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Armut und Ausgrenzung verhindern - Das LINKE CMS

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<strong>Armut</strong> <strong>und</strong> soziale <strong>Ausgrenzung</strong> 36<br />

ergibt, zerstört schließlich das psychische<br />

F<strong>und</strong>ament der eigenen Selbstbejahung<br />

<strong>und</strong> Selbstakzeptanz (Margalit<br />

1997, S. 43).<br />

Praktische <strong>und</strong> politische<br />

Konsequenzen<br />

Am Ende meines Beitrags möchte<br />

ich abschließend einen Ausblick auf<br />

die praktischen <strong>und</strong> politischen Konsequenzen<br />

geben, die aus den dargelegten<br />

Bef<strong>und</strong>en zu ziehen sind. Dabei<br />

sollte deutlich geworden sein, dass sich<br />

<strong>Armut</strong> nicht auf Einkommensarmut reduzieren<br />

lässt. Zur Abschaffung von <strong>Armut</strong><br />

reicht es nicht aus, nur das Arbeitslosengeld<br />

II zu erhöhen. Denn die soziale<br />

<strong>Ausgrenzung</strong> enthält dem betroffenen<br />

Menschen allgemeine Lebenschancen<br />

vor <strong>und</strong> macht ihn dadurch als Person<br />

überflüssig. Aus dieser sozialen<br />

Entwertung ergibt sich schließlich die<br />

viel zu beobachtende Resignation <strong>und</strong><br />

Selbstaufgabe. Die Betroffenen kümmern<br />

sich nicht mehr um zentrale Alltagsbereiche,<br />

um Arbeit, Einkommen,<br />

Wohnung <strong>und</strong> soziale Kontakte. Die<br />

Frage lautet also, was ist zu unternehmen,<br />

um diese Dynamik von sozialer<br />

Exklusion <strong>und</strong> individueller Desintegration<br />

zu durchbrechen? Nur dann werden<br />

<strong>Armut</strong>, Elend, Tristesse, Not <strong>und</strong> Leid<br />

nicht mehr das Schicksal so vieler Menschen<br />

sein.<br />

Bürgergeld einführen<br />

Am Anfang steht die Einführung eines<br />

Bürgergeldes, das für einen auskömmlichen,<br />

abgesicherten <strong>und</strong> schamfreien<br />

Lebensunterhalt sorgt. <strong>Das</strong> Bürgergeld<br />

muss oberhalb des soziokulturellen Existenzminimums<br />

liegen, um <strong>Armut</strong> <strong>und</strong><br />

Ausschluss wirkungsvoll <strong>und</strong> dauerhaft<br />

zu bekämpfen (Gorz 2000, S. 110 ff.).<br />

<strong>Das</strong> ist besonders wichtig, weil die F<strong>und</strong>amente<br />

der Arbeitsgesellschaft erodieren.<br />

Aufgr<strong>und</strong> struktureller Voraussetzungen<br />

ist mit Vollbeschäftigung<br />

nicht mehr zu rechnen. <strong>Das</strong> Bürgergeld<br />

muss deshalb soziale Sicherung auf<br />

dem Niveau eines sozial akzeptablen<br />

Lebensstandards garantieren – unabhängig<br />

von der Präsenz auf dem Arbeitsmarkt<br />

(Sonnenfeld 2001, S. 82). Aufgr<strong>und</strong><br />

von Massenarbeitslosigkeit geht es hier<br />

um die Verwirklichung eines sozialen<br />

Gr<strong>und</strong>rechts. Sicherlich muss darüber<br />

gesprochen, diskutiert <strong>und</strong> gestritten<br />

werden, was sich genau als soziokulturell<br />

akzeptabler Lebensstandard definieren<br />

lässt. Dieser liegt aufgr<strong>und</strong> vorliegender<br />

Erfahrungswerte auf jeden<br />

Fall oberhalb der jetzigen Bezugshöhen<br />

des Arbeitslosengelds II. Ohne konkrete<br />

Modelle hier diskutieren zu können, darf<br />

Bürgergeld aber nicht wie bisher als ein<br />

Almosen gegeben werden (hierzu etwa<br />

Engler 2005). Es muss einen allgemeinen<br />

Rechtsanspruch geben, der dem<br />

Einzelnen nicht entzogen werden kann,<br />

damit der Bezug von Sozialleistungen<br />

nicht zur entwürdigenden Bittstellerei<br />

wird.<br />

Neue Integrations- <strong>und</strong> Anerkennungsformen<br />

Die Einführung eines Bürgergelds darf<br />

nicht auf eine moralische Entlastung<br />

der Gesellschaft von der Verantwortung<br />

für sozialen Ausschluss reduziert<br />

bleiben. Ein besonderer Stellenwert<br />

kommt der Schaffung neuer Integrations-<br />

<strong>und</strong> Anerkennungsformen zu. Nur<br />

dann können die Ausgeschlossenen <strong>und</strong><br />

sozial Benachteiligten tatsächlich den<br />

Status eines vollwertigen Mitglieds der<br />

modernen Gesellschaft erlangen. Um<br />

<strong>Armut</strong> aufzuheben, müssen die Integrationspfade<br />

in die Gesellschaft, in<br />

die verschiedensten Institutionen <strong>und</strong><br />

Lebensbereiche für alle Menschen verlässlich<br />

offen stehen. Die Teilhabechancen<br />

am gesellschaftlichen Leben dürfen<br />

nicht soziale Ungleichheiten nach<br />

dem Prinzip weiter festigen: Derjenige,<br />

der nichts hat, bleibt auch von allen<br />

anderen Dingen ausgeschlossen. Wertschätzung<br />

<strong>und</strong> Achtung in der Gesellschaft<br />

dürfen kein knappes Gut mehr<br />

sein, sondern müssen zu einer Selbstverständlichkeit<br />

im sozialen Umgang<br />

miteinander werden. Dabei geht es<br />

nicht allein um eine Veränderung von<br />

Moral, Werten <strong>und</strong> Verhalten. Jeder<br />

Mensch muss eine sinnvolle Aufgabe<br />

in seinem Leben übernehmen können,<br />

über die er Würde <strong>und</strong> Selbstachtung<br />

erlangen kann. Arbeit ist nicht nur bloßes<br />

Mittel der Existenzsicherung. Vielmehr<br />

begründen sich aus einer umfassenden<br />

Teilhabe <strong>und</strong> Teilnahme am<br />

sozialen Leben elementare Selbstbestimmungs-<br />

<strong>und</strong> Mitbestimmungsrechte.<br />

Anstatt die Menschen durch Ein-Euro-<br />

Jobs zu ihrem »Glück« zu zwingen,<br />

könnte man mit ihnen gemeinsam überlegen,<br />

welche Arbeiten sie sich zutrauen,<br />

wo sie gebraucht werden, ob sie vielleicht<br />

selbst Projekte entwerfen wollen<br />

(Willisch 2008, S. 329 ff.). Ein zweiter<br />

Arbeitsmarkt abseits vom Verwertungsdruck<br />

könnte niedrigschwellige Arbeitsmöglichkeiten<br />

für diejenigen schaffen,<br />

die aufgr<strong>und</strong> ges<strong>und</strong>heitlicher, physischer<br />

<strong>und</strong> psychischer Einschränkungen<br />

nicht mehr in der Konkurrenzgesellschaft<br />

mithalten können. Die Arbeit<br />

müsste wieder lernen, sich den Menschen<br />

zuzuwenden, anstatt über Rationalisierungsprogramme<br />

nur noch darauf<br />

zu zielen, den Einzelnen überflüssig<br />

zu machen. Arbeit ist andererseits<br />

nicht alles. Die Integrationspfade müssen<br />

sich auch in andere Gesellschaftsbereiche<br />

öffnen, indem auf ganz unterschiedlichen<br />

Ebenen Beteiligungsformen<br />

geschaffen werden, die nicht überfordern<br />

<strong>und</strong> wieder ausgrenzend wirken.<br />

Psychosoziale Unterstützungsangebote<br />

für die Müden, Hilflosen <strong>und</strong> Resignierten<br />

müssen ausgebaut werden. Es<br />

reicht nicht, nur für soziale Absicherung<br />

<strong>und</strong> ein Angebot auf Integration<br />

<strong>und</strong> Anerkennung zu sorgen, wenn die<br />

Menschen den Glauben an ihre Fähigkeiten<br />

<strong>und</strong> Möglichkeiten längst verloren<br />

haben. Professionelle Unterstützung<br />

als auch freiwillige Gemeinwesenarbeit<br />

sollen Menschen ein niedrigschwelliges<br />

Integrationsangebot mit menschlichem<br />

Antlitz unterbreiten. Im Mittelpunkt<br />

muss dabei der Aufbau von positiven<br />

Erfahrungs- <strong>und</strong> Handlungsbereichen<br />

stehen. Diese können das biographisch<br />

angelegte Misstrauen derjenigen,<br />

die gegenüber Gesellschaft,<br />

Arbeitsmarkt <strong>und</strong> bürokratischen Institutionen<br />

ihren Ausschluss erfahren haben,<br />

überwinden. Dafür müssen psychosoziale<br />

Angebote stärker vernetzt <strong>und</strong><br />

auf Kooperation ausgerichtet sein, um<br />

adäquat helfen <strong>und</strong> unterstützen zu<br />

können, ohne selbst wieder ausgrenzend<br />

zu wirken. Gerade Menschen aus<br />

<strong>Armut</strong>slagen reagieren häufig gegenüber<br />

den Institutionen der Gesellschaft,<br />

die sie als ausgrenzend erlebt haben,<br />

mit einer gehörigen Portion Misstrauen.<br />

Dabei darf sich die psychosoziale Pro-

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