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Lieben die ArbeiterInnen die Arbeit? - Wildcat

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Im September 1945 erklärte <strong>die</strong> Metallarbeitergewerkschaft, »<strong>die</strong> werktätigen<br />

Massen sind bereit, weitere Opfer (Lohnminderung, Versetzungen,<br />

Entlassung von Leuten mit einem anderen Einkommen, Teilkündigungen)<br />

auf sich zu nehmen, damit Italien wiedergeboren werden kann (...) Wir<br />

müssen <strong>die</strong> Produktion erhöhen und <strong>die</strong> <strong>Arbeit</strong>er entwickeln: Nur auf<br />

<strong>die</strong>sem Wege gibt es Rettung.«<br />

Im Dezember verwandelten sich <strong>die</strong> »Nationalen Befreiungskomitees« in<br />

»Betriebsleitungskomitees«, genauer gesagt, sie übernahmen <strong>die</strong>se Gremien,<br />

<strong>die</strong> unter Mussolinis Korporatismus geschaffen worden waren. Die<br />

Hauptaufgabe jedes Betriebsleitungskomitees bestand darin, dazu beizutragen,<br />

dass <strong>die</strong> Leute wieder an <strong>die</strong> <strong>Arbeit</strong> gingen, und <strong>die</strong> Hierarchien zu<br />

stärken. Methodisch wandten sie eine Mischung aus Taylorismus und<br />

Stachanowismus an: Jugendbrigaden, Freiwilligengruppen, materielle Anreize,<br />

Zusatzleistungen für Reinigung und Instandhaltung der Maschinen.<br />

Der Grundgedanke bestand darin, »<strong>die</strong> Begeisterung der arbeitenden Klassen<br />

für <strong>die</strong> Produktionsanstrengungen« zu entfachen.<br />

Die Wirklichkeit stand in auffälligem Kontrast zur Propaganda. Der<br />

Kampf um bessere <strong>Arbeit</strong>sbedingungen blieb heftig und <strong>die</strong> Begeisterung<br />

für <strong>die</strong> Produktion recht schwach. Ein Betriebskomitee-Sprecher gestand<br />

ein, dass <strong>die</strong> Partei viel Überzeugungsarbeit leisten musste, weil <strong>die</strong> Leute<br />

nachmittags ein Schläfchen machten. Einem gewerkschaftlichen Vertrauensmann<br />

bei Mirafiori zufolge wurden aktive Gewerkschafter als Faschisten<br />

bezeichnet, wenn sie versuchten, <strong>die</strong> <strong>Arbeit</strong>er von ihrer Kameradschaftspflicht<br />

zur <strong>Arbeit</strong> zu überzeugen: »Sie verstanden unter Freiheit das<br />

Recht zum Nichtstun.« Die <strong>Arbeit</strong>er gewöhnten sich an, morgens um halb<br />

neun einzutrudeln und zu frühstücken. Traurig berichtete ein damals bei<br />

Mirafiori beschäftigter ehemaliger Partisan, wie <strong>die</strong> <strong>Arbeit</strong>er ihre Freiheit<br />

missbrauchten, wie sie in den Toiletten herumhingen. Sie seien ungeeignetes<br />

Material für den Aufbau des Sozialismus, bedauerte er: Sie streikten,<br />

um Boccia spielen zu können. »Wir waren ernster.«... Die Belegschaft leistete<br />

anhaltenden Widerstand gegen alles, was nach einer Zeitkontrolle aussah,<br />

und gegen <strong>die</strong> Wiedereinführung von materiellen Anreizen. Inschriften<br />

auf Fabrikwänden wie »Nieder mit der Zeiterfassung!« demonstrierten <strong>die</strong><br />

26 Beilage zu <strong>Wildcat</strong>-Zirkular 65

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