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Eildienst 04/02 - Landkreistag NRW

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Im Fokus<br />

Reckenberg drehte sich das sechsspeichige<br />

Rad der Osnabrücker Fürstbischöfe. Am<br />

Oberlauf der Ems breitete der Adler des<br />

Rietberger Grafenhauses seine Schwingen<br />

aus. Rund um Schloss Rheda regierte der<br />

herrschaftliche Löwe. Und der Krummstab<br />

der Fürstbischöfe von Münster und Paderborn<br />

reichte im Westen und im Osten bis in<br />

den heutigen Kreis hinein.<br />

Eine deutsche Meile, allerhöchstens drei<br />

nur lagen die Landesgrenzen geistlicher<br />

und weltlicher Fürstentümer auseinander.<br />

Die deutsche Kleinstaaterei fand in der<br />

näheren Umgebung kaum einen deutlicheren<br />

Ausdruck als in den Grenzen des heutigen<br />

Kreises Gütersloh.<br />

1609, endgültig 1647 mit dem Ende des<br />

Jülich-Cleveschen Erbfolgestreites, zog das<br />

aufstrebende Preußen – auf dem Sprung<br />

an den Rhein – mit dem Erwerb der Grafschaft<br />

Ravensberg seine Staatsgrenze quer<br />

durch das heutige Kreisgebiet. Grenzland<br />

blieb der Kreis auch in den Wirren der<br />

Franzosenzeit. Im Herzen der heutigen<br />

Stadt Gütersloh stießen 1807 das „Königreich<br />

Westfalen“, unter der Regierung von<br />

Napoleons Bruder Jérôme, und das Großherzogtum<br />

Berg aneinander. 1810 verleibte<br />

der Franzosenkaiser ganz Nordwestdeutschland<br />

seinem Kaiserreich ein. Die<br />

Folge war, dass sich eine neue Reichsgrenze<br />

quer durchs Ravensbergische zog; diese<br />

trennte die Orte Hörste, Halle und Werther<br />

in jeweils eine kaiserlich-französische und<br />

eine königlich-westfälische Hälfte.<br />

Die modernen Kapitel Gütersloher Kreisgeschichte<br />

wurden geschrieben, als – nach<br />

dem Ende der Napoleonischen Kriege – auf<br />

dem Wiener Kongress (1815) das ganze<br />

Westfalen zu Preußen kam. 1816 entstanden<br />

jene Landkreise, die 156 Jahre hindurch,<br />

bis zur Kreisreform von 1973,<br />

Bestand haben sollten. Unter der einheitlichen<br />

Verwaltung Preußens und im Zeichen<br />

der Technisierung, Mechanisierung<br />

und der um sich greifenden Industrialisierung<br />

vollzog sich jener wirtschaftliche Aufschwung,<br />

der die Entwicklung diese Raumes<br />

entscheidender prägte als alle Raufereien<br />

mittelalterlicher und frühneuzeitlicher<br />

Potentaten um ein ohnehin karges und<br />

kümmerliches Land und eine von Armut<br />

gedrückte Bevölkerung.<br />

Anders als in den Nachbarstädten Bielefeld,<br />

Detmold und Paderborn, Lippstadt<br />

und Soest, Münster und Osnabrück lassen<br />

sich für den Bereich des Kreises Gütersloh<br />

vor diesem einschneidenden Datum keine<br />

bedeutsamen Seiten im Buch der Geschichte<br />

aufschlagen. Die heutige Kreisstadt<br />

Gütersloh, 1825 erst mit Stadtrechten<br />

ausgestattet, war zu Beginn des 19. Jahrhunderts<br />

nicht mehr als ein bescheidenes<br />

Heidedorf mit weniger als 2.500 Einwohnern.<br />

Traditionsreicher dagegen schon die<br />

Stadt Wiedenbrück mit ihrer 1000jährigen<br />

Geschichte. Aber die prägende Ausstrahlung<br />

auf das Umland ging von ihr ebenso<br />

wenig aus wie von der kleinen Fürstenstadt<br />

Rheda oder der eher bescheidenen gräflichen<br />

Residenzstadt Rietberg.<br />

So trat der Gütersloher Raum erst im Zuge<br />

der industriellen Revolution und im Gefolge<br />

neuer, verbesserter Verkehrverbindungen<br />

ans Licht der Geschichte. Strukturelle<br />

Voraussetzungen schuf das an schnellen<br />

Verbindungen ins Rheinland interessierte<br />

Preußen mit dem 1817 begonnenen Ausbau<br />

der Chaussee Minden – Bielefeld –<br />

Dortmund (B 61) und dem Bau der Köln-<br />

Mindener Eisenbahn, die 1847 zum ersten<br />

Mal durch Gütersloh und Rheda dampfte.<br />

Ideenreiches Unternehmertum, Flexibilität<br />

in der Markteinschätzung und klug aufgebaute<br />

Handelsbeziehungen führten diesen<br />

an Rohstoffen und natürlichen Energiequellen<br />

armen Kreis zu wachsender Wirtschaftsblüte.<br />

Ein Beispiel früheren Unternehmertums<br />

bietet das Rietberger Land. 1822 erwarb<br />

der Gutsbesitzer Friedrich Ludwig Tenge<br />

für 225.000 Reichstaler die Grafschaft<br />

Rietberg aus dem Besitz des an seinem jetzt<br />

preußischen Landesteil nicht mehr interessierten<br />

Grafen Aloys von Kaunitz. Tenge<br />

errichtete Mühlen, Sägewerke, Ziegeleien,<br />

zwei Glashütten und eine Papierfabrik.<br />

Und er ließ 1842 zur Verhüttung des in der<br />

Senne gefundenen Raseneisenerzes die<br />

Öfen in der von ihm gegründeten Holter<br />

Eisenhütte anheizen.<br />

Ein ähnlicher Aufbruch vollzog sich an vielen<br />

Orten. 1825 gründete der Kaufmann<br />

Conrad Wilhelm Delius in Versmold die<br />

erste mechanisch betriebene Segeltuchweberei<br />

im Ravensbergischen. 1835 rief der<br />

Gütersloher Buchdrucker Carl Bertelsmann<br />

eine Verlagsdruckerei ins Leben und schuf<br />

so das Fundament für den heute weltweit<br />

agierenden Bertelsmann-Konzern. 1843<br />

nahm Johann Bernard Knöbel in Wiedenbrück<br />

den Fahrzeugbau auf, der bis heute<br />

unter dem Markennamen „Westfalia“<br />

erfolgreich betrieben wird. 1857 gründete<br />

in Gütersloh der Tuchhändler Wilhelm Bartels<br />

eine Seidenweberei.<br />

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts hat sich<br />

die Standortgunst des heutigen Kreises<br />

Gütersloh mit erfolgreichen Firmengründungen<br />

immer neu bewiesen. Am Übergang<br />

ins 21. Jahrhundert stehen als Beispiele<br />

hierfür:<br />

Miele & Cie., Hausgeräte – 1899 von Carl<br />

Miele und Reinhard Zinkann in Herzebrock<br />

als „Centrifugenfabrik“ ins Leben gerufen<br />

und 1907 an den verkehrsgünstigen<br />

Standort Gütersloh verlagert.<br />

Storck, Schokoladen- und Zuckerwaren -<br />

als „Werthersche Dampf-Zuckerwaren-<br />

Fabrik“ 1903 gegründet, mit der sich<br />

Offenheit und Transparenz signalisiert die<br />

Architektur des neuen Kreishauses in<br />

Gütersloh, Anfang 1997 bezogen.<br />

Die Rotunde am Kreishaus Gütersloh mit<br />

Sitzungsbereich in den zwei Obergeschossen<br />

und Kantine im Erdgeschoss.<br />

Wechselnde Ausstellungen finden im<br />

Foyer des Kreishauses Gütersloh ihren<br />

Platz – hier zum Thema „Glaskunst“.<br />

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