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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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Über die Ursachen des Zweiten Weltkrieges 325<br />

gewartet hätte, „Kriegsbeute in Deutschland zu machen" (S. 28f., 789, 798f.).<br />

Wer an diesem Klischee einer längst überholten Propagandathese aus dem Ersten<br />

Weltkrieg heute noch festhalten will, kann wissenschaftlich kaum ernst genommen<br />

werden.<br />

Im Gegensatz zu den finsteren Kriegstreibern in England ist Hitler friedliebend<br />

und stets verständigungsbereit. Ihm liegt an einer echten Zusammenarbeit mit den<br />

Polen, er macht ihnen „großzügige" Angebote, beweist ihren „Herausforderungen"<br />

gegenüber größte Geduld und schließt seinen Pakt mit Stalin 1939 nur, um den<br />

Frieden zu wahren (S. 559ff.). Seine Unterschrift unter die deutsch-englische Erklärung<br />

vom 29. 9. 1938 ist vorbehaltlos im Gegensatz zu der Chamberlains (S. 166).<br />

Ebenso war es schon 1934 beim deutsch-polnischen Pakt. Hitler war es ernst, während<br />

Pilsudskis Haltung „unverhüllt zynisch" war.<br />

In diesem Stil geht es weiter. Lediglich die Polen provozieren Zwischenfälle in<br />

Danzig und an den Grenzen. Der nationalsozialistische Senatspräsident in Danzig<br />

und Hitlers allgemein als scharfmacherisch bekannter Danziger Gauleiter Forster<br />

verhalten sich maßvoll und sind „verständigungsbereit", während der polnische<br />

Hochkommissar Chodacki ein „arroganter herausfordernder Chauvinist" ist (S. 86f.<br />

und 353). Die umstrittensten aller Appeasement-Politiker, der französische Außenminister<br />

Bonnet und der englische Botschafter in Berlin, Henderson, die Hitler um<br />

nahezu jeden Preis den Frieden abzukaufen gewillt waren, werden gelobt. In starkem<br />

Kontrast zu dem tüchtigen Ribbentrop sind die deutschen Botschafter in London,<br />

Paris, Warschau und Moskau samt und sonders „unfähig", allenfalls „Möchtegern-Kapitäne",<br />

ihr Können ist nicht groß (S. 110f., 335, 473, 532, 538, 573, 648f.).<br />

Hier spürt man freilich allzu deutlich den Einfluß der Ressentiments des Außenministers<br />

Ribbentrop gegenüber den langgedienten Berufsdiplomaten seines Amtes,<br />

zumal gleichzeitig die junge nationalsozialistische Garde Ribbentrops, die Hesse und<br />

Lueck, gelobt werden.<br />

Daß Roosevelt stets in den schwärzesten Farben gemalt wird, wird nach dem<br />

bisher Gesagten kaum verwundern. Aber es charakterisiert den „wissenschaftlichen "<br />

Stil von Hoggans Arbeit, wenn er z. B. ausführlich darstellt, Roosevelt habe, als er<br />

im September 1938 stark an Schnupfen litt, erklärt, daß er „Hitler am liebsten<br />

umbringen und die Nase abschneiden möchte". Hoggan kommentiert diesen nichtssagenden<br />

Temperamentsausbruch mit deutlich erhobenem moralischen Zeigefinger:<br />

„Es war wenig erbaulich, in dem Oberhaupt Amerikas einen Mann zu erkennen,<br />

der sich mit dem Wunsch brüstete, einen fremden Staatsmann mit eigenen Händen<br />

umzubringen" (S. 139 und S. 137ff., 585, 732f.). An anderer Stelle betont er<br />

dann, deutlich auf dies Zitat bezugnehmend, daß sich in Deutschland niemals die<br />

Frage nach der Ermordung Churchills oder Roosevelts erhob, denn „die Nationalsozialisten<br />

lehnten den Mord als politische Waffe gegen ein herrschendes System<br />

grundsätzlich ab" (S. 813 Anm. 32). Welch gelenke Verharmlosung der Bereitschaft<br />

zur Ermordung von einzelnen oder von Massen, die sich allerdings mehr an innerpolitischen<br />

Gegnern - wirklichen oder angeblichen - betätigte, aber auch in die<br />

Außenpolitik einwirkte, wie etwa im Anschlag auf Dollfuß! Offenbar weiß Hoggan

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