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vollständigsten“ ausdrücken 33 , <strong>und</strong> dass „in der Literatur [...] die verborgenen Gr<strong>und</strong>gedanken<br />
einer Generation“ zu entdecken sind 34 . Aber diese Gr<strong>und</strong>gedanken sind eben nicht<br />
bewusstseinsphilosophisch zu verstehen. Vielmehr zeigt sich im Verhältnis von Schaffenden<br />
<strong>und</strong> Publikum im Zusammenhang des intellektuellen Kräftefeldes 35 , dass dieses Verhältnis<br />
„zutiefst unbewußten Verhaltensmustern gehorcht“ 36 .<br />
Diese unbewussten Verhaltensmuster bilden eine implizite Axiomatik, welche „die<br />
Kulturwissenschaft aufzudecken hat“ 37 .<br />
Bourdieu selbst deutet einen solchen Ansatz hier bereits am Beispiel verschiedener<br />
historischer Raum- <strong>und</strong> Zeitmuster in Theater <strong>und</strong> bildender Kunst an, wenn sich etwa in der<br />
mittelalterlichen Malerei <strong>und</strong> Plastik in der Reihung sukzessiver Szenen als ‚Aggregatraum‘<br />
(Panofsky) ein spezifisches Raum- <strong>und</strong> Zeitverständnis artikuliert, das im „denkbar größten<br />
Unterschied zu den Konventionen der Renaissance [...] nämlich zur simultanen<br />
Darstellungsweise von Raum <strong>und</strong> Zeit, die sich in der Perspektive [...] äußert“ steht 38 , die er<br />
auch mit gesellschaftlichen Gr<strong>und</strong>mustern im Zusammenhang sieht 39 . Damit ist die<br />
Aufklärung über das Verhältnis zum Raum <strong>und</strong> vor allem zur Zeit, welche die gr<strong>und</strong>legenden<br />
‚unbewussten Muster‘ konstituieren, als Aufgabe der Kulturwissenschaft benannt <strong>und</strong><br />
gefordert.<br />
Der Begriff ‚Habitus‘ wird im ein Jahr später erscheinenden Aufsatz ‚Der Habitus als<br />
Vermittlung zwischen Struktur <strong>und</strong> Praxis‘ (1967), von Panofsky ausgehend, explizit<br />
entwickelt 40 .<br />
Im Zusammenhang der Frage nach dem Schöpferischen wird der Begriff des Habitus 41 zum<br />
Verknüpfungsmoment von Individualität <strong>und</strong> Kollektivität: „Wer Individualität <strong>und</strong><br />
Kollektivität zu Gegensätzen macht, bloß um den Rechtsanspruch des schöpferischen<br />
Individuums <strong>und</strong> das Mysterium des Einzelwerks wahren zu können, begibt sich der<br />
Möglichkeit, im Zentrum des Individuellen selber Kollektives zu entdecken; Kollektives in<br />
Form von Kultur – im subjektiven Sinne des Wortes ‚cultivation‘ oder ‚Bildung‘ – oder nach<br />
Erwin Panofskys Sprachgebrauch, im Sinn des ‚Habitus‘, der den Künstler mit der<br />
Kollektivität <strong>und</strong> seinem Zeitalter verbindet, ohne daß dieser es merkte, seinen anscheinend<br />
noch so einzigartigen Projektionen Richtung <strong>und</strong> Ziel weist“ 42 .<br />
Habitus ist weder ein gemeinsamer Code noch ein allgemeines Repertoire, „sondern eher ein<br />
Zusammenspiel bereits im Voraus assimilierter Gr<strong>und</strong>muster“. So verstanden lässt sich „der<br />
Habitus als ein System verinnerlichter Muster definieren, die es erlauben, alle typischen<br />
Gedanken, Wahrnehmungen <strong>und</strong> Handlungen einer Kultur zu erzeugen – <strong>und</strong> nur diese“ 43 . So<br />
ist Habitus mehr als ‚Gewohnheit‘ - den Aspekt, die Trägheit des Habitus, bezeichnet er als<br />
33 Bourdieu, 1970, 1<strong>18</strong><br />
34 ebd.<br />
35 Der ‚Intellektuelle‘ wird bei Bourdieu als Oberbegriff, der auch die Künstler einschließt, gefasst (Bourdieu<br />
1970, 86). Entsprechend muss auch das intellektuelle Kräftefeld verstanden werden.<br />
36 Bourdieu, 1970, 86<br />
37 Bourdieu, 1970, 116<br />
38 Bourdieu, 1970, 119/20<br />
39 „Diese beiden Arten ästhetischer Intention, die das Werk an der Art, sich dem Betrachter zuzuwenden, verrät,<br />
stehen in Wahlverwandtschaft mit der Struktur, sowohl der Gesellschaften, in denen sie sich bilden, wie auch der<br />
Struktur, der von diesen Gesellschaften begünstigten, aristokratischen <strong>und</strong> demokratischen sozialen<br />
Beziehungen“ (Bourdieu, 1970, 119).<br />
40 Vgl. auch Krais, B., Gebauer, G., 2002, 23/24<br />
41 Versuchte man, die Bedeutung des Begriffs Habitus an andere Begriffe anzuschließen, so könnte der Begriff<br />
‚Bildung‘ - jedoch in einem spezifischen Sinne - geeignet sein: „Liefe dieser überbestimmte Begriff nicht<br />
Gefahr, falsch verstanden zu werden <strong>und</strong> ließen die Bedingungen seiner Gültigkeit sich vollständig bestimmen,<br />
so wäre ‚Bildung‘ (culture) ein Begriff, der sich sowohl auf das Prinzip der objektiven Regelmäßigkeiten wie auf<br />
das Vermögen der Handelnden als System verinnerlichter Modelle anwenden läßt, dem Begriff ‚Habitus‘<br />
vorzuziehen“ (Bourdieu, 1970, 41).<br />
42 Bourdieu, 1970, 132<br />
43 Bourdieu, 1970, 143