Das Super- Wochenende - Xanten Live
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hat Anfang April eröffnet<br />
„Jede Zeit braucht ihren Siegfried“<br />
„Mit der Eröffnung des „Nibelungen(h)orts ist eine wichtige Säule der Stadtgeschichte <strong>Xanten</strong>s<br />
greifbar geworden!“ berichtet Museumsleiter Dr. Ralph Trost stolz. Hier in <strong>Xanten</strong> soll der Legende nach<br />
Siegfried geboren und aufgewachsen sein und hier beginnt der Mythos, eines der bedeutendsten Werke<br />
der europäischen Heldendichtung, einer tragischen Geschichte von Liebe und Leid, Treue und Verrat.<br />
„Jede Zeit braucht ihren Siegfried“ mit diesem Zitat betritt der Besucher das neue Museum<br />
„Nibelungen(h)ort <strong>Xanten</strong>“ und wird überrascht sein. Aus dem ehemals tristen „70er Jahre Betoncharme“<br />
des Regionalmuseums, ist eine moderne, spannende und lebendige Ausstellung geworden.<br />
Eine gelungene Mischung aus altertümlichen Elementen und modernem Design, verbindet die jahr-<br />
hunderte alte Erzählung und die Bedeutung in der Gegenwart. Er begibt sich auf der fast 1000 qm<br />
großen Ausstellungsfläche auf eine spannende Zeitreise und taucht ein in eine faszinierende Mischung<br />
aus realer Geschichte und eindrucksvollem Mythos.<br />
Der Rundgang beginnt<br />
mit einer originalgetreuen<br />
Kopie der<br />
kostbaren Handschrift C des<br />
Nibelungenliedes, das im vergangenen<br />
Jahr in das Weltdokumentenerbe<br />
aufgenommen<br />
wurde. „<strong>Das</strong> ist für uns natürlich<br />
wie ein Sechser im Lotto“<br />
freut sich Museumsleiter Dr.<br />
Ralph Trost.<br />
Von dort betritt man die<br />
„Schatzkammer“ der Popkultur.<br />
Viele bunt zusammen<br />
gewürfelte Exponate<br />
von Hörspielen, Porzellan,<br />
Büchern u v m. sind in eindrucksvollem<br />
Design und<br />
außergewöhnlicher Beleuchtung<br />
ausgestellt. Die Gestaltung<br />
dieses Raumes hat<br />
der Fachbereich Design der<br />
Hochschule Niederrhein in<br />
Krefeld erarbeitet. <strong>Das</strong> Ergebnis<br />
lädt den Besucher ein<br />
auf Entdeckungsreise zu gehen<br />
und bringt Lebendigkeit<br />
in die Ausstellung.<br />
Einen sehr schönen Kontext<br />
von der Moderne zu den Anfängen<br />
der Sagengeschichte<br />
bietet anschließend eine mittelalterliche<br />
Mauer, in deren<br />
Vordergrund verschiedene<br />
Monitore die Verfilmungen<br />
des Heldenepos zeigen.<br />
Vom Stummfilm bis in die<br />
Gegenwart bietet die Nibelungensage<br />
Stoff für die große<br />
Leinwand, in vielen weltweiten<br />
Kinoerfolgen finden<br />
sich Elemente wieder, auch<br />
in „Star Wars“, „The Lord<br />
of the Rings“ und „Harry<br />
Potter“. Im angrenzenden<br />
Filmraum findet sich für den<br />
Film- und Comic-Liebhaber<br />
eine Menge Werbe- und Produktionsmaterialien<br />
und viele<br />
Filmsequenzen aus bekannten<br />
und unbekannten Hollywoodstreifen<br />
sind zu sehen.<br />
Von dort aus steigt man hinab<br />
zu den Anfängen der Sagengeschichte,<br />
man betritt<br />
einen tunnelartigen aus dem<br />
14. Jahrhundert stammenden<br />
„Wehrgang“ im Keller des<br />
Museums. Es wird merklich<br />
kühler und die restaurierten<br />
Mauern bieten die richtige<br />
Atmosphäre, um einen Mythos<br />
aufleben zu lassen. In<br />
diesem Gang werden in neun<br />
Stationen das Nibelungenlied<br />
in Bild und Text nacherzählt.<br />
So wie es über mehrere Jahrhunderte<br />
getan wurde, bis es<br />
im 12. Jahrhundert niedergeschrieben<br />
wurde.<br />
Der Gang endet an einem<br />
virtuellen Schreibpult, auf<br />
dem in digitaler Form die<br />
drei wichtigsten Nibelungenhandschriften<br />
liegen und<br />
die man via Touch-Screen<br />
durchblättern kann. In diesem<br />
Raum wird auch Siegfried mit<br />
seinem Schwert dargestellt.<br />
Zum einen als fränkischer<br />
Königssohn Siegfried und<br />
zum anderen als Ritter des 12.<br />
Jahrhunderts gekleideter Drachentöter.<br />
Die zeitliche Distanz<br />
zwischen der frühmittelalterlichen<br />
Überlieferung und<br />
der erst viel später verfassten<br />
höfischen Dichtung, wird<br />
auch durch den Vergleich der<br />
beiden Schwertrepliken deutlich.<br />
Setzt man seine Reise fort,<br />
gelangt man über die „Treppe<br />
des Vergessens“ in den Meerturm,<br />
einem umfangreich restaurierten<br />
Wehrturm aus dem<br />
15. Jahrhundert. In diesem<br />
Turm wird die Wiederentdeckung<br />
der Nibelungenhandschrift<br />
im Jahr 1755 dargestellt<br />
und welchen wichtigen<br />
Bestandteil sie für die rheinische<br />
Geschichte einnimmt.<br />
Hier wird die Heldenfigur des<br />
Siegfrieds zum Symbol nationaler<br />
Erhebung und Einheit.<br />
Die nachfolgenden Räume laden<br />
durch ihre außergewöhnliche<br />
Gestaltung zum Entdecken<br />
ein. Sie vermitteln einen<br />
Eindruck welche Vielfalt das<br />
Nibelungenthema in der Literatur,<br />
auf der Bühne und in<br />
allen anderen Bereichen der<br />
Kultur und bildenden Kunst<br />
eingenommen hat.<br />
Der Themenschwerpunkt<br />
im letzten Ausstellungsbereich<br />
bildet die politische<br />
und gesellschaftliche Bedeutung<br />
des Nibelungenmythos<br />
bis zum Ende des<br />
2. Weltkrieges. Zu Propagandazwecken<br />
griff man<br />
auf Motive der Nibelungensage<br />
zurück. Bismarck<br />
ließ sich 1870/71 als „neuer<br />
Siegfried“ feiern, der<br />
den „Erbfeind“ Frankreich<br />
geschlagen hatte. Die „Nibelungentreue“<br />
des Deutschen<br />
Reiches gegenüber<br />
Österreich und Ungarn, die<br />
Reichskanzler Bülow 1909<br />
vor dem Berliner Reichstag<br />
verkündete, führte wenig<br />
später in den Ersten Weltkrieg.<br />
Militärstrategische<br />
Positionen erhielten Bezeichnungen<br />
wie „Siegfriedlinie“<br />
und „Hagenstellung“.<br />
Im nationalsozialistischen<br />
Deutschland waren die Nibelungen<br />
allgegenwärtig.<br />
Hermann Göring rief zum<br />
10. Jahrestag der Machtübernahme<br />
am 30. Januar<br />
1943 in Berlin zur „Nibelungentreue“<br />
in Stalingrad<br />
auf. Am Ende des Rundganges<br />
steht stellvertretend für<br />
unzählige Städte in Europa<br />
die fast vollständig zerstörte<br />
„Siegfriedstadt“ <strong>Xanten</strong>.<br />
Damit der Besucher die<br />
Ausstellung nicht mit diesen<br />
erschütternden Bildern verlässt,<br />
wird er zurück in die<br />
Gegenwart geführt. Er kommt<br />
noch einmal in die „Schatzkammer“<br />
und kann dort die<br />
Zeitreise des Nibelungenmythos<br />
erschließen.<br />
Alles in allem ist es eine<br />
sehr gelungene, lebendige<br />
und sehenswerte Ausstellung,<br />
die von humorvollen,<br />
anspruchsvollen bis hin zu<br />
kritischen Aspekten alles zu<br />
bieten hat. In diesem Umfang<br />
wird erstmals deutlich, welche<br />
Stellung die Heldenfigur<br />
„Siegfried von <strong>Xanten</strong>“ in unserer<br />
Gesellschaft einnimmt<br />
und man versteht die Aussage:<br />
„Jede Zeit braucht ihren<br />
Siegfried“.<br />
Zum Schluss sei noch anzumerken,<br />
dass obwohl die Gegebenheiten<br />
durch die alten Bauwerke<br />
und die verschiedenen<br />
Geschosse nicht sehr günstig<br />
waren, jetzt ein Aufzug, eine<br />
Treppenraupe und eine Rollstuhlrampe<br />
das barrierefreie<br />
Befahren ermöglichen.<br />
24 XANTEN LIVE Nr. 30 • Juni - August 2010 XANTEN LIVE Nr. 30 • Juni - August 2010 25