersonen kaum zu bestreiten. Das<br />
Angebot an Industriemilch übersteigt<br />
die inländische Nachfrage. Folglich sinkt<br />
der Preis und die Milchproduzenten sehen<br />
sich gezwungen, ihre Produktion<br />
auszubauen oder einzustellen.<br />
Die letztere Variante kommt dort zum<br />
Tragen, wo sich die einen von den anderen,<br />
namentlich von expandierenden<br />
Produzenten und der Branchenorganisation<br />
Milch (BO-Milch), im Stich gelassen<br />
fühlen. Es stellt sich indes die Frage,<br />
ob die Schweizer Milchproduktion einen<br />
regulierten oder deregulierten<br />
Markt braucht. Noch dringender ist allerdings<br />
eine überzeugende, von allen<br />
Beteiligten getragene Zielsetzung. Wohin<br />
will die Schweizer Milchbranche<br />
überhaupt?<br />
Ziele Im Rahmen einer Fallstudie<br />
zum Schweizer Milchmarkt haben Master-Studierende<br />
in Agrarwirtschaft der<br />
ETH Zürich die beiden Strategien «deregulierter<br />
Markt» (Status Quo seit Mai<br />
2009) und «regulierter Markt» (Motion<br />
Mengenregulierung) analysiert.<br />
Anhand einer Nutzwertanalyse sollte<br />
gezeigt werden, mit welcher Strategie<br />
die zentralen Ziele der Schweizer Landwirtschaft<br />
am ehesten erreichbar sind.<br />
Die Nutzwertanalyse ist eine Methode,<br />
um Projekte oder Strategien mit mehreren<br />
Zielen zu bewerten. Aufgrund der<br />
Schweizer Verfassung und persönlicher<br />
Einschätzungen haben die vier Studierenden<br />
die folgenden drei Hauptziele<br />
definiert:<br />
• Die multifunktionelle Landwirtschaft<br />
soll national erhalten werden.<br />
• Die Milchwirtschaft soll weiterhin für<br />
die Landwirte attraktiv bleiben.<br />
• Im Falle einer Grenzöffnung soll die<br />
Schweizer Milch konkurrenzfähig<br />
sein.<br />
In der Nutzwertanalyse konnten Vertreter<br />
der Milchbranche die Haupt- und<br />
Teilziele mit Fokus auf Produktion und<br />
Wettbewerbsfähigkeit gewichten und<br />
angeben, zu welchem Grad diese Teilziele<br />
in einem regulierten beziehungsweise<br />
deregulierten Markt erreicht werden.<br />
Auch die an der Analyse beteiligten<br />
Studierenden brachten ihre Bewertung<br />
ein und erstellten eine Nutzwertanalyse,<br />
die ihre persönliche Sichtweise widerspiegelt.<br />
Exportchancen Während aus Sicht<br />
des Direktors der BO-Milch Daniel Gerber<br />
die Exportchancen durch längerfristige<br />
Deregulierung auf dem Milchmarkt<br />
stark verbessert würden – er stützt sich<br />
hier auf die Erfahrungen der Käsewirtschaft<br />
in einem bereits liberalisierten<br />
Umfeld – fragen sich die Studierenden,<br />
ob Landwirte in der Schweiz überhaupt<br />
zu Konkurrenzpreisen produzieren können.<br />
Auch bei der Export-Prognose für den<br />
regulierten Markt äussert sich Gerber<br />
optimistischer als dies die Studierenden<br />
wagen, welche die Exportchancen<br />
durch zu hohe Preise in einem regulierten<br />
Markt als kritisch einstufen. Einigkeit<br />
herrscht hingegen darüber, dass die<br />
Exportstrategie auf das Hochpreissegment,<br />
also auf Qualität und Mehrwert,<br />
ausgerichtet werden muss.<br />
Landschaft Gegensätzlich eingeschätzt<br />
werden die Auswirkungen auf<br />
das Schweizer Landschaftsbild. Der Direktor<br />
der BO-Milch erwartet aufgrund<br />
des Strukturwandels bei der Deregulierung<br />
insbesondere in den Randregionen<br />
eine Extensivierung der Nutzung, was<br />
sich aus der Optik verschiedener Interessengruppen<br />
positiv auf das Landschaftsbild<br />
auswirken könnte.<br />
Die Studierenden befürchten dagegen,<br />
dass durch die Aufgabe von Milchbetrieben<br />
in den Berggebieten, welche<br />
mit sinkenden deregulierten Milchpreisen<br />
einhergehen wird, wertvolle Kulturlandschaften<br />
bedroht sind.<br />
Beide Seiten schreiben den zu erwartenden<br />
Entwicklungen in einem regulierten<br />
Markt weniger starke Veränderungen<br />
zu als im deregulierten Markt.<br />
Dies bestätigt die Annahme, dass die<br />
Rückkehr zu einer regulierten Milchproduktion<br />
höhere Stabilität und eine grössere<br />
Sicherheit für die Produzenten bedeuten<br />
würde.<br />
Multifunktionalität Einig ist man<br />
sich, dass die Multifunktionalität der<br />
Landwirtschaft im regulierten Markt am<br />
ehesten garantiert bliebe, insbesondere<br />
dank der Erhaltung eines typischen<br />
Schweizer Landschaftsbildes. Auch bezüglich<br />
der Exportchancen kristallisiert<br />
sich ein klarer Favorit heraus. Dank der<br />
Möglichkeit für innovative Tätigkeiten<br />
und der Tendenz zu grösseren Betrieben<br />
scheint der deregulierte Markt die Exportchancen<br />
zu erhöhen.<br />
14 4 2011 · <strong>UFA</strong>-REVUE