Lieben die ArbeiterInnen die Arbeit? - Wildcat
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arbeiter systematisch verschlechtere und dadurch eine Situation schaffe, <strong>die</strong><br />
schon bald unerträglich werde und zu einer revolutionären Krise führe. Die<br />
Grenzen der proletarischen Aufstände von Algerien bis Argentinien und der<br />
Aufstieg des radikalen Reformismus in Europa und den USA sprechen eher<br />
dafür, dass Reform – nicht Revolution – auf der Tagesordnung steht. 37<br />
In ihrem Eifer, den Untergang der <strong>Arbeit</strong>eridentität zu feiern, haben<br />
einige GenossInnen vergessen, dass eben <strong>die</strong>se Identität auch das Verständnis<br />
vom unversöhnlichen Gegensatz zwischen <strong>Arbeit</strong>erschaft und Kapital<br />
ausdrückte. Die ProletarierInnen hatten wenigstens begriffen, dass sie<br />
in einer Welt lebten, <strong>die</strong> nicht ihre war und niemals ihre sein konnte. Wir<br />
fordern nicht <strong>die</strong> Rückkehr in ein Goldenes Zeitalter. Wir sagen, dass das<br />
Verschwinden <strong>die</strong>ser Identifikation der Konterrevolution ebensoviel verdankt<br />
wie der radikalen Kritik. Revolution wird nur möglich sein, wenn <strong>die</strong><br />
ProletarierInnen handeln, als stünden sie <strong>die</strong>ser Welt als Fremde von außen<br />
gegenüber, und sich auf einen universellen Maßstab, nämlich den einer<br />
klassenlosen Gesellschaft, einer menschlichen Gemeinschaft beziehen.<br />
Dazu gehört <strong>die</strong> für eine wirkliche Kritik unentbehrliche gesellschaftliche<br />
Subjektivität. Wir sind uns der Fragen bewusst, <strong>die</strong> das Wort »Subjektivität«<br />
aufwirft, und wir wollen ganz gewiss keine neue Zauberformel erfinden.<br />
Halten wir vorläufig einfach fest, dass wir der Subjektivität nicht irgendeinen<br />
Vorrang vor den objektiven Bedingungen einräumen und <strong>die</strong>se<br />
damit für zweitrangig oder unerheblich hielten.<br />
Wir haben oft betont, dass es keinen Sinn hat, zu versuchen, vor dem<br />
Handeln Bewusstsein zu schaffen. Für jeden wirklichen Durchbruch ist<br />
aber ein Mindestmaß an Glauben daran nötig, dass <strong>die</strong> beteiligten Menschen<br />
in der Lage sind, <strong>die</strong> Welt zu verändern. Das ist ein großer Unterschied<br />
zu den 1960er und 70er Jahren. Vor dreißig Jahren waren viele ProletarierInnen<br />
nicht bloß unzufrieden mit der Gesellschaft: Sie betrachteten<br />
sich selbst als Akteure der geschichtlichen Veränderungen und handelten<br />
auch so oder versuchten es zumindest.<br />
37 Zu den Problemen für das Kapital, ein neues (postfordistisches) System wirklich einzuführen,<br />
und zu den Konsequenzen, <strong>die</strong> sich daraus für <strong>die</strong> ProletarierInnen ergeben, siehe<br />
unseren Text Whither the World?, 2002 (http://troploin0.free.fr/textes/index.htm)<br />
50 Beilage zu <strong>Wildcat</strong>-Zirkular 65