Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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316 Gotthard Jasper<br />
Taylor freilich sieht den „Zweck der ganzen Operation", der Entlassungen von<br />
Neuraths, Fritschs und Blombergs sowie des Revirements im AA darin, „daß nun<br />
der Rücktritt Schachts, unter den anderen Veränderungen versteckt, eingeschmuggelt<br />
werden konnte" (S. 187). Gegen diese groteske Verzeichnung - einen innerpolitischen<br />
„Sturm" konnte Schachts Ausscheiden gewiß nicht entfesseln 9 - wird<br />
man die Bedeutung der Fritschkrise darin zu sehen haben, daß mit der nun erreichten<br />
organisatorischen Gleichschaltung des Heeres und mit der Neuorganisierung<br />
der Wehrmachtspitze unter Hitlers Oberbefehl <strong>für</strong> die Zukunft eine reibungslosere<br />
Bereitstellung des Militärapparates des Dritten Reiches zur Durchführung<br />
Hitlerscher Raumeroberungspläne sichergestellt werden sollte. Eine zutreffende und<br />
eindringende Analyse des Verlaufes und Ergebnisse dieser innerpolitischen Vorgänge<br />
vermag daher durchaus Aufschlüsse zu vermitteln über die Ernsthaftigkeit<br />
der von Hitler am 5. 11. 1937 entwickelten außenpolitischen Ziele.<br />
Die Spitzengremien der Wehrmacht haben denn auch die Ausführungen ihres<br />
Führers sofort in ihre strategischen Planungen aufgenommen 10 . Noch im Dezember<br />
wurde Hitler ein „1. Nachtrag zur Weisung <strong>für</strong> die einheitliche Kriegsvorbereitung<br />
der Wehrmacht vom 24. 6. 1937" zur Unterschrift vorgelegt. Diese Neufassung<br />
betraf vor allem den sog. Fall „Grün", den Aufmarschplan gegen die Tschechei.<br />
War dieser bisher lediglich ein - wenn auch präventiver - Teil einer insgesamt<br />
defensiv bestimmten Planung, so wurde er jetzt in den Mittelpunkt gestellt und<br />
verlor seinen defensiven Charakter. In engster Anlehnung an den Vortrag Hitlers<br />
vom 5. 11. 1937 hieß es nun:<br />
„Hat Deutschland seine volle Kriegsbereitschaft auf allen Gebieten erreicht, so<br />
wird die militärische Voraussetzung geschaffen sein, einen Angriffskrieg gegen die<br />
Tschechoslowakei und damit die Lösung des deutschen Raumproblems auch dann<br />
zu einem siegreichen Ende zu führen, wenn die eine oder andere Großmacht<br />
gegen uns eingreift . . . Tritt aber eine Lage ein, die durch Englands Abneigung<br />
gegen einen allgemeinen europäischen Krieg, durch seine Uninteressiertheit an<br />
dem mitteleuropäischen Problem und durch einen zwischen Italien und Frankreich<br />
im Mittelmeer ausbrechenden Konflikt die Wahrscheinlichkeit schafft, daß Deutschland<br />
außer Rußland keinen weiteren Gegner an der Seite der Tschechoslowakei<br />
Führers erneut überdeutlich gemacht und wurde darum mit zu einem Anstoß <strong>für</strong> Hitler, sich<br />
von Fritsch zu trennen. In diesem Sinne gehören die Hoßbach-Besprechung und die Fritschkrise<br />
zusammen und fällt von der letzteren durchaus ein Licht auf Hitlers Ausführungen vom<br />
5. November 1937, in dem diese nicht mehr als „Wachträume" erscheinen. Vgl. dazu Hermann<br />
Foertsch, Schuld und Verhängnis. Stuttgart 1951, S. 75 ff. sowie in Korrektur zu Gackenholz<br />
a. a. O. Peter Graf Kielmansegg, Die militärisch-politische Tragweite der Hoßbach-<br />
Besprechung. In dieser Zeitschrift 8 (1960), S. 268ff.<br />
9 Schacht legte schon im November 1937 sein Amt als Wirtschaftsminister nieder und<br />
schied erst im Januar 1939 auch als Reichsbankpräsident aus. Eine Eintragung aus dem Jodl-<br />
Tagebuch vom 31. 1. 1938 erhellt deutlich die Unhaltbarkeit von Taylors These, daß mit dem<br />
Rücktritt Schachts weder die Hoßbach-Besprechung noch die Fritschkrise hinreichend erklärt<br />
werden kann: „Führer will die Scheinwerfer von der Wehrmacht ablenken, Europa in Atem<br />
halten und durch Neubesetzung verschiedener Stellen nicht den Eindruck eines Schwächezustandes,<br />
sondern einer Kraftkonzentration erwecken." Zitiert von Foertsch a. a. O., S. 103.<br />
10 Vgl. dazu Gackenholz a. a. O., S. 476ff.