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Juenger, Ernst - Der Kampf als inneres Erlebnis

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um so stärker entgegen, <strong>als</strong> ich noch vor vierundzwanzig<br />

Stunden ganz der Urmensch war, der in Höhlen haust und um<br />

das nackte Leben kämpft. Da fühle ich, daß Dasein Rausch ist<br />

und Leben, wildes, tolles, heißes Leben, ein brünstiges Gebet.<br />

Ich muß mich äußern, äußern um jeden Preis, damit ich<br />

erschauernd erkenne: Ich lebe, noch lebe ich. Ich tauche meine<br />

Blicke in die Augen vorüberschreitender Mädchen, flüchtig und<br />

eindringlich und freue mich, wenn sie lächeln müssen. Ich trete<br />

in einen Laden und kaufe mir Zigaretten, die besten, bien<br />

entendu. Ich bleibe vor jedem Schaufenster stehen, Wäsche,<br />

zierliche Schmucksachen und Bücher betrachtend. Ich esse in<br />

einer kleinen Taverne, und nichts darf fehlen, auch nicht der<br />

Mokka und die Likörkaraffe zum Schluß.<br />

Dann schreite ich wieder über Straßen und Plätze, die nun in<br />

Lichtern schwimmen. Allmählich komme ich in eine Vorstadt,<br />

deren Häuserblöcke kahl und düster in den Abend ragen. Nur in<br />

weiten Zwischenräumen glimmen Laternen. Ich bleibe am<br />

Geländer einer Brücke stehen und starre in den schwarzen<br />

Spiegel eines Kan<strong>als</strong>. Ich bin traurig geworden, alles ist einsam<br />

und unbekannt. <strong>Der</strong> Wind reißt ganze Hände voll Blätter aus den<br />

herbstlichen Bäumen, treibt sie raschelnd vorüber und wirft sie<br />

ins Wasser. Ein Schleppkahn gleitet unhörbar unter der Brücke<br />

hervor wie ein langer, schwarzer Sarg.<br />

Wie feindlich das alles ist. Die Dinge schwanken im Nebel,<br />

bald sind sie wie Rauch, wie ein spukhaftes, unwirkliches<br />

Flattern, bald treten sie höhnisch in kalter Starrheit hervor. So<br />

fröstelt man, wenn man in irgendein fremdes Hotelzimmer<br />

verschlagen ist in einer unbekannten Stadt oder beim Lesen<br />

eines melancholisch irrsinnsnahen russischen Dichters. An<br />

dieses Eisengeländer gelehnt, das sich über ein Wasser spannt,<br />

von dem ich nicht weiß, woher es kommt und wohin es fließt,<br />

wird meine Seele von jener Wehmut überfallen, die zuweilen<br />

wie ein bleierner Nebel in uns aufsteigt und uns die Dinge leer<br />

und farblos macht, indem sie ihnen das Wesen raubt. <strong>Der</strong> Raum<br />

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