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Albvereinsblatt_2006-4.pdf

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Magere Flachlandmähwiesen, Halsbandschnäpper und Co.<br />

FFH- und Vogelschutzgebiete in<br />

kontroverser Diskussion<br />

Von Dr. Irene Severin und Reinhard Wolf<br />

Zu den „klassischen“ und altbekannten Schutzgebietsformen<br />

wie Naturschutzgebiete, Landschaftsschutzgebiete<br />

und Naturdenkmale sind bereits vor längerem zwei EU-<br />

Kategorien hinzugekommen: die Vogelschutzgebiete (auf<br />

der Grundlage einer EU-Richtlinie von 1979) und die FFH-<br />

Gebiete (EU-Richtlinie von 1992). Die drei Buchstaben<br />

FFH stehen für Fauna, Flora und Habitat, die internationalen<br />

Begriffe für Tierwelt, Pflanzenwelt und Lebensraum.<br />

Lange Jahre hörte man wenig oder nichts von diesen<br />

Schutzgebieten – seit einiger Zeit allerdings sind sie, vor<br />

allem im Albvorland in den Landkreisen Esslingen und<br />

Göppingen, aber auch auf der Südwestalb, in heftiger öffentlicher<br />

Diskussion. Was steckt dahinter? Was muss man<br />

wissen, um mitreden zu können?<br />

Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich<br />

verpflichtet, ein Schutzgebietsnetz NATURA 2000 zu schaffen,<br />

das bestimmte Lebensraumtypen und seltene Tierund<br />

Pflanzenarten in deren natürlicher Umgebung sichert.<br />

Ein genaues Regelwerk legt fest, dass die Verpflichtung in<br />

erster Linie dort umzusetzen ist, wo sich die Hauptvorkommen<br />

europaweit gefährdeter Arten befinden. In Baden-Württemberg<br />

finden sich von den 172 Lebensraumtypen<br />

der FFH-Richtlinie 51 in schützenswerter Ausprägung,<br />

allen voran die Buchenwälder, die europaweit nirgends so<br />

gut ausgeprägt vorkommen wie bei uns auf der Schwäbischen<br />

Alb. Aber auch „Magere Flachlandmähwiesen“ – so<br />

der offizielle Begriff, vereinfacht gesagt: blumenbunte Wiesen<br />

– und Bäche mit Wasserpflanzen sind seltene, schutzwürdige<br />

Lebensräume, um nur zwei Beispiele zu nennen.<br />

Als schutzbedürftige Arten nach der FFH-Richtlinie seien<br />

beispielhaft die Gelbbauchunke und die Bechsteinfledermaus<br />

angeführt. Von den 181 in der Vogelschutzrichtlinie<br />

aufgeführten Vogelarten brüten 39 in Baden-Württemberg;<br />

darüber hinaus sind 36 Zugvogelarten auf Rastmöglichkeiten<br />

bei uns angewiesen.<br />

Das Besondere an den FFH- und Vogelschutzgebieten ist,<br />

dass die EU auf einen konsequenten und geradezu kompromisslosen<br />

Schutz drängt. Von den zu schützenden Lebensraumtypen<br />

und den Vorkommen schutzbedürftiger Vogelarten<br />

müssen jeweils die „geeignetsten Gebiete“ gemeldet<br />

werden, diese dann aber vollständig – dass<br />

beispielsweise Bauerwartungsland ausgeklammert wird, wie<br />

dies bei Landschaftsschutzgebieten gang und gäbe ist, wird<br />

von der EU nicht akzeptiert. Die Gebietsmeldungen haben<br />

ausschließlich nach naturkundlich-fachlichen Kriterien zu<br />

erfolgen; der Ermessensspielraum ist nahezu Null. – Diese<br />

Vorschriften, aus Naturschutzsicht durchaus verständlich,<br />

sind der Hauptgrund dafür, dass die Thematik so viel<br />

Zündstoff in sich birgt!<br />

Im Vergleich zu anderen Mitgliedsstaaten ist die Bundesrepublik<br />

Deutschland nur zögerlich ihren Meldepflichten<br />

4<br />

Bürgerprotest gegen die EU-Vogelschutzgebiete im Albvorland:<br />

Vor der großartigen Kulisse des Hohenneuffen wird an<br />

zentraler Stelle in Neuffen der Halsbandschnäpper – die<br />

Vogelart, um die es bei diesem Schutzgebiet in erster Linie<br />

geht – „an den Pranger gestellt“.<br />

nachgekommen; die EU musste sogar Sanktionen androhen.<br />

Auch Baden-Württemberg ließ sich mehrfach mahnen,<br />

bevor die Gebietsmeldungen in akzeptabler Form vorgelegt<br />

wurden. Bei Vogelschutzgebieten besteht sogar weiterer<br />

Nachmeldebedarf, so verlangt die EU insbesondere<br />

Schutzzonen für den Halsbandschnäpper, den Rot- und<br />

den Schwarzmilan, drei Arten, die in unserem Bundesland<br />

europaweit ihre Hauptvorkommen haben.<br />

Der Halsbandschnäpper, um nur dieses eine besonders<br />

markante Beispiel herauszugreifen, brütet in alten Obstbaumwiesen,<br />

die bekanntlich oft bis an die Siedlungsgrenzen<br />

heranreichen. Das Hauptvorkommen befindet sich<br />

im Obstwiesengürtel des Albvorlandes; ein weiteres nicht<br />

zu vernachlässigendes Gebiet ist das Remstal. Brutnachweise<br />

dieses relativ unscheinbaren und wenig bekannten<br />

Vertreters unserer Vogelwelt finden sich gelegentlich in<br />

Flächen, für die kurz- oder längerfristig Bauabsichten bestehen.<br />

Reinhard Wolf

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