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Armut und Ausgrenzung verhindern - Das LINKE CMS

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Kinderarmut in einem reichen Land 24<br />

Jugendliche noch härter trifft als Erwachsene.<br />

Von den 11,44 Millionen Kindern unter<br />

15 Jahren lebten im März vor zwei Jahren<br />

nach Angaben der B<strong>und</strong>esagentur<br />

für Arbeit fast 1,93 Millionen Kinder<br />

in Bedarfsgemeinschaften nach dem<br />

Sozialgesetzbuch (SGB) II – landläufig<br />

»Hartz-IV-Haushalte« genannt. Damals<br />

hatte der vergangene Konjunkturaufschwung<br />

seinen Höhepunkt erreicht. Zu<br />

den »Hartz-IV-Kindern« gesellen sich die<br />

übrigen Betroffenen: Kinder in Sozialhilfehaushalten,<br />

in Flüchtlingsfamilien, die<br />

r<strong>und</strong> ein Drittel weniger als die Sozialhilfe<br />

erhalten <strong>und</strong> die sogenannten Illegalen.<br />

Hinzu kommt eine Dunkelziffer<br />

eigentlich Anspruchsberechtigter, die<br />

aus Unwissenheit, Scham oder anderen<br />

Gründen keinen Antrag auf Sozialhilfe<br />

oder Arbeitslosengeld II stellen. Rechnet<br />

man alle Betroffenen zusammen,<br />

lebten knapp drei Millionen Kinder <strong>und</strong><br />

damit jedes vierte Kind unter 15 Jahren<br />

auf oder unter dem Sozialhilfeniveau.<br />

<strong>Das</strong> Problem wird durch regional ungleiche<br />

Entwicklungen erheblich verschärft.<br />

Es besteht ein Ost-West- <strong>und</strong> ein Nord-<br />

Süd-Gefälle. Beispielswiese kamen in<br />

Görlitz 44,1 Prozent aller Kinder unter<br />

15 Jahren aus Hartz-IV-Haushalten, im<br />

bayerischen Starnberg waren es dagegen<br />

nur 3,9 Prozent. Selbst in einer westdeutschen<br />

Großstadt wie Bremen gibt<br />

es Ortsteile, in denen mehr als 60 Prozent<br />

aller Kinder zu den Sozialgeldbezieher(inne)n<br />

gehören, die damit nur<br />

geringe Bildungschancen <strong>und</strong> berufliche<br />

Perspektiven haben.<br />

Kinderarmut ist mehr, als nur wenig<br />

Geld zu haben. Sie bedeutet für die<br />

Betroffenen auch, persönlicher Entfaltungs-<br />

<strong>und</strong> Entwicklungsmöglichkeiten<br />

beraubt, sozial benachteiligt <strong>und</strong> unterversorgt<br />

zu sein – letzteres beispielsweise<br />

im Hinblick auf Bildung, Ges<strong>und</strong>heit<br />

<strong>und</strong> die Wohnsituation. Wenn man<br />

sinnvollere, qualitative <strong>und</strong> nichtmonetäre<br />

Kriterien für das Armsein anlegt,<br />

steigt die Zahl armer Kinder sogar auf<br />

mehr als drei Millionen. Über die Hälfte<br />

davon leben auf Sozialhilfeniveau. Die<br />

Eltern der anderen Kinder haben entweder<br />

keinen Antrag gestellt oder etwas<br />

mehr Geld zur Verfügung, ohne deshalb<br />

ihrem Nachwuchs eine sorgenfreie Kindheit<br />

ermöglichen zu können. Darin drücken<br />

sich die Sorgen <strong>und</strong> Existenznöte<br />

vieler Familien aus, während andere<br />

zumindest keine materiellen Probleme<br />

haben.<br />

Wie sich Kinderarmut<br />

äußert<br />

Kinderarmut äußert sich in einem wohlhabenden,<br />

wenn nicht reichen Land wie<br />

der B<strong>und</strong>esrepublik weniger spektakulär<br />

als in Mozambik oder Bangladesch,<br />

wo Menschen auf der Straße verhungern.<br />

<strong>Armut</strong> wirkt hier eher subtil, aber<br />

nicht minder dramatisch <strong>und</strong> lange (vgl.<br />

auch Kapitel 6 über »»Keinen Ausweg<br />

mehr sehen««). Hierzulande ist es für<br />

Kinder manchmal noch schwerer, arm<br />

zu sein, als in einer Gesellschaft, die<br />

sämtlichen Mitgliedern nur das Allernötigste<br />

bietet. Konsumchancen wie<br />

das Tragen von »Markenklamotten«, der<br />

Besitz eines tollen Handys <strong>und</strong> moderner<br />

Unterhaltungselektronik <strong>und</strong> teure<br />

Freizeitaktivitäten entscheiden mit darüber,<br />

welche Möglichkeiten ein Kind im<br />

Fre<strong>und</strong>eskreis oder in der Clique hat.<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche werden jenseits<br />

von Nike <strong>und</strong> Nokia in der Gruppe nicht<br />

ernst genommen. <strong>Das</strong> kann zu psychosozialen<br />

Belastungen führen <strong>und</strong> den<br />

Ausschluss junger Menschen aus vielen<br />

Lebenszusammenhängen nach sich<br />

ziehen.<br />

Besonders für Kinder <strong>und</strong> Jugendliche,<br />

deren Lebenswelt viel stärker als<br />

die der Erwachsenen durch eine zunehmende<br />

Kommerzialisierung geprägt ist,<br />

hat arm zu sein weit reichende Auswirkungen.<br />

Mit Einkommen, Beruf, Wohnen,<br />

Ges<strong>und</strong>heit, Bildung <strong>und</strong> Freizeit<br />

sind die unterschiedlichsten Lebensbereiche<br />

betroffen <strong>und</strong> weisen Defizite<br />

auf. Bei einem Kind ist ein Defizit beispielsweise<br />

im Wohnbereich gegeben,<br />

wenn es kein eigenes Zimmer hat. Da<br />

auch die familiären Wohnverhältnisse<br />

beengt sind, wird der Kindergeburtstag<br />

nicht im Kreis der Schulkamerad(inn)en<br />

<strong>und</strong> Fre<strong>und</strong>e zu Hause gefeiert. Zusammen<br />

mit anderen Restriktionen kann<br />

das eine Isolation der Betroffenen nach<br />

sich ziehen. In vielen Familien reicht das<br />

Haushaltsgeld heute höchstens bis zur<br />

Monatsmitte; von da an ist Schmalhans<br />

Küchenmeister. Da den Eltern das Geld<br />

für die Klassenfahrt ihres Sprösslings<br />

fehlt, täuscht man oft ein Unwohlsein<br />

des Kindes vor. Betroffen sind vor allem<br />

Alleinerziehende, meist Frauen, <strong>und</strong> kinderreiche<br />

Familien. Deren Haushaltseinkommen<br />

ist zu gering, um den Unterhalt<br />

von Kindern zu bestreiten, was<br />

zu sozialer Unterversorgung <strong>und</strong> <strong>Ausgrenzung</strong>,<br />

sogenannter Exklusion, führt<br />

(vgl. Kapitel 6 über »<strong>Armut</strong> als Folge<br />

sozialer <strong>Ausgrenzung</strong>«). Für die betroffenen<br />

Familien erwachsen daraus ökonomische,<br />

soziale <strong>und</strong> psychische Belastungen,<br />

sie geraten häufig sogar in eine<br />

schwere Zerreißprobe – denn Familien<br />

sind ein »emotionaler Puffer« (Sabine<br />

Walper) zwischen dem kapitalistischen<br />

Wirtschaftssystem, das die soziale <strong>Ausgrenzung</strong><br />

hervorruft <strong>und</strong> den Kindern.<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendliche sind aufgr<strong>und</strong><br />

solcher Benachteiligungen in ihrer geistigen<br />

Entwicklung, schulischen Leistungsfähigkeit,<br />

psychischen Stabilität <strong>und</strong> physischen<br />

Konstitution gefährdet.<br />

Alleinerziehende <strong>und</strong> kinderreiche<br />

Familien tragen nicht nur ein größeres

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