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Juenger, Ernst - Der Kampf als inneres Erlebnis

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zergleitet in kalte Unendlichkeit, und ich empfinde mich <strong>als</strong><br />

winziges Atom, von tückischen Gewalten rastlos<br />

umhergewirbelt. Ich bin so müde, so überdrüssig, daß ich<br />

wünschte, tot zu sein. Ein Landsknecht, ein fahrender Ritter, der<br />

manche Lanze zersplittert hat, und dessen Trugbilder in<br />

höhnisches Gelächter zerflieBen. Ich fühle mit unzweifelhafter<br />

Klarheit, daB irgendein fremder Sinn, eine furchtbare<br />

Bedeutung hinter allem Geschehen lauert. Das habe ich schon<br />

manchmal gewußt auf dem Grunde toller Räusche oder in<br />

würgenden Träumen, ich habe es nur im wogenden Leben<br />

wieder vergessen. Über solche Dinge pflegt man zu lachen,<br />

wenn man frisch und gesund im Lichte schreitet; treten sie an<br />

uns heran, so zersplittert im Nu alle Erkenntnis wie Glas und<br />

wie der Traum einer Nacht. Jeder hat Ähnliches erlebt, aber er<br />

vergißt es, weil er es vergessen muß.<br />

Da klingt ein leichter Schritt, halb vom Winde verweht. Eine<br />

Gestalt schreitet vorüber utnd streift mich mit flüchtigem Blick.<br />

Ich muß sie anreden, wie ich einen Menschen anreden müßte,<br />

der mir auf einer einsamen Insel begegnen würde. Sie scheint<br />

kaum erstaunt darüber, und wer kann es schlieBlich auch sein,<br />

der hier in dieser Vorstadt und zu dieser Stunde vorübergeht?<br />

Wahrscheinlich ein Straßenmädchen, aber ein Landsknecht ist<br />

nicht wählerisch, und ich verspüre ein unwiderstehliches<br />

Bedürfnis nach Gesellschaft, selbst wenn es die allerschlechteste<br />

wäre.<br />

Nun erfahre ic) auch den Namen der Vorstadt. Mou1 Vaux<br />

heißt sie. Wohin der Kanal flieBt, weiß sie selbst nicht,<br />

vielleicht zur Deule. Das beruhigt mich etwas. Sie erzählt leicht<br />

und anspruchslos; ich höre gierig zu. Von früher, vor dem<br />

Kriege, <strong>als</strong> man glücklicher lebte <strong>als</strong> jetzt. Als man noch Wein<br />

hatte und weißes Brot, und <strong>als</strong> auf den Feldern vor den Toren<br />

bei Musik und Tanz fröhliche Feste gefeiert wurden. Ihr Mann<br />

ist Arbeiter, der seit langem auf der anderen Seite kämpft,<br />

jenseits der Front. Wo mag er sein? Vielleicht liegt er schon<br />

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