24.11.2013 Aufrufe

Eildienst 04/02 - Landkreistag NRW

Eildienst 04/02 - Landkreistag NRW

Eildienst 04/02 - Landkreistag NRW

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Themen<br />

Nach einer 50-jährigen erfolgreichen Entwicklung<br />

von der Montanunion zur politischen<br />

Union stellt sich für den Europäischen<br />

Rat angesichts der Erweiterung von<br />

15 auf 27 (28) Mitgliedern und im Problemhorizont<br />

der Globalisierung die Frage,<br />

ob die EU als bedeutende Wirtschaftsmacht<br />

den weltpolitischen Herausforderungen<br />

gewachsen ist, ob ihre Kompetenzen<br />

ziel- und aufgabengerecht sind und ob<br />

ihre politischen Binnenstrukturen den<br />

Anforderungen nach Transparenz, Effizienz<br />

und Demokratisierung genügen.<br />

Die Grundsatzerklärung ist wie fast alle Verlautbarungen<br />

des Europäischen Rates<br />

inhaltlich euphorisch, weitschweifig, nicht<br />

immer eindeutig und wegen des Zwangs<br />

zur Einstimmigkeit sehr allgemein gefasst.<br />

Aus ihr lassen sich folgende Fragestellungen<br />

herausfiltern, die zugleich den Auftragsrahmen<br />

an den Konvent bilden, ohne damit ein<br />

gegenständliche Beschränkung der Beratungsthemen<br />

vorzunehmen. Eine Neuverteilung<br />

und Abgrenzung der Zuständigkeiten<br />

in der EU soll allerdings den „acquis<br />

communautaire“ (jetziger Aufgabenbestand<br />

der EU) im Prinzip nicht antasten.<br />

Der Europäische Rat sieht folgende Problemfelder,<br />

zu denen er Fragen aufwirft:<br />

Zuständigkeitsverteilung<br />

Lassen sich die öffentlichen Aufgaben der<br />

EU und der Mitgliedstaaten mit ihren staatlichen,<br />

regionalen und kommunalen<br />

Untergliederungen auf die jeweilige Ebene<br />

sachgerecht aufteilen? Kann dabei das<br />

Spannungsverhältnis von Effizienz und<br />

Subsidiarität so aufgelöst werden, dass<br />

Bürgernähe und wirksame Aufgabenerfüllung<br />

zu verantwortlichen Kosten erreicht<br />

werden kann? Ist es sinnvoll, für die EU<br />

einen numerus clausus von Zuständigkeiten<br />

vorzusehen, sodass alle anderen<br />

öffentlichen Aufgaben den Mitgliedstaaten<br />

vorbehalten sind? Ist bei solch strenger<br />

Kompetenztrennung die für die weitere<br />

Integration der EU notwendige Kohärenz<br />

sicherzustellen? Und in diesem Zusammenhang:<br />

Soll den Ländern, Regionen und<br />

Kommunen der Mitgliedstaaten eine auf<br />

ihre Aufgaben zugeschnittene Zuständigkeitsgarantie<br />

eingeräumt werden?<br />

Die Gesamtheit dieser Fragen zielt auf die<br />

Gefahr einer zunehmenden Aufgabenkonzentration<br />

auf EU-Ebene als Folge der<br />

Komplexität der wirtschaftlichen, sozialen<br />

und kulturellen Verhältnisse und die daraus<br />

resultierende dichte ebenenübergreifende<br />

Aufgabenverflechtung. Der Rat weist aber<br />

zugleich auch auf die besondere Stellung<br />

der EU in der Welt und die sich hiermit<br />

ergebende Verantwortung hin, aus der er<br />

für die EU die entsprechenden Verantwortungskompetenzen<br />

ableitet und einfordert.<br />

Institutionelle Reformen<br />

Sind die Handlungsinstrumente im Bereich<br />

der Normsetzung klarer zu kategorisieren<br />

und so abzustufen, dass den Mitgliedstaaten<br />

ein größerer Gestaltungsraum bleibt?<br />

Genügen statt Vollregelungen Rahmenregelungen?<br />

Wie kann bei der Normsetzung<br />

dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit<br />

Rechnung getragen werden? Welche Ermessens-<br />

und Handlungsspielräume sind<br />

den zuständigen Exekutivbehörden auf<br />

EU- und mitgliedstaatlicher Ebene für eine<br />

sinnvolle Rechtsanwendung einzuräumen?<br />

In das Zentrum der Probleme der demokratischen<br />

Legitimation der EU, der Kreation<br />

ihrer Organe, der Effizienz ihrer Arbeit<br />

und der Transparenz der Entscheidungsprozesse<br />

führen die folgenden Fragen:<br />

Wie kann eine „europäische Öffentlichkeit“<br />

hergestellt werden? Wie lässt sich die<br />

Autorität und Handlungseffizienz der<br />

Kommission verbessern? Soll ihr Präsident<br />

vom Europäischen Rat, vom Europäischen<br />

Parlament oder in direkter Wahl vom Volk<br />

gewählt werden? Sollen die Kompetenzen<br />

des Europäischen Parlamentes gestärkt<br />

werden? Soll das Mitentscheidungsrecht<br />

ausgeweitet werden? Ist das Wahlrecht<br />

zum Europäischen Parlament zu reformieren?<br />

Sollen bei den Wahlbezirken die<br />

nationalen Grenzen eingehalten werden<br />

oder soll es auch grenzüberschreitende<br />

Wahlbezirke geben?<br />

Muss die Rolle des Europäischen Rates und<br />

des Ministerrat gestärkt werden? Sind<br />

unterschiedliche Entscheidungsverfahren<br />

für legislative und exekutive Befugnisse<br />

sinnvoll? Soll der Rat öffentlich tagen? Sind<br />

die Beteiligungsverfahren zwischen den<br />

Organen zu straffen und zu beschleunigen?<br />

Kann das Einstimmigkeitsprinzip weiter<br />

eingeschränkt und durch Mehrheitsentscheidungen<br />

ersetzt werden? Ist an den<br />

unterschiedlich fachlichen Formationen<br />

des Rates festzuhalten? Ist ein halbjährige<br />

Turnus der Präsidentschaft sinnvoll?<br />

Eine weitere Frage wird aufgeworfen, die<br />

das bestehend Organgefüge der EU<br />

grundsätzlich berührt:<br />

Soll zur Stärkung der demokratischen Legitimation<br />

der EU ein Organ geschaffen werden,<br />

in dem die Parlamente der Mitgliedstaaten<br />

repräsentiert sind? Soll dieses<br />

Organ nur ein Kontrollrecht über die Einhaltung<br />

der EU-Kompetenzordnung, insbesondere<br />

über die Beachtung des Subsidiaritätsprinzips<br />

haben oder sollen ihm auch<br />

echte Mitwirkungskompetenzen in EU-<br />

Agenden eingeräumt werden?<br />

Der EU-Rat hält es im Interesse der Transparenz<br />

und besseren Übersicht für notwendig,<br />

die vier Verträge (EGKS, EAG, EG<br />

EU) zu einem einheitlichen Vertragswerk<br />

zusammenzufassen. Dies wäre auch eine<br />

Gelegenheit, eine inhaltliche Straffung und<br />

Synchronisierung der Begriffe vorzunehmen,<br />

um die rechtslogische Stringenz der<br />

EU-Normen zu verbessern, was bei der<br />

Sprachenproblematik und den unterschiedlichen<br />

Rechtskulturen nicht einfach<br />

ist.<br />

Ferner soll geprüft werden, ob die „Charta<br />

der Grundrechte“, vom Europäischen Rat<br />

in Nizza im Dezember 2000 als „Empfehlung“<br />

angenommen, in den einheitlichen<br />

Vertrag eingefügt werden soll. Die Charta,<br />

der man bislang nur einen Empfehlungscharakter<br />

zugebilligt hat, würde dadurch<br />

ähnlich wie das Grundgesetz der BRD<br />

echte und unmittelbar geltende Rechte<br />

und Pflichten begründen. In diesem Teil<br />

der Grundsatzerklärung spricht der Europäische<br />

Rat erstmalig von einem zu erstellendem<br />

„Verfassungstext“ und verbindet<br />

damit Fragen nach den „Kernbestandteilen“<br />

einer solchen „Verfassung“: „Die<br />

Werte, für die die Union eintritt?“, „Die<br />

Grundrechte und -pflichten der Bürger?“,<br />

„Das Verhältnis zwischen den Mitgliedstaaten<br />

in der Union?“<br />

Mit der Einsetzung eines „Konvents zur<br />

Zukunft Europas“ zum 1. März 20<strong>02</strong>, der<br />

insgesamt 105 Mitglieder umfasst, konkretisierte<br />

der Europäische Rat seine Absicht,<br />

die Verträge einer eingehenden Prüfung<br />

durch ein politisch und fachlich<br />

zusammengesetztes Gremium („Konvent“)<br />

zu unterwerfen. Der Konvent soll<br />

Vorschläge für eine Stärkung der demokratischen<br />

Legitimation, Vertiefung der Integration<br />

und Vereinfachung und Effizienzsteigerung<br />

der Entscheidungsprozesse der<br />

EU bis Mitte/Ende 2003 ausarbeiten. Diese<br />

sollen einer Regierungskonferenz im Jahr<br />

20<strong>04</strong> zur Beratung und gegebenenfalls zur<br />

Entscheidung vorgelegt werden.<br />

Der Konvent weist eine ähnliche Mitgliederstruktur<br />

wie der „Konvent der Grundrechtscharta“<br />

auf, zahlenmäßig mit folgendem<br />

Unterschied: zu den 16 Mitgliedern<br />

des EU-Parlaments, den 30 Mitgliedern der<br />

nationalen Parlamente und den 15 Vertretern<br />

der Staats- und Regierungschefs der<br />

Mitgliedsstaaten entsendet die EU-Kommission<br />

2 Mitglieder und die 13 Beitrittskandidaten<br />

(einschließlich Türkei) entsenden<br />

13 Regierungs- und 26 Parlamentsvertreter.<br />

Präsident des Konvents ist der ehemalige<br />

französische Staatschef Giscard<br />

d‘Estaing, dem zwei Vizepräsidenten zugeordnet<br />

sind. Zur Vorbereitung und besseren<br />

Steuerung des Beratungsprozesses ist<br />

ein 12-köpfiges Präsidium vorgesehen.<br />

In der konstituierenden Sitzung des Konvents<br />

am 22. März 20<strong>02</strong>, in der 80 der 105<br />

Mitglieder je 3-minütige Statements abgaben,<br />

wurden bereits die unterschiedlichen<br />

und gegensätzlichen Auffassungen zu<br />

einer EU-Reform skizzenhaft deutlich.<br />

139

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!