SECURITY insight 2/08
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Titelthema<br />
Titelthema<br />
Darf’s ein bisschen<br />
Nervenkitzel sein?<br />
Die „Integrität“ als sicherheitsrelevante Persönlichkeitsdimension<br />
Von Dr. Jens Hoffmann<br />
Foto: talexx – Fotolia.com<br />
In Folge der aufsehenerregenden Wirtschaftsskandale in jüngster Zeit<br />
wurde wiederholt die Frage gestellt, ob sich psychologische Faktoren<br />
erkennen lassen, die beim Fehlverhalten der jeweiligen Akteure eine Rolle<br />
spielen. Anders formuliert: Hat jemand, der in Vorfälle mit Korruption,<br />
schwarzen Kassen, Vorteilnahme und Ähnlichem verstrickt ist, charakteristische<br />
Persönlichkeitseigenschaften, die sich prinzipiell auch von außen<br />
erkennen lassen? An dieser Stelle kommt der Begriff der „Integrität“ ins<br />
Spiel, ein recht komplexer und facettenreicher psychologischer Faktor.<br />
Allgemein gesprochen wird Integrität<br />
als eine Persönlichkeitsausprägung<br />
verstanden, die die Wahrscheinlichkeit<br />
senkt, dass jemand schädigendes Verhalten<br />
in wirtschaftlichen Prozessen<br />
zeigt. So lässt sich auch nicht in einem<br />
kurzen Satz festmachen, was Integrität<br />
genau ausmacht. Vielmehr haben wir<br />
es hier mit dem Zusammenspiel positiv<br />
besetzter Eigenschaften und Werte zu<br />
tun, die in verschiedenen Mischformen<br />
auftreten können. Schlagworte, die Integrität<br />
umschreiben, sind beispielsweise<br />
Verlässlichkeit, Leistungsbereitschaft,<br />
Pflichtgefühl und Aufrichtigkeit.<br />
Die größte Bedeutung hat die Persönlichkeitsdimension<br />
Integrität bei der<br />
Einstellung neuer Mitarbeiter. Schon<br />
im Bewerbungsgespräch lässt sich viel<br />
herausfinden.<br />
Auch aus Sicht der wissenschaftlichen<br />
Psychologie wird Integrität als Kombination<br />
von Persönlichkeitseigenschaften<br />
spezifischer und genereller Natur<br />
verstanden, die das Auftreten kontraproduktiver<br />
Verhaltensweisen im positiven<br />
wie auch im negativen Sinne beeinflussen<br />
können. Von uns in Kooperation<br />
mit den Universitäten in Darmstadt<br />
und Regensburg durchgeführte Studien<br />
ergaben, dass so unterschiedlich<br />
erscheinende Phänomene wie Bestechlichkeit,<br />
Betrug, schlechte Arbeitsleistung,<br />
Zerstörung von Firmeneigentum<br />
oder Aggressionen psychologisch eng<br />
miteinander verknüpft sind. Ist ein einzelnes<br />
derartiges Problemverhalten bei<br />
einem Mitarbeiter zu erkennen, steigt<br />
die Wahrscheinlichkeit deutlich an, dass<br />
auch andere kontraproduktive Handlungen<br />
auftreten.<br />
Drei Integritätsfaktoren<br />
Es lässt sich eine ganze Reihe von Persönlichkeitseigenschaften<br />
identifizieren,<br />
die für die Integrität eines Menschen<br />
verantwortlich sind. Im Folgenden werden<br />
drei Beispiele für Integritätsfaktoren<br />
näher beleuchtet.<br />
• Rationalisierungstendenzen: Menschen,<br />
die problematisches Verhalten<br />
mit Argumenten rechtfertigen, zeigen<br />
eine höhere Wahrscheinlichkeit dafür,<br />
auch in eigenen Handlungen Grenzen<br />
zu verletzen. Der Grund liegt darin,<br />
dass durch solche Rationalisierungen<br />
leichter innere Hemmschwellen<br />
überwunden werden. Ein Beispiel ist<br />
jemand, der etwa die Auffassung vertritt,<br />
niemanden persönlich zu schädigen,<br />
wenn er Firmeneigentum an sich<br />
nimmt. Er begründet das damit, dass es<br />
ja keiner einzelnen Person gehört. So<br />
überlistet er das eigene Gewissen und<br />
gehört zu jenem Personenkreis, der<br />
eher dahin tendiert, das Unternehmen<br />
schädigen.<br />
• Thrill Seeking: Dieser Persönlichkeitsfaktor<br />
beschreibt die Neigung, Situationen<br />
zu suchen, die spektakulär und<br />
riskant sind, weil man sich davon<br />
einen Nervenkitzel verspricht. Dies<br />
kann natürlich auch dazu führen, dass<br />
kriminelle Handlungen mit einem möglichen<br />
Entdeckungsrisiko als anregend<br />
und deshalb reizvoll empfunden<br />
werden.<br />
• Narzissmus: Narzissmus beschreibt<br />
die psychologische Eigenschaft, sich<br />
als etwas Besonderes zu fühlen und<br />
das tiefe Bedürfnis Bewunderung und<br />
Anerkennung auf sich zu ziehen. Narzissten<br />
sind deshalb der Überzeugung,<br />
selbst etwas Besonderes zu sein. Sie<br />
leiten daraus öfter ein übersteigertes<br />
Anspruchsdenken ab und glauben,<br />
dass ihnen auf Grund ihrer Bedeutung<br />
Sonderrechte zustehen. Mit dieser<br />
Haltung steigt auch die Wahrscheinlichkeit,<br />
dass der Narzisst Regeln und<br />
Gesetze nicht als bindend ansieht, da<br />
er ja eine solch herausragende Persönlichkeit<br />
darstellt.<br />
Natürlich bedeutet es nicht, dass jemand<br />
automatisch nicht integer ist, wenn er<br />
eine der genannten Persönlichkeitseigenschaften<br />
besitzt. Integrität setzt sich<br />
immer aus einem Muster verschiedener<br />
Faktoren zusammen, wobei auch sehr<br />
unterschiedliche Persönlichkeitsprofile<br />
zu gleichen Integritätswerten führen<br />
können.<br />
Wer hat’s gesagt?<br />
Und: Was zeigt das?<br />
Doch soll nun anhand der Aussagen<br />
eines ehemaligen prominenten Wirtschaftsführers<br />
verdeutlicht werden, wie<br />
sich Integritätsfaktoren in der Praxis zeigen<br />
können. Wenn der geneigte Leser<br />
mag, kann er selbst einmal versuchen,<br />
ob er in den folgenden Sätzen Äußerungen<br />
erkennen kann, die aufschlussreich<br />
für die Integrität der betreffenden Führungsperson<br />
sein können. Er mag einfach<br />
die beiden folgenden Zitate lesen und<br />
den folgenden Text abdecken.<br />
„Wenn es irgendwo brannte, musste ich<br />
dorthin. (...) Ich habe ein funktionsfähiges<br />
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16 Security <strong>insight</strong><br />
2/20<strong>08</strong><br />
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