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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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Zur Lage der Politischen Wissenschaft in Deutschland 227<br />

Die Initiative zur Errichtung von Lehrstühlen <strong>für</strong> Politik ist nach dem Krieg vorwiegend<br />

von einzelnen Bundesländern und von den bestehenden Hochschulen <strong>für</strong><br />

Politik, weniger von den Universitäten selbst ausgegangen. Hessen, Hamburg, Berlin,<br />

später Baden-Württemberg haben hier eine führende Rolle gespielt 6 . Für die<br />

Einführung des neuen Faches sind wohl zunächst vorwiegend politisch-pädagogische<br />

Gründe maßgebend gewesen: der Wunsch, die Staatsbürger - und vor allem die<br />

studierende Jugend - gegen gefährliche Nachwirkungen des Totalitarismus zu immunisieren;<br />

das Bestreben, durch politische Aufklärung einen Beitrag zur Stabilisierung<br />

der demokratischen Lebensform zu leisten und so der Bundesrepublik das<br />

Schicksal der Weimarer Demokratie zu ersparen 7 . Es lag in gleicher Richtung,<br />

wenn später einige Länder - so Hessen, die Hansestaaten, Niedersachsen, Schleswig-<br />

Holstein, Berlin und Baden-Württemberg — einen Sozialkunde- oder Gemeinschaftskundeunterricht<br />

an den Höheren Schulen einführten — eine Maßnahme, die wiederum<br />

die Etablierung der Politischen Wissenschaft an den Universitäten begünstigt<br />

hat. Wenn auch keineswegs alle oder auch nur die Mehrzahl der nach dem<br />

Krieg errichteten Lehrstühle ihre Entstehung solchen pädagogischen und schulpraktischen<br />

Erwägungen verdankten 8 , so herrscht doch kein Zweifel, daß die Rükkendeckung,<br />

die das Fach in der öffentlichen Meinung und bei den politischen Instanzen<br />

fand, seine akademische Ausbreitung wesentlich erleichtern half — ihm<br />

freilich auch einen stark pragmatisch-pädagogischen Zug aufprägte, der ausländischen<br />

Beobachtern bis zur Stunde immer wieder als eine besondere Eigentümlichkeit<br />

der deutschen Politischen Wissenschaft aufgefallen ist 9 .<br />

Daß ein großer Teil der nach dem Krieg neuerrichteten Lehrstühle das Fach<br />

der Politik nicht gesondert, sondern in Verbindung mit anderen Fächern<br />

vertrat — noch heute sind mehr als ein Viertel der westdeutschen Politiklehrstühle<br />

sogenannte Kombinationslehrstühle 10 -, erklärt sich ebenso aus der Neuheit und<br />

der daraus herrührenden Anlehnungsbedürftigkeit des Fachs wie aus der Tatsache,<br />

daß die ersten Lehrstuhlinhaber durchweg aus anderen Wissenschaften - der Historie,<br />

der Soziologie, dem öffentlichen Recht, der Philosophie - oder aus der politischen<br />

bzw. journalistischen Praxis keimen; denn ein geregeltes Studium der Politischen<br />

Wissenschaften an Universitäten hatte es ja im Deutschland der Weimarer<br />

6<br />

So ist z. B. die Einladung zu der Konferenz von Waldleiningen, die erstmals die Errichtung<br />

von Lehrstühlen der politischen Wissenschaften empfahl, von der Hessischen Landesregierung<br />

ausgegangen; vgl. Protokoll (siehe oben Anm. 3) S. 155f., 159ff.<br />

7<br />

A. a. O., S. 93ff. u. 106ff.<br />

8<br />

So sind z. B. die an den Universitäten Nordrhein-Westfalens und Bayerns errichteten<br />

Lehrstühle bis heute fast ohne jede Verbindung mit praktischen Aufgaben der Lehrerbildung,<br />

der politischen Bildung usw. geblieben; ähnlich in Niedersachsen, Hamburg, z. T. auch<br />

(noch) in Berlin.<br />

9<br />

Vgl. Alfred Grosser, Die politisch-wissenschaftliche Forschung in Frankreich, in:<br />

Politische Forschung (siehe Anm. 3), S. 48.<br />

10<br />

So etwa in Berlin (u. a.: Staatslehre und Politik, Politik und Neuere Geschichte), Freiburg<br />

(Politik und Soziologie), Göttingen (Politische Wissenschaft und Allgemeine Staatslehre),<br />

Kiel (Wissenschaft und Geschichte der Politik).

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