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SECURITY insight 2/08

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Titelthema<br />

Titelthema<br />

dene Vorkehrungen von den Verantwortlichen<br />

der Firmen nicht umgesetzt“, so<br />

Doris Müller-Scheu, die allerdings auch<br />

einen Hoffnungsschimmer ausmacht:<br />

„Erst in letzter Zeit hat sich gerade bei<br />

den deutschen Großunternehmen, aber<br />

auch beim Mittelstand ein Problembewusstsein<br />

für die Erforderlichkeit einer<br />

effektiven Korruptionsbekämpfung im<br />

Rahmen verstärkter Compliance-Bemühungen<br />

entwickelt.“ Zu den prominenten<br />

Beispielen gehört die Deutsche Bahn,<br />

die sich mit dem ehemaligen Frankfurter<br />

Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner<br />

einen nachweislich unermüdlichen<br />

und erfolgreichen Sündenjäger<br />

als „Chief Compliance Officer“ an Bord<br />

geholt hat.<br />

Als Schlussfolgerung aus diesen Erfahrungen<br />

hat beispielsweise die Stadt<br />

Wuppertal jüngst für ihre Verwaltung<br />

ein eigenes Antikorruptionskonzept entwickelt,<br />

das mittlerweile als Vorbild für<br />

weitere Städte dient. Seit der praktischen<br />

Umsetzung dieses Konzepts, das neben<br />

der Innenrevision auch die Einrichtung<br />

einer gesonderten „Antikorruptionsstelle“<br />

beinhaltet, seien, so Wolf-Tilman Baumert,<br />

„deutlich weniger Fälle von Untreue<br />

und Korruptionsdelikten zu beobachten.“<br />

„Das sind ganz normale Menschen!“<br />

Kurzinterview mit Staatsanwalt Ekkehart Carl von der Bochumer<br />

Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität<br />

<strong>SECURITY</strong> <strong>insight</strong>: Herr Staatanwalt Carl,<br />

was muss man sich unter „Mitarbeiterkriminalität“<br />

konkret vorstellen?<br />

Ekkehard Carl: „Mitarbeiterkriminalität<br />

ist ja kein juristischer Begriff. Wenn<br />

Menschen heute vor Gericht stehen,<br />

weil sie im Betrieb einen Gesetzesbruch<br />

begangen haben, dann fällt das ganz allgemein<br />

unter Diebstahl, Unterschlagung<br />

oder andere Straftatbestände. Unterschiede<br />

werden da nicht gemacht.<br />

Sind die solcher Taten überführten Personen<br />

also ganz alltägliche „Kriminelle“?<br />

Man muss es eigentlich so formulieren:<br />

Das sind ganz „normale“ Menschen.<br />

Denn wer von uns würde von<br />

sich behaupten, dass er vielleicht nicht<br />

auch zugreifen würden, wenn sich die<br />

Gelegenheit bietet.<br />

Ganz normale Menschen... Verfahren Sie<br />

als Staatsanwalt dann auch anders?<br />

Wer im Betrieb krumme Dinger gedreht<br />

hat, muss sich meistens juristisch auf<br />

drei Ebenen verantworten. Da gibt es<br />

fast immer den Prozess vor dem Arbeitsgericht,<br />

dann kommt das Strafverfahren<br />

und zuletzt noch zivilrechtlich die<br />

Schadensersatzklage. Das wird von uns<br />

Staatsanwälten sicher berücksichtigt.<br />

Die Verlockung gibt es für alle. Kann<br />

man sagen, dass in den so genannten<br />

unteren Gehaltsklassen deutlicher die<br />

Tendenz zum ungesetzlichen Bereichern<br />

festgestellt werden kann?<br />

Nein, ganz im Gegenteil. Je mehr Kompetenzen<br />

jemand im Betrieb hat, desto<br />

größer ist natürlich auch der Schaden,<br />

den er anrichten kann. Die Schäden, die<br />

leitende Angestellte anrichten, sind in<br />

absoluten Zahlen viel größer als die der<br />

einfachen Arbeitnehmer.<br />

Sind nach Ihrer Erfahrung Veränderungen<br />

festzustellen, zum Beispiel dahingehend,<br />

dass heute eher etwas aus den<br />

Betrieben mitgenommen wird als früher?<br />

Das Erscheinungsbild<br />

der Eliten<br />

Die Meldungen aus jüngster Zeit haben<br />

zweifellos das öffentliche Interesse auf<br />

die obere Schicht der Mitarbeiter in den<br />

Unternehmen gelenkt. Selbst der Literaturnobelpreisträger<br />

Günter Grass hat<br />

die deutsche Spitzenmanager wegen<br />

der jüngsten Steuerskandale scharf<br />

attackiert und als die „neuen Asozialen“<br />

bezeichnet. Nach seiner Ansicht bereichere<br />

sich „die Kaste in den Chefetagen<br />

schamlos“. Die Liste reiche vom Vorstandschef<br />

der Deutschen Bank, Josef<br />

Ackermann, bis zum bisherigen Chef der<br />

So einfach ist das nicht zu sagen. Dass<br />

sich Arbeiter aus den Betrieben bedienten,<br />

hat sicher eine lange Tradition. Ich<br />

verweise nur auf die Mutterklötzchen*<br />

hier im Bergbau im Ruhrgebiet. Eine<br />

andere Einstellung der Menschen zum<br />

Betriebseigentum insgesamt festzustellen,<br />

ist schwer.<br />

Wirkt sich das Fehlverhalten (im strafrechtlichen<br />

Sinne) bedeutender Wirtschaftsgrößen<br />

– als Beispiel sei der<br />

Name Zumwinkel genannt – auf das<br />

Verhalten der Menschen in den Belegschaften<br />

aus?<br />

Man kann zumindest sagen, dass in<br />

Strafverfahren solche Fälle zur Verharmlosung<br />

des eigenen Verhaltens<br />

vorgebracht werden. Nicht nur von den<br />

Beschuldigten, sondern natürlich auch<br />

von deren Verteidigern.<br />

* Mutterklötzchen (aus der Bergmannssprache)<br />

sind Teile des zum Stollenausbau<br />

verwendeten Stempels und<br />

werden von den Bergleuten halblegal<br />

als billiges Brennholz für die „Mutter“<br />

mit nach Hause genommen.<br />

12 Security <strong>insight</strong><br />

Deutschen Post, Klaus Zumwinkel. Der<br />

Gesetzgeber sei gefordert, eine solche<br />

Entwicklung zu verhindern.<br />

Zwar werden hier private Verfehlungen<br />

– Zumwinkels mutmaßliche Steuerhinterziehung<br />

hat mit dem von ihm einst geleiteten<br />

Konzern nichts zu tun – mit spezifisch<br />

betriebsinternen Delikten, also Mitarbeiterkriminalität,<br />

vermischt. Doch die<br />

Folgen wirken sich ganz sicher auf das<br />

Unrechtsbewusstsein auch der „kleinen“<br />

Mitarbeiter aus. Das viel gebrauchte<br />

Sprichwort „Der Fisch fängt vom Kopf zu<br />

stinken an“ bekommt hier seine besondere<br />

Bedeutung.<br />

Stark steigende<br />

Deliktzahlen<br />

Die Bandbreite der Mitarbeiterkriminalität<br />

reicht von Diebstahl über Computermissbrauch<br />

und Insidergeschäfte bis<br />

zu Korruption, Spionage und Erpressung,<br />

sagen Fachleute. „Steigende Anonymität<br />

und die verbreitete Angst vor Jobverlust<br />

fördern die Gleichgültigkeit gegenüber<br />

dem Eigentum des Arbeitgebers“,<br />

bestätigte schon vor geraumer Zeit der<br />

Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.<br />

Kriminelle Mitarbeiter<br />

verursachten im Jahr 2005 einen<br />

Schaden in Höhe von 1,5 Milliarden Euro,<br />

errechneten die Spezialisten der Versicherungswirtschaft.<br />

Auch 2006 nahmen<br />

die Fälle krimineller Handlungen in<br />

Unternehmen zu. Nach der Schätzung<br />

der Euler Hermes Kreditversicherungs-<br />

AG in Hamburg wird die Zahl der Fälle<br />

von Betrug, Untreue und Unterschlagung<br />

weiter steigen.<br />

Im Einzelnen haben die statistisch erfassten<br />

Kategorien von Mitarbeiterkriminalität<br />

sehr unterschiedliche Bedeutung.<br />

Mit weitem Abstand an der Spitze steht<br />

Betrug, der 2005 rund 950.000 Mal registriert<br />

wurde und Schäden von insgesamt<br />

2,39 Milliarden Euro verursachte. Gegenüber<br />

dem Jahr 2000 ist das ein Plus von<br />

23,1 Prozent bei der Anzahl der Fälle und<br />

von 6,4 Prozent bei der Schadenssumme.<br />

Unterschlagung fand rund 104.000<br />

Mal statt (plus 20,5 Prozent gegenüber<br />

Foto: Patrizier-Design – Fotolia.com<br />

Justizia hat in betrieblichen Angelegenheiten in Deutschland derzeit gut zu tun.<br />

2000) mit finanziellen Folgen in Höhe von<br />

350 Millionen Euro (gut 30 Prozent plus).<br />

Schließlich weist die Statistik 2005 noch<br />

48.400 Fälle von Veruntreuung aus, ein<br />

Zuwachs von 27 Prozent seit 2000. Der<br />

Gesamtschaden betrug hier 950 Millionen<br />

Euro, was einem Rückgang von zwei<br />

Dritteln entspricht, heißt es von Euler<br />

Hermes.<br />

Dabei hat das Phänomen Diebstahl noch<br />

weitere Komponenten, wie Wissenschaftler<br />

herausgefunden haben. Wer seine Firma<br />

bestiehlt, heißt eines der Forschungsresultate,<br />

arbeite weniger gewissenhaft.<br />

Außerdem hätten diebische Beschäftigte<br />

ein geringeres Durchhaltevermögen als<br />

ehrliche Kollegen. Dies haben inzwischen<br />

Psychologen der Technischen Universität<br />

Darmstadt, der Universität Regensburg<br />

und einer Firma für Unternehmensberatung<br />

herausgefunden. Dazu befragten die<br />

Forscher 363 Personen aus der Allgemeinbevölkerung<br />

und 195 Strafgefangene,<br />

die meist wegen Eigentumsdelikten<br />

im Gefängnis saßen. Mit dieser Befragung<br />

sollte geklärt werden, ob sich die<br />

Neigung zu Diebstahl überhaupt messen<br />

lässt. Viele der Befragten, die im Betrieb<br />

schon einmal gestohlen hatten, hielten<br />

ihr Verhalten für verbreitet. Sie stimmten<br />

ungewöhnlich oft der Aussage zu: „Jeder<br />

hat schon einmal hier oder da etwas von<br />

der Firma geklaut.“<br />

Vermögensdelikte richten in deutschen<br />

Unternehmen große finanzielle Schäden<br />

an. Etwa 1,1 Millionen Fälle von Betrug,<br />

Untreue und Unterschlagung von Firmengeldern<br />

mit einer Schadenssumme von<br />

vier Milliarden Euro schätzt Euler Hermes<br />

für 2007. Etwa 40 Prozent davon wird<br />

durch Mitarbeiter verursacht. Der prognostizierte<br />

Schaden liegt jetzt bereits bei<br />

über drei Milliarden Euro.<br />

Die Entwicklung mag man in den Chefetagen<br />

bedauern, muss sich gleichzeitig<br />

jedoch auch an die eigene Nase fassen.<br />

Wo auch immer die Ursachen von Mitarbeiterkriminalität<br />

liegen – wirkungsvolle<br />

Gegenmaßnahmen lassen sich auf jeden<br />

Fall ergreifen, wie auch die Erfolge effektiv<br />

und kompetent arbeitender Corporate-<br />

Security-Abteilungen zeigen. Nicht selten<br />

greifen sie bei der Kriminalitätsbekämpfung<br />

auch auf die Leistungen seriöser<br />

Beratungsfirmen zurück, weil sie wissen:<br />

Sicherheit kostet weniger, als sie bringt.<br />

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