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Albvereinsblatt_2006-4.pdf

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Schauplatz<br />

Wangen im Allgäu<br />

Vom Allgäu kennt man ja den bitterbösen<br />

Spruch, dass es da beginne, wo die Kühe allmählich<br />

schöner seien, als die Mädchen. Alles<br />

dummes Zeugs natürlich. Vielleicht entspringt<br />

diese Behauptung viel mehr dem Neid der Besitzlosen.<br />

Denn das Allgäu ist schön: die sanft<br />

hügelige Landschaft, die saftig grünen Wiesen,<br />

die Kühe, die hier glücklicherweise noch auf<br />

der Weide grasen dürfen, der blaue Himmel,<br />

die schneebedeckten Berge als filmreife Kulisse im Hintergrund<br />

und, als ob dies noch nicht genug wäre, dann auch<br />

noch die prachtvoll herausgeputzten altehrwürdigen Städte.<br />

Wie zum Beispiel die ehemalige Freie Reichsstadt Wangen.<br />

Immerhin vom Jahr 1286 (was einem Privileg des Königs<br />

Rudolf von Habsburg zu verdanken war) bis Ende des<br />

Jahres 1802 – also gut und gerne ein halbes Jahrtausend<br />

lang – durfte die Freie Reichsstadt Wangen im Allgäu somit<br />

als eine Art Miniaturstaat gelten. Die zudem mit Sitz und<br />

Stimme im Reichsfürstenrat des Heiligen Römischen Reiches<br />

Deutscher Nation versehen war.<br />

Direkt an der Schnittstelle von bedeutenden Handelswegen<br />

gelegen, die von Lindau nach Isny und Kempten beziehungsweise<br />

in die reiche Kaufmannsstadt Ravensburg<br />

geführt haben, hat sich Wangen prächtig entwickelt. Erst Napoleon<br />

hat der schönen Reichsstadtherrlichkeit dann den<br />

Garaus gemacht und das stolze Wangen dem damaligen<br />

Kurfürstentum Bayern einverleibt. Und die Bayern haben<br />

sich dieses Geschenk weidlich zunutze gemacht. Nach allen<br />

Regeln der Kunst wurde die ehemals reiche Stadt ausgeplündert.<br />

So, wie es gerade die Bayern zu dieser Zeit bekanntermaßen<br />

auch in anderen Regionen gemacht haben:<br />

Denken wir nur an Franken, samt seinen ehemals bedeutenden<br />

Reichsstädten Rothenburg ob der Tauber oder Dinkelsbühl.<br />

Auch diese Regionen sind seinerzeit regelrecht<br />

verarmt. Und haben überdies bis heute bayerisch bleiben<br />

müssen – wenngleich auch dort heutzutage (natürlich) alles<br />

besser geworden ist. Wangen hingegen hatte so gesehen<br />

noch das Glück, im Jahr 1810 an das neu entstandene Königreich<br />

Württemberg zu fallen, wobei freilich jedoch ein<br />

Großteil seines einstigen Staatsgebietes bis auf den heutigen<br />

Tag bei Bayern bleiben musste.<br />

Eine Liebesheirat war die Eingliederung nach Württemberg<br />

aber keinesfalls, genauso wenig wie die sonstigen Einverleibungen<br />

des dicken Königs Friedrich in Oberschwaben.<br />

Denn dort „hinten“ praktizierte man ja den katholischen<br />

Glauben und lebte nach einer damit einhergehenden eher<br />

barocken Lebenslust. Während es im lutherisch-pietistischen<br />

Thomas Pfündel<br />

13<br />

Frauentor in Wangen<br />

Württemberg doch eher nüchtern zugegangen ist. Mittlerweile<br />

– immerhin nach nunmehr beinahe 200 Jahren – hat<br />

man sich aber weitestgehend arrangiert. Auch wenn es in<br />

und um Wangen immer noch etwas gemütlicher zugeht, als<br />

beispielsweise im hektischen Mittleren Neckarraum.<br />

Wer die Allgäuer Lebensart einmal selbst verschmecken will<br />

und zwar im wahrsten Sinn des Wortes, dem sei ein Besuch<br />

beim legendären Fidelisbaeck empfohlen. Dort gehört es<br />

schlichtweg zum guten Ton, einen Leberkäs zu bestellen,<br />

dazu eine Seele und ein Bier. Das schmeckt dort so gut, dass<br />

es angeraten ist, sehr früh zu erscheinen, notfalls eben gleich<br />

nach dem Frühstück. Denn beim Fidelisbaeck herrscht immer<br />

Hochbetrieb, erst recht natürlich an Markttagen. Schon<br />

im Jahr 1505, also vor nunmehr über 500 Jahren, ist diese<br />

Bäckerei nachweislich erstmals erwähnt worden. Im Laufe<br />

der Zeit hat man irgendwann anstelle von Brezeln und Seelen<br />

eben auch einmal einen Leberkäs in den Ofen geschoben<br />

und schnell gemerkt, dass der in so einer Backröhre<br />

ganz besonders gut und knusprig wird. Weil im 18.Jahrhundert<br />

zwei der Inhaber auf den Namen Fidel getauft waren,<br />

hat die Bäckerei dann ihre bis heute gültige Bezeichnung<br />

„Fildelisbaeck“ abbekommen.<br />

Unser nächster Besuch führt uns auf den höchsten Berg von Württemberg,<br />

zumindest nennt man ihn im Volksmund so. Bekannt sind aber<br />

auch die Bezeichnungen Tränenberg oder Demokratenbuckel – im Hinblick<br />

auf zahlreiche Württemberger, die hier oben aufgrund ihrer freiheitlichen<br />

Gesinnung eingekerkert waren. Wenn Sie wissen, welcher Berg<br />

gemeint ist, dann schreiben Sie es bitte auf einer Postkarte an die Blätter<br />

des Schwäbischen Albvereins, Waldburgstrasse 48, 70563 Stuttgart.<br />

Einsendeschluss ist der 24. Juli <strong>2006</strong>.<br />

Zu gewinnen gibt es Gunter Haugs historischen Roman „Die Rose ohne<br />

Dorn – Irene von Byzanz, die Königin des Hohenstaufen“. Die Rätselfrage<br />

aus dem letzten Heft hat Magda Banzhaf aus Kirchheim/Teck<br />

gewonnen.

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