Urzeit entdecken: Urzeit entdecken: - Gießener Allgemeine
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STADTGESPRÄCH<br />
Das Scarabée wird 50<br />
In den Köpfen einiger <strong>Gießener</strong> ist es ein dunkler, verruchter Schuppen mit Grufti-Image, in<br />
den sie keinen Fuß setzen möchten. Für die anderen ist es die beste Alternative der Stadt<br />
zum Mainstream und so ein hoch geschätzter Zufluchtsort vor dem Massenbrei. Das »Scarabée«<br />
polarisiert, auch in diesen Tagen noch, an denen es seinen 50. Geburtstag feiert.<br />
Dass das Scarabée polarisiert und jeder seine<br />
eigene Meinung dazu hat, ist das Erfolgsgeheimnis<br />
der Diskothek im Riegelpfad,<br />
denn wie sonst hätte sie sage und schreibe<br />
diese 50 Jahre überdauert, wenn der Kellerklub<br />
am 2. Juni offiziell das halbe Jahrhundert<br />
voll macht. »Der Unterschied zu den<br />
anderen Lokalitäten ist, dass das Scarabée<br />
nie Mainstream war. Es ist keine Diskothek,<br />
es ist keine Kneipe – es ist das Scarabée«,<br />
beschreibt Geschäftsführerin Inge Menges,<br />
dass der Treffpunkt für die alternative Musikszene<br />
ein echtes Original ist und zu Gießen<br />
gehört wie das Elefantenklo oder die drei<br />
Schwätzer. »Seit es das Scarabée gibt, war es<br />
nie richtig geschlossen, lediglich mal für ein<br />
paar Tage«, blickt Menges stolz auf den Lebenslauf<br />
zurück. Seit 1994 leitet sie mit<br />
Christel Brömer-Weber die Geschicke des<br />
Ladens, nachdem sie zuvor schon seit 1980<br />
unter anderem als Kellnerin dort gearbeitet<br />
hatte und entsprechend einen Großteil der<br />
»Scara«-Geschichte persönlich miterlebte.<br />
Sie lernte dort sogar ihren Mann kennen.<br />
Brömer-Weber, die früher ebenfalls ins »Scara«<br />
ausgegangen ist, bringt im Gespräch<br />
einen der Vorzüge auf den Punkt, durch den<br />
sich das Scarabée von Agostea, Alpenmax<br />
und Co. unterscheidet: »Man ist hier nicht<br />
gleich so im Scheinwerferlicht – man kann<br />
Kontakt haben, man muss aber nicht. Man<br />
kann sich auch unbemerkt in die Ecke setzen<br />
und für sich sein«, beschreibt sie das bewusst<br />
gewählte Ambiente.<br />
In der Tat ist der allererste Eindruck, den der<br />
Besucher beim Betreten des Scarabées erhält,<br />
»dunkel«. Die Wände sind größtenteils<br />
schwarz gestrichen, das gilt auch für die Decke<br />
über der Tanzfläche. Die Einrichtung ist<br />
schlicht, allem Anschein nach noch aus den<br />
Gründungstagen. Auch von außen ist der<br />
Laden nicht gerade aufdringlich zurechtgemacht<br />
– auch das völlig bewusst. Zudem<br />
verleihen die Malereien mit den namensgebenden<br />
Scarabäus-Käfern (der erste Pächter<br />
und »Scara«-Gründer kam aus Ägypten) dem<br />
Studentenkeller die gewisse Ausstrahlung.<br />
»Dass es ein Grufti-Laden ist, stimmt aber<br />
nicht«, widerspricht Menges dem Klischee,<br />
das viele vom Scarabée haben. So haben<br />
zwar mittwochs die Dark<br />
People ihren Platz im Programm, aber die<br />
übrigen Tage gehören den anderen alternativen<br />
Musikrichtungen, die ganz und gar nicht<br />
für das Depressive stehen. Wichtige Säulen<br />
sind der Donnerstag, an dem Indie/-electro<br />
gespielt wird, sowie der Samstag, der im<br />
Zeichen von Classic Rock und Metal steht.<br />
Die Freitage bieten Platz für besondere Programmpunkte,<br />
wie beispielsweise die Ärzte<br />
vs. Hosen-Party am 4. Mai oder für 90er<br />
Trash, die übrigen Freitage stehen im Zeichen<br />
von Steamin’ Rock und Funk’n’Soul.<br />
Und damit bleibt das Scarabée seiner Linie<br />
weitgehend treu: Bereits seit seiner Gründung<br />
1962 grenzte es sich bewusst vom<br />
Mainstream ab. »Der Hauptunterschied zu<br />
früher ist, dass damals viele amerikanische<br />
Soldaten kamen, weil nur hier ihre Musik<br />
lief«, erinnert Brömer-Weber an die alte Zeit,<br />
als Gießen noch eine Hochburg der US-Soldaten<br />
war. Anfangs standen zudem viele<br />
Live-Acts auf dem Plan, außerdem gab es<br />
Lesungen, Karaoke oder schwullesbische<br />
Partys. Eben immer ein bisschen anders –<br />
und auch heute noch studentenfreundlich:<br />
Wenn sich ein Mentor mit seiner Ersti-Gruppe<br />
ankündigt, erhält jeder aus der Gruppe<br />
ein Freibier zur Begrüßung. Zum 50-jährigen<br />
Bestehen veranstaltet die Kellerdisco übrigens<br />
keine Geburtstagsfeier, sondern be-<br />
18 streifzug 5/2012