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Jenseits von Spiritismus und Spiritualismus? - Karl-May-Gesellschaft

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umfassenden Gesamtbeschreibung der sächsischen <strong>Spiritismus</strong>-Szene des<br />

Jahres 1883 zusammen, sie geben auch Auskunft über Aktivitäten in<br />

Hohenstein <strong>und</strong> in der Residenzstadt Dresden, in deren Vorort Blasewitz<br />

<strong>Karl</strong> <strong>May</strong> mit seiner Frau im April 1883 umzog.<br />

Diese Ergebnisse polizeilicher Untersuchungen der ›spiritistischen Umtriebe‹<br />

– in Parallele zu den ›sozialdemokratischen Umtrieben‹ – belegen<br />

nach Einschätzung <strong>von</strong> Ulrich Linse »das Vorhandensein eines neuen<br />

Volks-<strong>Spiritismus</strong> in den Städten <strong>und</strong> Industriegebieten Sachsens«. Er<br />

fasst auch die Berichte zusammen:<br />

Als Schwerpunkte wurden der »Mülsener Gr<strong>und</strong>«‹ mit Mülsen St. Jakob <strong>und</strong><br />

Mülsen St. Niklas <strong>und</strong> der Chemnitzer Industriekreis genannt. Seine Träger waren<br />

Handwerker, (Berg-) Arbeiter, kleine Angestellte oder – wie die Quellen<br />

sagen – die »unteren Klassen«, die »niederen Stände«. Seine Kult-Praktiken<br />

unterschieden sich deutlich <strong>von</strong> den »wissenschaftlichen Experimenten« der<br />

(Halb-) Gebildeten-Spiritisten <strong>und</strong> hatten eine noch stärker religiöse Ausrichtung.<br />

Die typische Organisationsform war auch nicht der größere Verein, sondern der<br />

in Privatwohnungen tagende intime »Zirkel«. Diese Versammlungen, so die<br />

Polizei, »haben mehr den [An]schein familiärer fre<strong>und</strong>schaftlicher Zusammenkünfte«.<br />

Ihnen gehörten Arbeitskameraden, Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Familienmitglieder an.<br />

Im Zentrum der Séancen standen die »Trance-Medien« – zumeist die eigenen<br />

Ehefrauen oder Töchter, welche den Kontakt zu den Geistern der Verstorbenen<br />

herstellten. Die Auftritte der »Medien« waren nicht ohne einen gewissen Unterhaltungswert,<br />

teilweise mit erotischer Färbung. Das Erlöschen der Lichter steigerte<br />

noch das Geheimnisvolle. Schriftzeugnisse waren dabei <strong>von</strong> sehr geringer<br />

Bedeutung – wenn auch wohl spiritistische Zeitungen abonniert wurden –, Geistererscheinungen<br />

hingegen bedeuteten alles. Lediglich Musik <strong>und</strong> Gesangbücher<br />

– es gab auch spiritistische – waren als Stimmungsmacher <strong>von</strong> Bedeutung.<br />

Mehrmals wird übrigens darauf hingewiesen, dass sich dieser Volks-<strong>Spiritismus</strong><br />

nicht antikirchlich oder antichristlich verstand, sondern eher ein »schwärmerisches«<br />

Christentum verkörperte. Die Hauptsorge galt – im Unterschied zu den<br />

Gebildeten-Spiritisten – wohl weniger der Vergewisserung über ein Fortleben<br />

nach dem Tode, sondern der Beschwichtigung <strong>von</strong> Ängsten vor Höllen- <strong>und</strong><br />

Fegefeuer-Qualen. 31<br />

II. Erste Séance<br />

Über einen der in Privatwohnungen tagenden ›Zirkel‹ kam <strong>Karl</strong> <strong>May</strong><br />

erstmals im Herbst 1880 in Hohenstein in Kontakt mit dem <strong>Spiritismus</strong>.<br />

In einem Schriftsatz vom 5. Juni 1909 an das Amtsgericht Wei-<br />

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