Albvereinsblatt_2009-1.pdf
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Schauplatz Tengen<br />
»Engen, Tengen, Blumenfeld – sind die schönsten Städt` der<br />
Welt.« So lautet ein weithin bekannter Reim, der drei im Hegau<br />
gelegenen Städtchen rühmt. In der Tat stellt die ganze<br />
Landschaft hier, in der wir die Ausläufer der Hegauvulkane<br />
bewundern können, eine wahre Augenweide dar. Im Süden<br />
der Bodensee, etwas weiter entfernt schimmern an klaren<br />
Tagen die schneebedeckten Gipfel der Schweizer Alpen auf,<br />
die wunderschön herausgeputzten Städte mit den charakteristischen<br />
Staffelgiebelfassaden. Ein ganz besonderes Unikum<br />
inmitten dieser kleinräumigen Pracht ist das Städtchen<br />
Tengen, das im Grunde genommen aus drei früher selbstständigen<br />
Kleinstgemeinden besteht, nämlich aus der eigentlichen<br />
Stadt Tengen, Tengen-Dorf und schließlich der<br />
Stadt Tengen-Hinterburg, die zwar nur 45 Einwohner hatte,<br />
aber sich dennoch bis zum Jahr 1876 der Tatsache rühmen<br />
durfte, eine selbständige Stadt zu sein. Nur einen Steinwurf<br />
weit entfernt liegt die heute ebenfalls zu Tengen gehörende<br />
Stadt Blumenfeld, ehedem ein wichtiger Stützpunkt des<br />
Deutschen Ordens, dessen Spuren sich noch heute in dem<br />
schönen Blumenfelder Schloss aufspüren lassen. Eine wichtige<br />
Rolle in diesem Landstrich haben früher die Grafen von<br />
Tengen gespielt, über die in der Zimmernschen Chronik viele<br />
schöne Geschichten niedergeschrieben sind. Vor allem<br />
die Erlebnisse des Grafen Christoph von Tengen, einem offenbar<br />
unglaublich dicken Menschen, den man aus guten<br />
Gründen »den großen Grafen« nannte, sind der Erwähnung<br />
wert. Mit ihm ist das stolze Geschlecht dann auch ausgestorben,<br />
nachdem er sich aus finanziellen Gründen gezwun -<br />
gen sah, seine Herrschaft im Jahr 1522 an Kaiser Karl V. zu<br />
verkaufen.<br />
Die Ursache dafür war nach Jahren der Misswirtschaft schließlich<br />
ein Feuer im Tengener Schloss. Der Graf hatte noch spät<br />
am Abend ein Bad genommen und nicht richtig auf das Feuer,<br />
mit dem das Badewasser erwärmt worden war, geachtet.<br />
Kaum hatte er sich zu Bett begeben und lag um Mitternacht<br />
im ersten Schlaf, da breitete sich ein Brand im Schloss aus,<br />
den er zum Glück jedoch erschnupperte. Er erwachte und<br />
sah die Bescherung! Doch das Feuer war schon so weit fortgeschritten,<br />
dass es nicht mehr zu löschen war. Mit knapper<br />
Not gelang es ihm, seine Frau zu alarmieren und sie in Sicherheit<br />
zu bringen. Doch das Schloss selbst brannte nieder.<br />
Die Gräfin, so vermerkt die Chronik, konnte außer ihrem<br />
eigenen Leben nicht mehr als »eine Schlafhaube und<br />
das Hemd« retten. Auch alle wichtigen Briefe und Dokumente<br />
der bedeutenden alten Herrschaft Nellenburg-Tengen<br />
wurden in dem Feuer vernichtet.<br />
Einmal war Graf Christoph als Brautwerber tätig gewesen<br />
und hatte versucht, eine Heirat zwischen dem verwitweten<br />
Wilhelm Werner von Zimmern und dem adeligen Fräulein<br />
Margarethe zustande zu bringen. Wilhelm Werner willigte<br />
ein, und so ritt er zusammen mit Graf Chri stoph zu seiner<br />
künftigen Frau. Als ihn jedoch zunächst die Mutter der Heiratskandidatin,<br />
eine ebenfalls verwitwete Dame, erblickte,<br />
gefiel er ihr so gut, dass sie alles tat, um ihm den Kopf zu<br />
17<br />
Das Stadttor ist eines der Wahrzeichen von Tengen.<br />
verdrehen und mit ihrem angeblich vorhandenen Vermögen<br />
zu winken. Rasch änderte Wilhelm Werner daraufhin seine<br />
ursprüngliche Absicht und erkor nun die Mutter anstelle der<br />
Tochter zur Ehefrau. Sehr zum Verdruss seiner eigentlichen<br />
Verlobten. Graf Christoph jedoch erhob keine Einwände,<br />
denn er konnte sich ja nach wie vor als erfolgreichen Braut -<br />
werber feiern lassen. Womit wir beim alljährlich um das letzte<br />
Oktoberwochenende herum veranstalteten Schätzele-<br />
Markt von Tengen angelangt sind. Es handelt sich um eines<br />
der ältesten und größten Volksfeste im ganzen Land, das<br />
sich bis zum Jahr 1291 zurückverfolgen lässt. Weshalb Schätzele-Markt?<br />
Ganz einfach: weil dort so mancher Bursche und<br />
manches Mädchen früher (und manchmal auch heute noch)<br />
seinen Schatz fürs Leben gesucht und gefunden hat. Also:<br />
Tengen ist wirklich eine Reise wert, und die anderen Orte<br />
ebenfalls, was die Nachbarschaft im Hegau natürlich nicht<br />
hat ruhen lassen und den schönen Vers folgendermaßen<br />
verlängert hat: »Engen, Tengen, Blumenfeld, sind die schönsten<br />
Städt` der Welt – doch wär Singen nicht dabei, wär es<br />
nichts mit allen drei«.<br />
Diese Behauptung wollen wir lieber einmal unkommentiert<br />
stehen lassen und wenden uns lieber dem nächsten Ausflugsziel<br />
zu, einer Stadt im Schwäbischen Wald, die sich rühmen<br />
darf, das größte Fachwerkgebäude unseres Landes in<br />
ihren Mauern zu beherbergen. Es handelt sich um das<br />
Schloss einer Familie, die als »Schenken« in die Geschichte<br />
eingegangen sind.<br />
Wenn Sie die Lösung wissen, dann schreiben Sie diese bitte auf einer<br />
Postkarte an die Blätter des Schwäbischen Albvereins, Waldburgstrasse<br />
48, 70563 Stuttgart. Einsendeschluss ist der 26. Januar <strong>2009</strong>. Zu<br />
gewinnen gibt es diesmal Gunter Haugs neuen Roman »So war die Zeit<br />
– Lebensgeschichten aus den Aufbaujahren«. Die Rätselfrage aus dem<br />
letzten Heft hat Marianne Grüninger aus Tübingen gewonnen.<br />
Wilhelm Rößler