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BWNotZ 6/2010 - Württembergischer Notarverein e.V.

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Zeitschrift für das Notariat in Baden-Württemberg <strong>BWNotZ</strong><br />

Dezember 76. Band Nr. 6/<strong>2010</strong><br />

Notar und Steuern – Nichts geht mehr ohne Steuerrecht<br />

- Ausgewählte Fragestellungen der Gestaltungspraxis 1<br />

(von Dr. Benedikt Schmitz 2 , Notarassessor, Düsseldorf)<br />

A. Einführung<br />

Nichts geht mehr ohne Steuerrecht. Das Steuerrecht als<br />

letztlich interdisziplinärer Bereich, stehend zwischen dem<br />

Recht und den Wirtschaftswissenschaften, beherrscht<br />

immer mehr (auch) die notarielle Vertragsgestaltungspraxis.<br />

Wenn die zu beurkundenden Vorgänge nicht bereits – ausschließlich<br />

– steuerrechtlich motiviert sind, so gilt es jedenfalls<br />

in den weit überwiegenden Fällen steuerrechtliche Implikationen<br />

zu beachten. Berufsrechtlich trifft den Notar zwar –<br />

von wenigen Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich keine<br />

steuerrechtliche Beratungs- oder gar Gestaltungspflicht.<br />

Dennoch setzt eine gründliche Beratung Grundkenntnisse<br />

des Steuerrechts voraus, die dann in angezeigten Fällen mit<br />

dem Steuerberater bzw. Steuerrechtsanwalt vertieft werden<br />

müssen. Dabei reichen die steuerrechtlichen Implikationen<br />

von Fragen zur gewöhnlichen Einkommensteuererklärung<br />

(genannt sei nur § 35a EStG) bis hin zu grunderwerbsteueroptimierten<br />

Konzernstrukturen (§ 6a GrEStG). Nachfolgend<br />

wird der Versuch unternommen, einige (aktuelle) steuerrechtliche<br />

Fragestellungen im Notaralltag aufzuzeigen und einer<br />

als Vorschlag zu verstehenden Lösung zuzuführen.<br />

B. Einkommensteuerrecht<br />

I. § 23 EStG (Spekulationsgeschäft) und gewerblicher<br />

Grundstückshandel<br />

Der Einkommensteuer unterliegen nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m.<br />

§§ 22 Nr. 2, 23 EStG auch die Einkünfte aus den sogenannten<br />

privaten Veräußerungsgeschäften.<br />

§ 23 EStG, der nach der Unternehmenssteuerreform 2008<br />

nunmehr die Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte<br />

mit Kapitalanteilen nicht mehr umfasst (§ 20 Abs. 2 EStG), hat<br />

für die notarielle Beratungspraxis besondere Bedeutung insoweit,<br />

als den Notar die haftungsbewährte Pflicht trifft, auf<br />

die einkommensteuerrechtlichen Folgen des § 23 EStG hinzuweisen,<br />

sofern ihm die die Steuerbarkeit begründenden<br />

Umstände bekannt sind. 3 Ob und wenn ja in welchem Maße<br />

eine diese Umstände betreffende Nachforschungspflicht des<br />

Notars besteht, ist umstritten. 4 Nach hier vertretener Ansicht<br />

1 Der Beitrag ist aus einem Vortrag des Verfassers an der Westfälische Wilhelmsuniversität<br />

Münster, Westfälischer Steuerkreis e.V. – Institut für<br />

Steuerrecht (Prof. Dr. Dieter Birk / Prof. Dr. Joachim Englisch) am 11. Juni<br />

<strong>2010</strong> entstanden.<br />

2 Der Verfasser ist Notarassessor in Düsseldorf, Habilitand bei Prof. Dr.<br />

Peter Mülbert (Universität Mainz) sowie Lehrbeauftragter an der<br />

Hochschule Fresenius (Köln).<br />

3 BGH NJW 1989, 586.<br />

4 OLG Koblenz, RNotZ 2002, 416 (Negierung einer entsprechenden Plicht),<br />

so auch: Reich/Schäfer, NotBZ 2002, Heft 3.<br />

besteht eine originäre Nachforschungspflicht nicht; solange<br />

sich die die Steuerbarkeit begründenden Umstände nicht<br />

eindeutig aus den dem Notar vorliegenden Unterlagen ergeben,<br />

trifft den Notar nur die Hinweis- und Warnverpflichtung.<br />

Insbesondere hat der Notar auch nicht auf Wunsch oder Anweisung<br />

der Beteiligten die Pflicht, den Sachverhalt steuerrechtlich<br />

aufzuarbeiten etwa dergestalt, eine steueroptimierte<br />

Lösung zu erarbeiten. Es ist insoweit ausreichend aber<br />

auch erforderlich, wenn auf eine potentielle Steuerbarkeit<br />

und die Möglichkeit einer Steuerberatung hingewiesen wird.<br />

§ 23 EStG nimmt damit eine Sonderstellung insofern ein, als<br />

dass abweichend von dem Grundsatz, dass den Notar<br />

grundsätzlich keine steuerrechtliche Beratungs- oder Hinweispflicht<br />

trifft, in diesem Fall eine solche im vorgenannten<br />

Sinn besteht; dies macht es interessant, aus dem Bereich<br />

des § 23 EStG die nachfolgenden ausgewählten Fragestellungen<br />

zu betrachten.<br />

1. Rückabwicklung von Grundstückskaufverträgen als<br />

Veräußerungsgeschäft im Sinne von § 23 EStG<br />

Die Rückabwicklung von Grundstückskaufverträgen innerhalb<br />

der 10jährigen Spekulationsfrist stellt dann kein Veräußerungsgeschäft<br />

dar, wenn diese aufgrund einer ernsthaften<br />

und irreparablen Vertragsstörung beruht. 5 Rechtsprechung<br />

wie auch Literatur lassen insoweit aber zwei elementare Fragen<br />

offen: Zum einen ist nicht geklärt, was mit etwaigen bis<br />

zum Rückabwicklungszeitpunkt erfolgten Abschreibungen<br />

geschieht. Zum anderen ist der Inhalt des Begriffs einer<br />

ernsthaften und irreparablen Vertragsstörung jedenfalls nicht<br />

eindeutig.<br />

Nach hier vertretener Auffassung kommt der vom BFH aufgestellten<br />

Voraussetzung einer ernsthaften und irreparablen<br />

Vertragsstörung letztlich nur der Inhalt zu, dass der Vertrag<br />

tatsächlich und endgültig rückabgewickelt wird. Ob dies aufgrund<br />

einer arglistigen Täuschung oder aber „nur“ aufgrund<br />

eines unverschuldeten Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfolgt,<br />

kann für die einkommensteuerrechtliche Behandlung<br />

nicht von Bedeutung sein (wirtschaftliche Betrachtungsweise).<br />

Dies ergibt sich bereits daraus, dass letztlich jede Vertragsstörung<br />

reparabel ist – die Beteiligten müssen sich nur<br />

einigen. Umgekehrt liegt bereits immer dann eine irreparable<br />

Vertragsstörung vor, wenn – gleich aus welchem Grund – das<br />

entsprechende Gestaltungsrecht (Rücktritt, Anfechtung)<br />

ausgeübt wurde. Insoweit lässt sich nach hier vertretener<br />

Auffassung festhalten, dass die zivilrechtliche Rückabwikklung<br />

eines Vertrages grundsätzlich kein Veräußerungsge-<br />

5 BFH BStBl. II 2008, 480; BFH BStBl. II 2007, 162; Weber-Grellet in<br />

Schmidt, EStG, § 23 Rn. 49.<br />

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