Eildienst 04/02 - Landkreistag NRW
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Themen<br />
gewählt worden sind. In diesen Kreisen hat<br />
es überwiegend in der Verwaltungsführung<br />
und im Setzen von Schwerpunkten<br />
zwischen Repräsentativfunktion und Verwaltungsleitung<br />
bei den Landräten offenbar<br />
keine großen Schwierigkeiten gegeben.<br />
Umstellungsprobleme hat es dagegen<br />
überall dort gegeben, wo von außen kommende,<br />
politisch und administrativ Unerfahrene<br />
in das Amt des hauptamtlichen<br />
Landrates gewählt worden sind. In sehr<br />
starkem Maße galt dies dort, wo mit der<br />
Landratswahl von September 1999<br />
zugleich auch ein politischer Wechsel von<br />
der SPD hin zur CDU verbunden gewesen<br />
ist. Denn dort musste sich die Fraktion<br />
zunächst in die neue Rolle als mehrheitsund<br />
damit politikbestimmende Fraktion<br />
hineinfinden, was oft zu nicht unerheblichen<br />
Umstellungsproblemen geführt hat.<br />
Darüber hinaus ist in Nordrhein-Westfalen<br />
in vielen Kreisen die SPD über lange Jahre<br />
die führende Kraft gewesen mit der Folge,<br />
dass sich diese parteipolitische Majorität<br />
auch bei den Verwaltungsmitarbeitern und<br />
hier insbesondere bei den Dezernenten<br />
und Amtsleitern niedergeschlagen hat. Das<br />
Vertrauen in die Loyalität der Mitarbeiter<br />
der Verwaltung ist deshalb bei vielen Fraktionen<br />
und Landräten nach der letzten<br />
Kommunalwahl nicht besonders groß<br />
gewesen, was vielen Newcomern den<br />
Schritt in die Wirklichkeit des Landratsamtes<br />
sicherlich nicht sehr erleichtert hat. Die<br />
Zeiten der Einfindung in das neue Amt sind<br />
jedoch inzwischen vorbei. Heute lässt sich<br />
sagen, dass es kaum mehr Loyalitätskonflikte<br />
gibt, sondern dass die Arbeit an der<br />
Sache ganz überwiegend zu einem guten<br />
Verhältnis zwischen den Landräten und<br />
ihren Mitarbeitern geführt hat, und zwar<br />
unabhängig von der jeweiligen parteipolitischen<br />
Einbindung. Mit dazu beigetragen<br />
haben mag allerdings auch, dass die Kreisdirektoren,<br />
die zur Wiederwahl anstanden<br />
und die nicht der neuen Mehrheits-Fraktion<br />
angehörten, durch Parteiangehörige<br />
der neuen Mehrheits-Fraktionen ersetzt<br />
worden sind und damit quasi überall dort,<br />
wo es möglich war, die neuen Mehrheiten<br />
eine „Doppelspitze“ von Personen ihres<br />
Vertrauens installiert haben.<br />
Nach den Diskussionen, die es wegen der<br />
Hauptamtlichkeit gegeben hat, müsste<br />
eines der großen Themen heute sein, ob<br />
Nichtjuristen in der Lage sind, eine Kreisverwaltung<br />
wirklich zu führen. Unter den<br />
neuen Landräten sind nämlich nur vierzehn<br />
Juristen, davon zwei Unerfahrene, denen<br />
man in der Diskussion um die Hauptamtlichkeit<br />
nach dem Motto „Ein guter Jurist<br />
kann alles“ am ehesten die Leitung einer<br />
Kreisverwaltung zugetraut hat. Unter den<br />
neuen sind u. a. drei Lehrer, zwei Landwirte,<br />
ein ehemaliger Versicherungsmitarbeiter<br />
und zwei Mitarbeiter aus kirchlichen<br />
oder gewerkschaftlichen Bildungseinrichtungen.<br />
Das berufliche Herkommen der<br />
Verwaltungschefs hat sich damit erheblich<br />
verändert. Politisch hat dies bekanntlich in<br />
Nordrhein-Westfalen auch zu ersten Kontroversen<br />
geführt. So ging es 1999 um die<br />
Frage, ob die Landräte auch weiterhin<br />
Chef der Kreispolizeibehörde sein sollten 30 .<br />
Ein Argument, das dabei von Befürwortern<br />
einer Reorganisation und Überführung dieser<br />
Funktion auf staatliche Stellen, nämlich<br />
die Polizeipräsidenten eine Rolle gespielt<br />
hat, war das der fehlenden juristischen<br />
Qualifikation der Landräte. Diese Diskussion<br />
ist inzwischen abgeebbt. Die Landräte<br />
haben sich unter Hinweis auf ihre größere<br />
Orts- und Bürgernähe und die Vorteile, die<br />
dezentrale Strukturen auch bei der Polizeiarbeit<br />
haben, politisch durchgesetzt. Eine<br />
Abschaffung der Kreispolizeibehörden hat<br />
es nicht gegeben.<br />
Aus Sicht eines externen Beobachters ist es<br />
im übrigen sehr schwer festzustellen, ob<br />
sich die Tatsache, dass mehr als die Hälfte<br />
der neuen Landräte keine Juristen mehr<br />
sind, tatsächlich nachteilig auf die Verwaltungsarbeit<br />
in den Kreisen ausgewirkt hat.<br />
Tendenziell scheint dies allerdings nicht der<br />
Fall zu sein. Dabei spielt zunächst eine<br />
Rolle, dass die nordrhein-westfälischen<br />
Kreise mit einem Mitarbeiterstab von 600 –<br />
900 Personen und einem Kreisdirektor, der<br />
nach den rechtlichen Vorgaben zwingend<br />
Volljurist sein muss, professionell hart an<br />
der Sache und der juristischen Durchdringung<br />
von Sachverhalten arbeitende Verwaltungen<br />
sind. In der administrativen<br />
Bewältigung von Einzelaufgaben scheint<br />
deshalb die Frage der berufsmäßigen<br />
Rekrutierung des Verwaltungschefs keine<br />
besonders große Rolle zu spielen. Wäre dies<br />
anders, müsste es auch um die Funktionsfähigkeit<br />
anderer großer Behörden in Nordrhein-Westfalen,<br />
nämlich der Bezirksregierungen,<br />
teilweise erhebliche Diskussionen<br />
geben. Denn viele der Regierungspräsidenten<br />
sind keine Juristen; diese Position wird<br />
traditionell nach politischen Kriterien<br />
besetzt; die Frage der Vorbildung spielt<br />
dabei häufig nur eine untergeordnete Rolle.<br />
Hinzuweisen ist im Übrigen auch darauf,<br />
dass die hauptamtlichen Landräte als Verwaltungschefs<br />
nicht so sehr mit der Bearbeitung<br />
von Detailfragen beschäftigt sind<br />
oder besser: beschäftigt sein sollten. Es<br />
geht darum, die wesentlichen Leitlinien<br />
von Politik und Verwaltung im Kreis zu<br />
bestimmen. Dabei geht es z. B. um Aspekte<br />
der wirtschaftlichen Betätigung in Verkehrsunternehmen<br />
und ihre Modernisierung<br />
bzw. Modifizierung vor dem Hintergrund<br />
der sich wandelnden EU-rechtlichen<br />
Verhältnisse; die Abfallentsorgung und die<br />
Frage der Reorganisation durch Anlagenveräußerung<br />
oder Bildung gemischt-wirtschaftlicher<br />
Unternehmen sind ebenso<br />
gefragt wie strategische Überlegungen bei<br />
der Wirtschaftsförderung, der Zusammenlegung<br />
von Sparkassen, der Einführung<br />
neuer Steuerungsmodelle und der Zusammenführung<br />
von Arbeitslosenhilfe und<br />
Sozialhilfe. Schließlich muss sich der neue<br />
Landrat gegenüber den kreisangehörigen<br />
Städten und Gemeinden und dabei insbesondere<br />
in der Diskussion um die Kreisumlage<br />
sowie als Vertreter des Kreises in zahlreichen<br />
Unternehmen der Kommunalwirtschaft,<br />
der Kultur und der Bildung bewähren.<br />
All dies sind Aufgaben, die neben<br />
beruflichem Engagement vor allem folgendes<br />
voraussetzen: Engagement und den<br />
Willen das Beste für den Kreis zu erreichen,<br />
Führungsqualitäten, Menschenkenntnis,<br />
einen kritischen Geist sowie möglichst<br />
optimale Beratung durch die Mitarbeiter.<br />
Für diese Aspekte spielen das berufliche<br />
Herkommen und die Qualifikation als Jurist<br />
nicht unbedingt eine herausragende Rolle.<br />
In vielen Sachzusammenhängen mag sie<br />
sicherlich hilfreich sein. Das ist aber nicht<br />
durchgängig und überall der Fall.<br />
Betrachtet man die neuen Landräte unter<br />
den Aspekten des Engagements und des<br />
Willens der Durchsetzung von optimalen<br />
Lösungen für ihren Kreis, so lässt sich<br />
durchgängig aus der Sicht eines externen<br />
Beobachters sagen, dass das Herkommen<br />
hierfür keine Rolle spielt. Beratungsresistent<br />
für seine Mitarbeiter scheint keiner der<br />
neuen Landräte zu sein. Vielmehr erwecken<br />
sie in den vielfältigen Gesprächen und<br />
Diskussionen den Eindruck, dass sie insgesamt<br />
die Belange ihres Kreises auf die optimale<br />
Weise durchsetzen wollen. Vor diesem<br />
Hintergrund lässt sich sicherlich sagen,<br />
dass sich die Reform insoweit ganz überwiegend<br />
bewährt hat 31 .<br />
b) Repräsentativfunktion und<br />
Verwaltungsleitung<br />
In der Diskussion im Vorfeld der Reform ist<br />
immer wieder darauf hingewiesen worden,<br />
dass die Kombination von repräsentativer<br />
Funktion und Verwaltungsführung für die<br />
hauptamtlichen Landräte – ebenso wie für<br />
die Bürgermeister und Oberbürgermeister –<br />
eine erhebliche zeitliche Überforderung darstellt.<br />
Aus Gesprächen mit Landräten ergibt<br />
sich insoweit freilich ein differenziertes Bild:<br />
Bei manchen hauptamtlichen Landräten<br />
hat man den Eindruck, dass sie insbesondere<br />
an den Wochenenden die Funktion<br />
30<br />
Dazu: Die Organisationsstruktur der Kreispolizeibehörde<br />
hat sich bewährt, ED LKT NW 1998,<br />
S. 2 ff.<br />
31<br />
In diesem Sinne auch schon B o r cherding, ED<br />
LKT NW 1999, 4<strong>04</strong>.<br />
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