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BOGART 18 (BeOurGuestARTist)

Das Gießener Mitmachmagazin für Creative – Aktuelles und Zeitloses aus Kunst-Kultur-Comic

Das Gießener Mitmachmagazin für Creative
– Aktuelles und Zeitloses aus Kunst-Kultur-Comic

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BE OUR GUEST, , ARTIST!<br />

<strong>BOGART</strong><br />

Aktuelles und<br />

Zeitloses aus Kunst, Kultur & Comic<br />

DAS GIESSENER<br />

MITMACHMAGAZIN<br />

FÜR CREATIVE<br />

Nr. <strong>18</strong> - 2013/14 | Dez./Jan./Feb.<br />

6/7. Jahrgang | € 3,90<br />

© Reinhard Müller-Rode<br />

RAINER MÜLLER:<br />

Erhabene Strukturen<br />

in markanten Materialien<br />

ALEX HEITZ:<br />

Lebendige Bilder<br />

ganz eigener Art<br />

IM DUTZEND DRECKIGER:<br />

ComicheldInnen<br />

zwischen Gut und Böse


INHALT<br />

KUNST – KULTUR<br />

INSIDE <strong>BOGART</strong>: Rückblick · Einblick · Ausblick<br />

RAINER MÜLLER: Erhabene Strukture in markanten...<br />

SINGER/WOSILAT/WICKLEIN: "Madrina della Luce III"<br />

ALEX HEITZ: Lebendige Bilder ganz eigener Art<br />

RALF SCHWEIGER: "Mitmenschen"<br />

HMK-Poster: "Everybody 's playing Pop-Muzik"<br />

Heimische LiedermacherInnen: Immer unterwegs<br />

WERKSTATT OGONJOK: Der Pfeil der Freiheit<br />

POPCORNER: G. Martin und die Abbey Road-Studios<br />

MUSENKELLER: Beifall ist des Künstlers Lohn<br />

BUCH ZUM 50.: Til Schweiger - Der Mann, der bewegt<br />

FRANKFURTER BUCHMESSE: Klös, Göttlicher, Siller<br />

WINTER 2013/14: Gizmorians-3-Mon.-Kalendarium<br />

– COMIC<br />

FRANKFURTER BUCHMESSE: Faszination Comic<br />

SUPERCHATTER (3): Law & Order in der Plockstraße<br />

100 JAHRE COMIC: Von Altamira nach Entenhausen II<br />

Im Dutzend dreckiger: ComicheldInnen zwischen gut...<br />

Li'l Sushi goes Yokohama...: "Broken Blossom-...."<br />

Die nächste Ausgabe erscheint<br />

am 1. März 2014<br />

4<br />

6<br />

8<br />

12<br />

14<br />

16<br />

<strong>18</strong><br />

20<br />

21<br />

22<br />

23<br />

24<br />

25<br />

26<br />

27<br />

28<br />

30<br />

32<br />

mal ernsthaft<br />

mal rätselhaft<br />

mal augenzwinkernd<br />

<strong>BOGART</strong><br />

<strong>BeOurGuestARTist</strong><br />

Das Gießener Mitmachmagazin für Creative<br />

Redaktion, Gestaltung und Realisation:<br />

Reinhard Müller-Rode<br />

c/o MediaART-Werbung<br />

Lonystraße 19, 35390 Gießen<br />

Tel.: 0641.9845451, email: r.mr@gmx.de<br />

Mitarbeit:<br />

Hans-Michael Kirstein,<br />

Sascha A. Wanke, GIZMORIAN<br />

www.gi-mix.de/bogart<br />

Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Reinhard Müller-Rode<br />

© 2012 für alle Beiträge liegt beim Verlag bzw. den Autoren; alle<br />

Rechte vorbehalten. Die auf § 49 UrhG gestützte Übernahme<br />

von Artikeln in gewerbliche Pressespiegel bedarf der vorherigen<br />

schriftlichen Zustimmung des Verlags.<br />

EDITORIAL<br />

3Steps<br />

| Schlammbeisser mbe<br />

er<br />

|R<br />

River rT<br />

Tales s|<br />

Giessen en 2012 2(<br />

(Schlachthof/Konrad-Adenauer-Brücke)<br />

hth<br />

hof/<br />

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na<br />

-Brück<br />

e)<br />

Hielten einst Kanalarbeiter mit ihrem Werkzeuggestänge die Gießener Gassen von Müll, Unrat<br />

und Fäkalien fern, sorgen inzwischen die neuzeitlichen "Schlammp-Eiser" mit Farbroller und<br />

Spraydosen dafür, dass hierorts marodierende Gebäudefl ächen nicht "beschissen" aussehen.<br />

– Aus der in 80ern von New York ausgehenden Subkultur hat sich Graffi ti zur zeitgenössischen<br />

Kunst weiter entwickelt, die Werbung, Medien und Mode innovativ beeinfl usst. So setzen die<br />

lokalen Protagonisten von "3Steps" ihre langjährige freikünstlerischer Erfahrung seit 2012 auch für<br />

"klassische" Kampagnen in eigener Werbeagentur (Bleichstraße) um. Gemäß der Intention von<br />

Street-Art bleibt auch in Gießen das wertschöpferische Spiel mit Formen, Farben und Inhalten gemäß<br />

manischer Mundart für die Öffentlichkeit frei zugänglich: "Tsch' dickno Lowi" ("Für wenig Geld")...<br />

flusssgeschichten.de | 3steps.de<br />

Werbung ist Kunst. Kunst ist Werbung.<br />

"Warum ist Werbung Kunst, Herr Schirner?" – "Weil ich sie dazu<br />

erklärt habe. Die Werbung hat heute die Funktion übernommen,<br />

die früher die Kunst hatte: die Vermittlung ästhetischer Inhalte ins<br />

alltägliche Leben," äußerte der Werbe-Guru schon 1985 im FAZ-<br />

Gespräch mit S. Turner.<br />

'Werbung ist für uns heute eine Kombination aus zielgerichteter<br />

Funktionalität und dekorativer Ornamentik. Zudem unterliegt<br />

sie dem profanen Diktat der Marktwirtschaft, welches wir in<br />

ungebrochener Naivität für die Kunst negieren. Im Unterschied zu den schönen<br />

Künsten sehen wir in der Werbung kein Medium zur Verfolgung höherer Ziele und<br />

auch keinen Ausdruck tiefgründiger Ideen," beschreibt Raymund Heller eine<br />

Hierarchie, die bis heute gültig ist, deren Normen und Regeln Charles Wilp<br />

kalkuliert durchbrochen hat.<br />

Im Versuch Werbung ein positives Image<br />

zu verpassen, wurde die Ausstellung “Le<br />

Communique” von Leo Burnett an einem Uni-<br />

Campus inszeniert. Jedes ausgestellte Werk<br />

war eine Werbeanzeige, der einfach das Logo<br />

der werbenden Firma entzogen wurde. Und<br />

schon waren die bildgewaltigen und klugen<br />

Werke Kunst, die von den selben Studenten,<br />

die keine Zukunft für (sich in der) Werbung<br />

sehen, bestaunt wurden (Quelle: danielrehn.<br />

wordpress.com).<br />

Die seit 1983 selbständige Künstler und<br />

Publizisten arbeitnehmerähnlich in der Krankenund<br />

Rentenversicherung bezuschussende<br />

KSK (kuenstlersozialkasse.de) reiht bildende, "Nimm mit! - Kost' nix!": Die neue<br />

musische, darstellende, schreibende und Kunstkarten-Galerie in der KATE.<br />

werbende Tätigkeit übrigens gleichrangig ein.<br />

Mit Werbung à la ART sorgt auch das neue mediale Freikarten-Projekt<br />

goGIESSENcards als Symbiose von Könnern und Gönnern für wechselseitige<br />

Wertschätzung und -schöpfung. Die in regelmäßigen Abständen neu bespielte<br />

Wandgalerie hat sich inzwischen an vielen lokalen Szenetreffs als "Mini-Museum"<br />

öffentlichkeitswirksam etabliert. – Und <strong>BOGART</strong> hängt an diesem grandiosen<br />

Marketing-Konzept in Reinkultur mit dran...<br />

Reinhard Müller-Rode<br />

Das Mitmachmagazin für Creative<br />

Bogart 3


INSIDE<br />

EINSAMER MANN<br />

Der einsame Mann<br />

versteht nicht<br />

warum seine<br />

Apfelkörner<br />

keinen Baum<br />

in den Himmel<br />

wachsen lassen<br />

Der einsame Mann<br />

verrät nicht<br />

seine<br />

Träume<br />

weil kein Passant<br />

stehen bleibt<br />

um sie zu hören<br />

In der vorherigen Ausgabe noch mit seinem Programm-Slogan Ist das Kunst, oder kann<br />

das weg? zitiert, wenig später von PAUL in Hamburg fotografiert und seit Anfang Oktober<br />

stadtübergreifend in München plakatiert: "Blödel-Preuße" Mike Krüger. Den in "Urzeiten"<br />

vom Foto-Assi bemerkten Konzertbesuch in Begleitung der Mutter bespaßte der Comedian<br />

furztrocken "Du kamst mir gleich so bekannt vor...!"<br />

Sascha A. Wanke<br />

Mehr vom Autor zu lesen und zu hören<br />

gibt es im 60seitigen Gedichtband<br />

"Augenblicke" mit Zeichnungen<br />

von Otti Wanke (u.a. bei Amazon/5.95)<br />

und auf Audio-CD für 5.95 direkt bei<br />

autor-wanke@gmx.de.<br />

Ob bei den beliebten Themenparties im<br />

heimischen Musikkeller HAARLEM<br />

(Bilder oben und links) oder nationalen<br />

Partyevents, das Gießener Sangestalent<br />

Natalie Malik (s.a. <strong>BOGART</strong> 8) weiß hier sowohl<br />

mit Stimme als auch jetzt vor und hinter der<br />

Kamera stets, wie man sich und das Publikum<br />

bestens in Szene setzt.<br />

Über die Kultstätte in der Schanzenstraße bietet<br />

sie neben stimmungsvollen und attraktiven<br />

"Schnappschüssen" rund um den Dancefloor<br />

den Partygängern auch "EINMALIKe" Shootings<br />

in anderer Kulisse an.<br />

Info und Kontakt: einmalik fotografie<br />

Mit Weltmeistern und Weltstars fast<br />

auf Augenhöhe: Vitali Klitschko,<br />

Diego Maradonna, Scorpions<br />

Schenker und Meine.<br />

4 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin


RUECKBLICK EINBLICK AUSBLICK<br />

Mit einem klassischen<br />

"A-A"– Effekt feierten<br />

die jetzt schon kultigen<br />

...aber bitte mit A!!! goGIESSENcards –<br />

inzwischen an zehn<br />

lokalen Szenetreffs präsent – ihre Premiere im<br />

KAFFEE WOLKENLOS (Henselstraße): Die<br />

Vornamen intendierte Sinnspruchkarte – eine<br />

konzertierte Aktion mit den KLIMBIM- und<br />

RITZI'S-Protagonisten – typisierte KW-Inhaber<br />

Haiko Schimpf mit schnödem E statt seinem<br />

prägenden A. - Ob der 1000fache Fehldruck<br />

daraus mal seinen Sammlerwert generiert, wird<br />

allseits versöhnend erwartet...<br />

a<br />

Stadttheater-<br />

Mimen (II)<br />

2 x ROSSI im einzigen Sofortbild-Kalender der Welt<br />

Mit einer Interpretation des Gebrüder Grimm Märchens Schneewittchen (Sonntag, 23. November<br />

2014) und dem Emotion-Porträt Just Jazz von seiner langjährigen Assistentin (2.11.)<br />

<br />

ist<br />

der Gießener Lifestyle-Fotograf Christoferos Mechanezidis (stolenmoments.de) in der dritten<br />

Auflage des POLADARIUM 2014 doppelt prominent vertreten. In dem<br />

Abreißkalender,<br />

wie man ihn aus<br />

Großmutters<br />

Küche kennt, erscheint<br />

auf der<br />

Vorderseite jedes<br />

Kalenderblattes<br />

das Polaroid in<br />

Originalgröße,<br />

auf der Rückseite<br />

eine kleiner Text<br />

zur Entstehung<br />

des Bildes sowie<br />

Informationen<br />

zum Fotografen<br />

und zum verwendeten<br />

Film.<br />

"Für das Snow-<br />

White-Shooting<br />

hatten wir 10 kg<br />

Äpfel am Set",<br />

Einst Geheimtipp jetzt populär:<br />

Mozarts große Choroper<br />

IDOMENEO<br />

<strong>18</strong>. Januar 2014<br />

SUNDAY 23 NOVEMBER<br />

merkte Rossi an", der dabei die SX 70 Land Camera einsetzte. – Der hochwertig lackveredelte<br />

und schwarz geleimte Jahresbegleiter mit 365 Abbildungen wird in stabiler Sammelbox<br />

vom Kunst- und Fotobuchverlag seltmann+söhne (Lüdenscheid/Berlin) mit Aufsteller und<br />

Aufhänger zum Preis von 24,90 € (excl. Versand) geliefert. Weitere Infos zu dem Projekt und<br />

gleichzeitig der Aufruf an die Szene, 2015 dabei zu sein, findet sich unter poladarium.de.<br />

»Guck mal, Anna Isdath!«<br />

Die für die Gießener Werkstatt Ogonjok<br />

schriftstellernde ANNA ISDATH (Bogart<br />

16, 17) zälhlte – wie schon bei FLUSS MIT<br />

FLAIR 2013 – zu den meist fotografierten<br />

Attraktionen der diesjährigen FRANKFURTER<br />

BUCHMESSE. Der mit 24 Brillen drapierte<br />

Herrenhut zog einmal mehr die Rezipienten<br />

an, um sie spontan vom Bildhaften zum<br />

Begrifflichen wandern zu lassen. Mit dem vorm<br />

Körper getragenen Gedicht „Vom Aha-Effekt“<br />

erweckte das androgyn anmutende Sandwich-<br />

Wesen außerdem Assoziationen über das<br />

Blicken, den Durchblick, über Mittelbarkeit<br />

oder Unmittelbarkeit des Begreifens. Die<br />

Performance „Die Brille für den ersten Blick“<br />

liegt in Buchform (11 €) beim Synergia-Verlag<br />

vor. Über Person und Projekt gibt es weitere<br />

Infos unter offensive-ogonjok.de<br />

Foto: Gisela Willner<br />

für Creative Bogart 5


Rainer MuEller:<br />

erhabene Strukturen in markanten materialien<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Rainer Müller hat sich über sein geradezu<br />

"verschlingendes" Interesse an moderner<br />

Kunst, besonders der zeitgenössischen,<br />

zum eigenkreativen Gestalten entwickelt.<br />

In seinem Schaffen erweist er sich als ein<br />

blitzgescheit reflektierender "Schwamm", der die Konventionen, Mechanismen<br />

und Manierismen der internationalen Kunstentwicklungen nach<br />

1960 selektiv aufsaugt und mit experimenteller Trennschärfe seine individuellen<br />

Repertoiremomente kreiert.<br />

Abstraktion, Materialbilder, neue Figuration oder Pop Art: mit viel Energie<br />

und einem klar strukturierten artifiziellen Formulierungswillen gestaltet der Künstler mittelund<br />

großformatige Gemälde und reliefhafte Assemblagen.<br />

Die hier vorgestellten Artefakte zeigen pars pro toto eine meisterliche Bandbreite seines<br />

Werkkanons. Blau eingefärbtes Leinen, im Hochformat virtuos zum konotationsträchtigen<br />

Relief-Bild verformt, lädt den Betrachter<br />

emotional und geistig zur Begehung ein.<br />

Eine mysteriöse Drahtfigur, einer bestimmten<br />

"Haus-" Ikonographie<br />

verpflichtet, mag den verrasterten<br />

und vermessenen Homo<br />

sapiens der Neuzeit widerspiegeln.<br />

Eine bearbeitete<br />

Metallplatte,<br />

als<br />

Materialträger<br />

gleichsam der "Set"<br />

für Bilderzählung und<br />

technische<br />

Stofflichkeit,<br />

zeigt eine der<br />

wesentlichen Richtungen<br />

des Oeuvres.<br />

Ein leichter Appell<br />

an<br />

Gestalthaftigkeit<br />

und deutbare Gegenständlichkeit<br />

verbindet<br />

sich mit einem<br />

könnerhaft<br />

verbundenen<br />

Materialmix<br />

zu einem stimmigen<br />

Kunst-Werk!<br />

Zweifelos<br />

bewegt<br />

sich der Gestalter<br />

Rainer Müller in einem<br />

eher hermetisch<br />

angelegten<br />

Winkel<br />

zeitgenössischer<br />

Kunstmentalität; der<br />

Abstraktionsgrad des<br />

Dargestellten und die<br />

hochexperimentelle<br />

Verwendung von Arbeitsmaterialien in ihrer<br />

furiosen Konsequenz machen den kreativen<br />

"Spätentwickler" Rainer Müller sehr rasch<br />

zu einem der markantesten Kunstschaffenden<br />

der Region.<br />

Der begabte Eklektizist entwickelt sich in<br />

wenigen Jahren zum Werk-Meister mit individueller<br />

Typisierung! Hans-Michael Kirstein<br />

6 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin


8<br />

RAINER MÜLLER (Jahrgang 59)<br />

Leiter der Martin-Luther-Schule<br />

in Buseck<br />

Das Ethos seines pädagogischen<br />

Berufes ist kongruent zu seiner<br />

Kunst. Pestalozzis Prinzip mit<br />

„Kopf, Herz und Hand“ findet<br />

sich vielschichtig in seinen<br />

Bildern wieder.<br />

Ausstellungen: 2010, 2012<br />

www.rainermueller-art.de<br />

5<br />

4<br />

1 Hinter der Leinwand, Multiple (2013) 50 x 60 cm / 2 Lokalola, Draht-Acryl (2012) 160 x 50 cm<br />

3 Splashnob, Multiple (2012) 133 x 112 cm / 4 Blau 42, Leinen-Acryl-Leim-Pigment (2012) 150 x 90 cm<br />

5 Die dicke Berta, Acryl (2013) 120 x 100 cm / 6 Hagens Männer ( Wagner Zyklus ), Acryl-Öl-Holz-Metall l auf Blech<br />

(2013) 100 x 100 cm / 7 My Chili, Multiple (2013) 200 x 20 cm / 8 Ballungsgebiete, Leinen-Leim (2011) 1)<br />

Foto/Repros: Reinhard Müller-Rode<br />

7<br />

für Creative<br />

6<br />

Bogart 7


Madrina Della Luce<br />

Markus Singer / Johannes Wosilat (Bilder) / Anna Maria Wicklein<br />

„Piagata-<br />

Von Wunden<br />

bedeckt“<br />

Im Garten der Villa Accardo wiegte der Nachtwind die<br />

Baumkronen und Mondlicht brach hindurch. Die Luft<br />

hatte die Wärme des Tages verloren und es duftete<br />

nach Hyazinthen. Männer schritten monoton durch die<br />

Dunkelheit, ihre Blicke erforschten jeden Winkel. In der<br />

Zimmerecke stand der kleine Schreibtisch der Tochter. Vida<br />

saß auf dem viel zu kleinen Stuhl und wartete, die Hände<br />

im Schoß verkrampft, bis die Uhr die rechte Zeit gab, dann<br />

stand sie auf. Ein Mann sah vom Garten aus das Licht im<br />

Kinderzimmer erlöschen, marschierte aber weiter. Lautlos<br />

öffnete Vida die Tür des Kinderzimmers und trat in den<br />

Flur. Ebenso leise wurde die Tür verschlossen. Sie setzte<br />

sich zwei Zimmer weiter zu ihrem Mädchen. Dieses atmete<br />

gleichmäßig und leise. Als das Blau weit über den Horizont<br />

gestiegen war ging Vida ins Bad und sah in den Spiegel. Die<br />

Müdigkeit, die Nacht, die Jahre: Deutlich sah sie sich selbst.<br />

Später öffnete sie die Badezimmertür und heraus trat eine<br />

Frau in eleganter Kleidung, straffe Frische im Gesicht, wache<br />

Augen. Vor dem Sofa stolperte Vida. Es verlangte viel ihrer<br />

Kraft um auf die Beine zu kommen, dann weckte sie ihr Kind.<br />

Während der morgendlichen Routine suchte die Tochter stetig<br />

den Blick der Mutter. Immer wieder stoppte Amaranta worin<br />

sie gerade begriffen war. Die Mutter führte wortlos weiter, was<br />

die Tochter unterbrach. Vidas Hände machten das Mädchen zur<br />

Puppe, zu einer Maschine, die man immer wieder aufs Neue<br />

anwerfen musste. Als Vida und Amaranta vor dem Kinderzimmer<br />

vorübergingen griff die Tochter nach der Türklinke. Vida zog<br />

sie weiter. Amaranta stiegen Tränen in die Augen und sie fing<br />

leise an zu weinen. Männer patrouillierten um das Haus. Die<br />

Morgensonne trieb die Kälte aus den Knochen und sie reckten<br />

sich. Die Mutter hockte vor die Tochter und zog sie zu sich.<br />

Mit den Händen nahm Vida das kleine Gesicht und wischte die<br />

Tränen fort, dabei kamen ihr selbst die Tränen. Ein Wachmann<br />

öffnete die Haustüre und trat herein. Die Mutter begann zu<br />

zittern. Sie hatten es fast geschafft: Die Treppe hinunter, durch<br />

die Tür, durch den Garten, zum Auto, weg. Sekunden dauerte<br />

das und jetzt, nach Stunden des Wartens, verlor sie die Fassung.<br />

Dann wischte die Tochter die eigene Tränen aus den Augen und<br />

sah ihre Mutter an. Die Schrittgeräusche in der Eingangshalle<br />

verschwanden in einem Zimmer des Erdgeschosses.<br />

Irgendwo klingelte ein Telefon und Vida blickte auf. Sie hastete<br />

mit ihrer Tochter die Stufen hinab und ging zur Haustüre. Im<br />

Rücken der beiden erschien der Valletto, das Telefon in der Hand.<br />

Geschwind lief er die Treppen hinauf. Vida warnte ihn, ihr Mann<br />

würde noch fest schlafen und er habe ihr gesagt, er wolle von<br />

niemandem gestört werden. Es fuhr ihr durch den Kopf: Wäre<br />

dies die Wahrheit, dann hätte sie das beim Valletto melden<br />

müssen, statt einfach zu gehen. Er sah sie an, als befände sich<br />

der selbe Gedanke auch hinter seiner Stirn. Die Angelegenheit<br />

verlange aber die sofortige Aufmerksamkeit des Herrn, erwiderte<br />

der Valletto sehr höflich und ging weiter. Dann solle er zunächst<br />

leise klopfen, sagte Vida, als sie die Haustüre öffnete und mit der<br />

Tochter hinaustrat. Der Valletto verschnellerte seinen Schritt.<br />

Vida ließ die Türe offen stehen und zerrte Amaranta mit sich. Die<br />

Blicke der Wachmänner folgten ihnen. Geraden Weges steuerte<br />

Vida durch den Garten auf das kleine Tor zu, hinter dem der<br />

Wagen in der Sonne stand. Die Beine des Mädchens kamen<br />

der Mutter kaum hinterher und diese nahm die Tochter auf den<br />

Arm. Einer der Wachmänner sah Amarantas Gesicht, sah ihre<br />

Tränen. Im selben Moment trat der Valletto die Balkontüre auf<br />

und Vida rannte los. Das Gebrüll der Verfolger lag ihr im Rücken,<br />

das Weinen der Tochter schallend in den Ohren und die Männer<br />

hetzten ihr hinterher. Vida riss die Tür zum Sportwagen auf und<br />

warf das Mädchen regelrecht auf den Beifahrersitz. Sie rammte<br />

den Schlüssel in die Zündung, im Lack der schwarzen Schönheit<br />

spiegelten sich die Verfolger. Dreihundertsechzig Pferdestärken<br />

ließen die Luft um den Wagen vibrieren, das kraftvolle Kreischen<br />

von sechstausend Umdrehungen machte ihn zum Zentrum der<br />

Welt und von der Leine gelassen wie ein Dobermann schoss er<br />

hinaus auf die Straße.den Schädel und des Mannes Seele fuhr<br />

ihm aus und hinab.<br />

Die Straßen um den See waren äußerst schmal. Auf der einen<br />

Seite die zerklüftete Felswand, auf der anderen die Leitplanke<br />

als einzige Trennung zwischen Fahrzeug und Wasser. Eine<br />

Kurve schlug die Leitplanke gegen die Seite des Wagens und<br />

riss ihm, der Länge nach, den Lack fort. Die Tochter kreischte<br />

und schluchzte. Vom Rückspiegel blitzte Licht: Das Fahrzeug<br />

der Verfolger! Am weit entfernten Hang des anderen Ufers sah<br />

Vida die ausgebrannten und überwucherten Reste der alten Villa<br />

Reale. Sie trat das Gaspedal durch. Das Verfolgerauto fiel zurück.<br />

Für einen Moment entfachte sich Euphorie. Gegen die Nadel für<br />

den Füllstand des Tanks hatte die Euphorie aber keine Chance.<br />

Noch einige Hundert Meter voraus erschien, nahe der alten Villa,<br />

weiter unten am Berg gelegen, eine Ansammlung verlassener<br />

Steinhäuschen. Ein winziges Dörflein, in dem vor Jahrzehnten<br />

Schieberbanden Schwarzhandel betrieben hatten.<br />

Der Wagen, die Reifen starr, schob quietschend seine Masse<br />

über das Pflaster des leeren Dorfplatzes. Kaum zum Stehen<br />

gekommen stieß Vida die Fahrertür auf, sprang aus dem Wagen,<br />

rannte zur Beifahrertür und hob Amaranta heraus. Man hörte den<br />

Motor des Verfolgerautos. Die Beiden ließen den Wagen stehen<br />

und flohen in die verwinkelten Gassen. Steine unterschiedlicher<br />

Größe und Graufärbung bildeten Wege, Mauern und Häuser.<br />

Aus den Zwischenräumen heraus drang das Moos. Zeit und<br />

Witterung nagten an Gebäuden und Gassen und hatten ganze<br />

Teile herausgebissen.<br />

Etliche Windungen verhinderten, mehr als nur ein paar Meter<br />

des vorausliegenden Weges zu ersehen. Hinter jeder Ecke konnte<br />

das Ende lauern. Schlag auf Schlag tauschten Erleichterung<br />

und Panik die Plätze. Zwischen den engen Wänden sprangen<br />

die Echos, der sie verfolgenden Schritte, umher. Vidas Muskeln<br />

brannten und erlahmten. Sie schaffte es noch um eine Ecke, dann<br />

entglitt die Tochter ihrer Umarmung. Im Moment da ihr die Last<br />

genommen war, nahm ihr Körper, in seinem Schmerz, soviel<br />

Kraft aus den Beinen, dass Vida zu Boden sackte. Sie keuchte<br />

vergeblich. Die Kraft floss nur so aus ihr heraus.<br />

Als kleines Mädchen war sie auf jede Art und Weise aufgerissen<br />

worden. Jedes Mal hatte sie viel von ihrer Kraft herausgeblutet.<br />

Damals flickte man die Wunden notdürftig zusammen, um<br />

zu retten, was an Kraft noch übrig war. Dennoch blieben es<br />

schwärende Wunden, aus denen weiterhin die Kraft sickerte.<br />

Und jetzt waren alle diese Wunden aufgebrochen. Dieses Mal<br />

zum letzten Mal und unverschließbar.<br />

Schnelle Schatten huschten geschwind zwischen den<br />

Steinhütten hindurch.<br />

Ein Tiefpunkt ist das Ende nicht,<br />

zeigt nur uns‘re Menschenpflicht;<br />

die Wahl des Herzens:<br />

Feigheit oder Licht.<br />

8 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin


(Taufpatin des Lichts) Kurzroman in 3 Folgen (1II)<br />

Vida überkam der Schwindel. Ihre Hand streckte sich dem Boden<br />

entgegen, aber die Tochter packte zu. Das Mädchen zerrte an der<br />

Mutter, ohne Erfolg. Die Mutter wollte schreien, so sehr hasste<br />

sie sich dafür.<br />

Sie hob ächzend den Kopf, sah die Kleine, sah, wie all ihre Kraft<br />

ihr nicht half, die Mutter zu retten. Diese Situation war verkehrt<br />

und sie war falsch. Auf ihrem Grund, in ihrem Kern, in ihrer<br />

Essenz war sie falsch, falsch, falsch. Damit hatte das Denken ein<br />

Ende, aber der Gedanke blieb und der Körper bewegte sich.<br />

Mit Hilfe von Amaranta kam Vida auf die Beine. Sie blickte<br />

voraus und sah die alte, von Schlingpflanzen überwachsene<br />

Villa ihrer Kindheit. Das Gebäude stach aus dem Hang wie ein<br />

Fremdkörper, der Haut penetriert. In Fetzen und Teppichen hing<br />

die Bewucherung über den Mauern und vom Dach herab. Das<br />

Erdgeschoss wurde von der Flora im Ganzen verhüllt. Die leeren<br />

Fensterdurchlässe rahmten tiefstes Schwarz. Vida und Amaranta<br />

stiegen über das dichte Netz der Pflanzen, hinauf zu einem<br />

Fenster im ersten Stock und verschwanden in der Dunkelheit.<br />

Die beiden standen am einen Ende des Flures. Ihnen gegenüber,<br />

am anderen Ende, lag eine steinerne Wendeltreppe. In<br />

regelmäßigen Abständen fiel Licht in den Flur und teilte ihn in<br />

helle und dunkle Stücke. Außerhalb flogen Wortfetzen umher.<br />

Die Männer erreichten die Villa. Drei schlugen ihren Weg durch<br />

die Vegetation, um ins Erdgeschoss zu gelangen. Einer folgte<br />

Mutter und Tochter auf direktem Wege ins Innere. Vida schob<br />

ihre Kleine die steinerne Wendeltreppe hinauf, da sah sie den<br />

Mann im Gang stehen, eine Pistole im Anschlag. In ihrer Hast<br />

verrenkte Vida den Oberkörper zu einer Ausweichbewegung. Der<br />

Mann feuerte und vor ihrem Kopf schlug eine Kugel in die Wand.<br />

Steinsplitter sprangen Vida in die Augen und ihr Fuß verfehlte die<br />

nächste Stufe.<br />

Samt Tochter fiel sie rücklings und verkeilte sich, am Fuß der<br />

Wendeltreppe, unter dem Mädchen.<br />

Der Mann brüllte nach seinen Kollegen. Plötzlich wurden außen<br />

mehrere Waffen abgefeuert. Der Mann fuhr herum, ging in<br />

die Knie und drückte sich an die Wand. Von außen hörte man<br />

Gebrüll und Feuerstöße. Vida packte ihre Tochter und raffte sich<br />

energisch auf.<br />

Der Mann behielt Ausgänge und Fenster im Auge, entschied<br />

aber noch einmal auf die Beiden anzulegen. Bevor er den Abzug<br />

betätigte riss ihm eine Kugel das Knie auf. Er kippte in die Mitte<br />

des Ganges und feuerte auf den Mann von der Interna im Fenster.<br />

Eine weitere Kugel drang in seinen Magen, dann schoss er dem<br />

Mann von der Interna in den Hals. Diesen riss die Kugel ansatzlos<br />

aus dem Fenster.<br />

Im Augenwinkel sah Vida den Verwundeten aufstehen. Sie<br />

packte die Kleine und rannte die Wendeltreppe hinauf. Gebückt<br />

humpelte der Mann den beiden hinterher.<br />

Die Wendeltreppe hatte man in die Ecke der alten Villa gebaut.<br />

Über ihr war das Dach eingefallen und zeigte ein großes Loch.<br />

Durch dieses sah man Himmel und Wolken. Am Rand des Loches<br />

stand eine schwere, verrostete Tonne. Am Ende der Treppe<br />

angekommen huschten Mutter und Tochter durch die kahlen,<br />

unverputzten Räume. Schlingpflanzen überwucherten sämtliche<br />

Fenster. Kein Balkon und auch sonst keine Möglichkeit zum<br />

steilen Hang hinter dem Haus hinüberzugelangen: Endstation.<br />

Stufe um Stufe verteilte der Mann ächzend sein Blut. Aber da<br />

war es, das einzige freie Fenster! Vida beugte sich hinaus. Freier<br />

Fall in die Tiefe, keine Chance. Dann sah sie den Pflanzenteppich<br />

wülstig vom Dach herabhängen.<br />

Graue Haut im Gesicht, wackelig auf ein Bein gestützt, arbeitete<br />

sich der Mann die Treppe empor. Unten fiel ein einzelner Schuss<br />

und jemand stöhnte, noch zwei Schüsse und dann herrschte<br />

Stille. Mit letzter Kraft zog Vida ihren Körper am Pflanzenteppich<br />

hinauf auf das Dach. Der Mann erreichte die oberste Stufe und<br />

erblickte die Tochter, wie sie still in der Ecke stand. Er stützte<br />

sich am morschen Holzgeländer und sah nach der Mutter. Das<br />

Bruchstück eines Ziegelsteins schmetterte von oben gegen sein<br />

zerstörtes Knie. Er schrie auf, knickte ein und blickte hoch. Vida<br />

stieß die Tonne über den Rand des Loches im Dach und diese<br />

preschte ihm entgegen. Die Tonne rammte den Mann durch<br />

das Holzgeländer, schmetterte ihn in die Stufen und brach sein<br />

dürres Genick wie einen Zweig.<br />

(bitte umblättern)<br />

für Creative Bogart 9


Madrina Della Luce Taufpatin des Lichts (1II)<br />

Oben auf dem Dach, in den Wolken, stand Vida, die Mutter.<br />

Später beobachteten Vida und Amaranta, wie die Interna den<br />

letzten der Männer verhaftete. Mutter und Tochter traten aus<br />

dem dunklen Inneren der Ruine und hinaus ans Licht. Die Interna<br />

hatte die Ausreise geplant und die Unterbringung eingerichtet.<br />

Der Wagen stand am Straßenrand und die Zukunft wartete.<br />

„Calma-<br />

Die Stille“<br />

Vida Ylenia, die Mutter, und Amaranta Vida Caprice, ihre Tochter,<br />

standen am Ufer des Sees, blickten über das Wasser und es sah<br />

nach Regen aus. Tochter und Mutter waren beieinander und es<br />

war gut, das Flüstern aus der Tiefe verstummt. Dann geschah<br />

etwas Seltenes; lange Jahre hatte Vida die Erinnerung daran<br />

verdrängt: Der Regen kam das Ufer entlang. Sie wandte nicht<br />

den Kopf, in festem Bewusstsein dessen, was da kommen würde.<br />

Der Regen und sein Wolkenreiter, Chaos, sinnlose Hast und<br />

Dunkelheit. Es wird vorübergehen, wusste sie, denn die Kraft war<br />

bei ihr. Der Wind schnitt ihr in die Augen.<br />

Was aber kümmert eine Frau der Wind?<br />

Was kümmert sie der Regen?<br />

„La Fine<br />

das Ende“<br />

Autor:<br />

Markus Singer (markus.singer@live.de)<br />

Fotografie + Bildbearbeitung:<br />

Johannes Wosilat (www.wosilat.de)<br />

Gestaltung:<br />

Anna Maria Wicklein (www.herzblut-studio.de)<br />

Models:<br />

Vida Ylenia Scorrano (Mutter): Elena Beser<br />

Amaranta Vida Caprice (Kind): Sophie Alexandra Beser<br />

© 2011<br />

Alle Rechte vorbehalten.<br />

Das Buch oder Teile dieses Textes dürfen ohne die schriftliche Genehmigung<br />

der Herausgeber nicht vervielfältigt, in Datenbanken gespeichert oder in<br />

irgendeiner Form übertragen werden.<br />

Markus Singer<br />

Dipl. Mediendesigner<br />

Seine Welt ist Wort, ist Bild - ist Story.<br />

Den Bachelor of Arts erwarb er 2009 an der Lazi Akademie in<br />

Esslingen am Neckar mit dem Schwerpunkt „Schreiben für den<br />

Film“. Im Anschluss folgte 2010 das weiterführende Studium an<br />

der Interspherial Drehbuchschule in Stuttgart.<br />

Als freiberuflicher Texter und Autor findet er Story in der<br />

Dramatik wie der Lyrik. „Story ist, was uns zu den Menschen<br />

macht, die wir sind. Story ist Kraft.“ Selbsterklärtes Ziel des<br />

jungen Autors ist es ganz nah an diese Kraft zu kommen, dort zu<br />

sein – dort zu arbeiten.<br />

Johannes Wosilat<br />

Dipl. Fotodesigner<br />

„Don‘t think... feel!“<br />

Seit 2008 positioniert Johannes Wosilat Serien wie Einzelwerke<br />

in den Segmenten Werbung, Fashion und People. Leidenschaft<br />

und Innovation verbinden Licht, Mode und Mensch durch<br />

einwandfreies Handwerk, Einfühlungsvermögen und Liebe zum<br />

Detail.<br />

Den Bachelor als Fotodesigner erwarb er 2010 und bestand mit<br />

der „Auszeichnung für hohen Standard“. Kreation nimmt ihren<br />

Anfang in Emotion. Diese Wahrheit schafft das Credo, welches<br />

seinen Arbeiten voransteht: „Don‘t think... feel!“<br />

Anna Maria Wicklein<br />

Dipl. Designerin<br />

(Fotografie + Bildbearbeitung /Gestaltung des Buches)<br />

Nach einer Ausbildung als Mediengestalterin und darauf<br />

folgendem Studium erwarb Anna Wicklein den Bachelor in<br />

Kommunikations- und Grafikdesign 2011 an der Lazi Akademie<br />

in Esslingen mit einer „Auszeichnung für Bestleistungen und<br />

Hohen Standard“. Sie arbeitet als Grafik Designerin in einer<br />

Agentur für Markeninszenierung und Markenkommunikation<br />

und ist nebenher freiberuflich tätig. – Für sie ist Werbung nicht<br />

einfach nur Gestalten, sondern das bewusste Beeinflussen der<br />

unbewussten Gefühle und Gedanken der Menschen.<br />

10 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin


für Creative Bogart 11


Alex Heitz: lebendige bilder ganz eigener Art<br />

Es macht mir Spaß mit Menschen zu arbeiten<br />

und Ideen in entspannter und lockerer<br />

Atmosphäre, gemeinsam umzusetzen.<br />

Wenn mich das Thema anspricht, setze ich auch<br />

gerne ausgefallene Ideen um, selbst wenn das<br />

Shooting dadurch wesentlich aufwändiger wird.<br />

Mit meinen Bildern versuche ich Emotionen festzuhalten,<br />

manchmal abseits des Mainstreams.<br />

Denn dies ist es was ein Foto ausmacht…es soll<br />

die Realität des Menschen darstellen und nicht<br />

das was von ihm erwartet wird. Es soll ihn von<br />

seiner natürlichen Seite zeigen. Ein Foto von seinem<br />

„Inneren“. Ein gutes Foto hält den Augenblick<br />

fest und ist ebenso für die Ewigkeit.<br />

Kontakt: malandro-photodesign.de<br />

Alex Heitz<br />

12 Bogart<br />

Mitmachmagazin


für Creative Bogart 13


Ralf schweiger: "Mitmenschen"<br />

Das malerische Œuvre Ralf Schweigers (Jahrgang<br />

1967) ist im hier gezeigten Ausschnitt – entstanden<br />

ab 2007 – dem mimischen Akzent und der Körperlichkeit<br />

gewidmet. Pendelnd zwischen expressionistischer<br />

Individualfixierung und eher einer das Allgemeine markierenden<br />

Malweise (Öl bzw. Öl/Acryl auf Leinwand), findet<br />

der Künstler im Portrait und der körperlichen Geste seine<br />

Selbstporträt: "Marathon" narrativen Verbindlichkeiten.<br />

In heiterem Gelb-Orange-Tonus fixiert Maler Schweiger die subtile Vertrautheit<br />

eines älteren Paares; in scharfem Expressionismus, läßt der pointierungssichere<br />

Künstler eine junge Frau sowohl elegisch als auch skeptisch aus einem Fenster<br />

blicken. Die Weißhöhungen des Körperlichen korrespondieren treffsicher mit der<br />

Schwärze des Fensterrahmens und des uniformen Hintergrundes. Ein Kolumbianer,<br />

mit scharfem Farb- und Konturtonus fast statuarisch angelegt, blickt lebensgegerbt<br />

auf eine Situation...<br />

Ein Liebespaar, zwar entindividualisiert, verschmilzt durch gleichsam lodernde<br />

Farbgesten und expressives Körperspiel. Und selbst die in Filmen und Photos totbanalisierte<br />

Ausziehaktivität einer jungen Frau gewinnt durch Schweiger-typische<br />

Malmodi wie Stilisierung, Weißhöhung (Kontrasteffektivität!) und das "Einfrieren"<br />

des Szenischen ihren überwirklichen Reiz.<br />

Der Betrachter erkennt in des Malers Kunst-Welten – angelegt im 30/25 cm bis<br />

70/50 cm Format – eine Sehnsucht nach den Vielfältigkeiten des humanen Ausdrucks<br />

und Miteinanders. Hans-Michael Kirstein<br />

Erotik<br />

14 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin


MALEREI<br />

Blick<br />

Zeit<br />

Indio<br />

In seiner Zeit von 1996-2007 am Institut für Medizinische<br />

Informatik der Justus-Liebig-Universität Gießen<br />

arbeitete der gebürtige Crailsheimer an mehreren internationalen<br />

Projekten mit und beschäftigte sich vorwiegend<br />

mit den Perspektiven neuer Internet-Technologien in der<br />

Medizin. Der Privatdozent der JLU ist aktuell mit Nachhilfeunterricht<br />

in mathematisch/naturwissenschaftlichen<br />

Fächern tätig.<br />

Unter dem Slogan "Wir fi nden Ihr Wissen" entwickelt Ralf<br />

Schweiger als Geschäftsführer der Schweizer LuMriX.net<br />

GmbH seit 2003 maßgeschneiderte Add-ons zur Verbesserung<br />

"klassischer" Suchmaschinenergebnsisse für vielschichtige<br />

Anwendergruppen.<br />

Neben seinen Forschungen an Gravitationstheorien ist die<br />

Malerei als Gegenpol zur mathematisch-informatischen<br />

Tätigkeit seine große Leidenschaft und damit Teil seines<br />

individualistischen Lebensstils, der sich auch in gastronomischer<br />

Dienst- und höchster Kunstfertigkeit am Kickertisch im<br />

KLIMBIM ausdrückt.<br />

Jeans<br />

für Creative<br />

Bogart Bogart 15<br />

7


EVERYBODY 'S PLAYING POP-MUZIK – Hans-Michael Kirstein 2013


Ulrike Melzer "Grosstadt-Paranoia"<br />

Foto: Reinhard Müller-Rode<br />

SCHREIBEN – das bedeutet für mich beobachten, wahrnehmen,<br />

die Augen als Kamera benutzen. Gedichte sind dann<br />

Filme, die jeder Zuhörer und Leser mit seinen Interpretationen<br />

und Vorstellungen zu seinen Filmen machen kann. Dichtung<br />

kann soviel; nämlich das ausdrücken, was mit unserer Alltagssprache<br />

nicht erfasst werden kann. Die Wahrheit aussprechen,<br />

die zwischen Realität und Traum liegt. Beim Dichten spricht das<br />

Unterbewusstsein und so ist man schonungslos ehrlich. Gute<br />

Gedichte sollten wehtun, verstören, glücklich machen, verärgern.<br />

Alles ist besser als nett, unterhaltend und belanglos sein.<br />

In meinem Gedichtband „Stadt“ mit Fotos von Evi Rebekka<br />

(Frankfurt) habe ich mir über das Leben in Städten Gedanken<br />

gemacht. In Städten treffen Welten aufeinander:<br />

Kultur, Geschichte, Gegenwart.<br />

Sehenswürdigkeiten, Touristen, Migranten,<br />

Armut, Kriminalität. – Wie<br />

nahe sind sich diese Welten? Woher<br />

kommt das Geld, mit dem unsere<br />

Städte touristengerecht aufgehübscht<br />

werden? Welche Wahrheit<br />

ist näher dran an der Wahrheit? Die<br />

der Straße, oder die des Museums?<br />

Und damit in Bezug gebracht, das<br />

Gefühl wachsender Paranoia – nicht<br />

nur als Lebensgefühl großstädtischen<br />

Lebens, vielmehr als Lebensgefühl<br />

unserer Zeit. Nachlesen<br />

und -denken lässt<br />

sich das z.B. in KARMA<br />

auf einer praktischen Leinentragetasche<br />

für 3 €.<br />

Seit 2005 arbeite ich an<br />

einem Roman: „Filme<br />

fahren“. Er handelt von<br />

drei jungen Menschen,<br />

die Mitte der 90er Jahre<br />

in Berlin erwachsen werden,<br />

um drei Menschen,<br />

die schon erwachsen<br />

sind, sich jedoch nach<br />

der Wende wieder neu<br />

finden müssen. Um<br />

Freundschaft, Liebe und<br />

den Unterschied zwischen<br />

Traum und Wirklichkeit.<br />

Um Menschen<br />

und ihre Illusionen. Anfang 2014 wird der "Erstling" fertig gestellt<br />

sein.<br />

In der kulturellen Veranstaltungsreihe Gutes Hausgemachtes<br />

von Patricia Stasch und Alexander Liebe hatte ich jetzt im Ulenspiegel<br />

erstmals Gelegenheit, mich dem aufmerksamen Gießener<br />

Publikum mit einem Beitrag vorzustellen, was ich gern<br />

- auch bei anderen Anlässen - wiederholen werde.<br />

Im Rahmen des Projekts "Free School Gießen" habe ich eine<br />

Autorengruppe gegründet: Textperimente in der Schreibwerkstatt.<br />

Wir treffen uns jeden Mittwoch 19 Uhr im Café Giramondi<br />

um unser Texte zu kritisieren, uns auszutauschen und Lesungen<br />

zu planen. Jeder ist willkommen.<br />

Kontakt: mailto:u.melzer@live.de bzw. ulrike melzer<br />

Foto: Susanne Engelbach<br />

Was eine/n gute/n SingerSongwriter/in ausmacht heißt<br />

Berühren, mit Texten und Musik. Und das geht nur, wenn<br />

man authentisch ist. Hanna Karafoulidis aus Wetzlar und<br />

Nine Hippinen aus Gießen beeindrucken auf ganz unterschiedliche Art<br />

und Weise mit ihren Songs. Beide haben etwas ganz Wichtiges gemeinsam:<br />

Die Leidenschaft für Musik.<br />

„Mein erster Song hieß Mirror on the Wall erzählt Hanna, „der ist entstanden,<br />

als es mir nicht so gutging und ich krank war. Ich war am Boden zerstört, konnte<br />

nicht mehr lachen, hatte keine Hoffnung und wollte, das mein Leben endlich<br />

zuende geht. Das klingt alles sehr dramatisch, aber dennoch ist das einer meiner<br />

Songs die mir am meisten Kraft gegeben und mir selbst gezeigt hat, das alles<br />

gut wird."<br />

"Ich habe die Musik benutzt, um Situationen zu verarbeiten" sagt auch Nine<br />

Hippinen. "Begonnen hat es damit, dass ich mich 2009 von meinem Freund und<br />

seinem Fernseher trennte und gleichzeitig eine andere Einstellung zum Leben<br />

entdeckte. Außerdem lernte ich Menschen kennen, die das Beste in mir zum<br />

Vorschein brachten – die Musik." Aus diesen Situationen entstanden nicht etwa<br />

depressive Selbstbespiegelungslieder, sondern positives, lebensbejahendes,<br />

ironisch-lustiges deutschsprachiges Liedermachergut.<br />

"Mich hatte seinerzeit die belgische Band K´s Choice beeinfl usst", beschreibt<br />

Hanna ihre musikalische Ausgangsposition. "Ich konnte schon etwas Gitarre<br />

spielen und fand schon immer, dass die englische Sprache gesungen besser<br />

klingt. Als in jungen Jahren die erste große Liebe auseinander ging, hat mich das<br />

dazu inspiriert hat, meinem Schmerz irgendwie Luft zu machen. Klappt bis heute<br />

auch immer noch ganz gut."<br />

Hanna probierte sich durch viele verschiedene Stilrichtungen, trat mit Cover-<br />

Versionen in Kneipen und Pubs auf. Als sie ihre Band gründete, wurde ihr Stil<br />

etwas rockiger und eigene Songs ersetzten die Coversongs. "Juan, unseren<br />

Schlagzeuger, habe ich über die Musikerzentrale kennengelernt, für die ich gearbeitet<br />

habe. Nils, der gerade die Gitarre für mein Album einspielt, kenne ich<br />

schon seit meiner Jugend, Wetzlar ist eben nicht so groß. Als Musiker läuft man<br />

sich ständig über den Weg. Und Flo, unser Bassist, wohnt bei mir um die Ecke,<br />

den kenne ich schon ewig."<br />

"Ich bin kein Großstadtmensch, ich mag es viele Menschen zu kennen und<br />

an vertrauten Orten zu sein. Vielleicht hat man in Berlin und Hamburg bessere<br />

Chancen, keine Frage, aber dort ist man im privaten Leben anonym, deshalb<br />

kann ich mir das nicht vorstellen. Wetzlar ist zwar nicht die schönste Stadt, aber<br />

sie hat viele tolle Orte und Menschen, die ich nicht missen möchte."<br />

Der erste Song, den ich von Hanna hörte, habe ich auf YOUTUBE entdeckt,<br />

er heißt Lullaby. Man vergisst alles andere, hört nur noch zu. Eben keine nette<br />

Begleitmusik beim Putzen sondern intensiv, positiv und – schön. "Hauptsächlich<br />

schreibe ich die Musik nicht, um mich zu verkaufen oder in den Mittelpunkt<br />

zu stellen. Alle Songs die ich schreibe, basieren auf persönlichen Ereignissen.<br />

Mir fällt es z.B. leicht, Anderen ihre Fehler zu vergeben, bei sich selbst ist das<br />

gar nicht so einfach – ich kann mir Fehler nicht verzeihen. Es geht in meinen<br />

Liedern viel um Hoffnungen und Vergebungen, die mich selbst beschäftigen.<br />

Andere habe ich z.B. meinem Vater gewidmet (Perfect Dad), weil ich fi nde, dass<br />

besondere Menschen so etwas verdient haben: Das zu würdigen, was man hat.<br />

Ich schreibe aber nicht nur dramatische Texte, es sind auch ironische dabei, wie<br />

z.B. Artifi cial, wo es darum geht, dass die meisten Menschen doch eher nach<br />

blondierten Mädels schauen, die geschminkt und gestylt sind, anstatt auch mal<br />

die zu beachten, die zwar nicht gestylt sind, aber wesentlich mehr zu bieten<br />

haben, als ein Lipglossiges Barbie-Lächeln."<br />

<strong>18</strong> <strong>BOGART</strong> Das Mitmachmagazin


HEIMISCHE LIEDERMACHERINNEN: IMMER UNTERWEGS....<br />

Hanna und ihre Band, die sich<br />

ganz schlicht HANNA SINGER<br />

SONG WRITER nennen, arbeiten gerade<br />

an einem Album: "Ich freue mich<br />

schon riesig darauf. Es wird eine Mischung aus<br />

rockigeren Sachen und Balladen. Einige davon kann<br />

man schon auf Facebook hören, wenn man nach<br />

Hanna-Singer-Songwriter sucht."<br />

Auch ein Video zu Perfect Dad wird gedreht. Die<br />

Themen der Songs bleiben weiterhin dramatisch,<br />

lustig, traurig, erwartungsvoll – eben so, wie im<br />

richtigen Leben: "Es geht bei vielen Liedern einfach<br />

um Hoffnungen, die man noch im Herzen trägt, um<br />

Liebe und Glück, aber auch um Schmerz und Trennungen,<br />

die ich in meinen Songs verarbeite. Don´t<br />

let go ist einer der Songs, die am meisten berühren,<br />

wie ich fi nde. Man hat irgendwann im Leben einen<br />

Riesenfehler gemacht und dadurch einen wichtigen<br />

und wertvollen Menschen verloren. Mit diesem<br />

Wissen umzugehen, raubt einem selbst nach Jahren<br />

noch den Verstand. Es gibt aber auch Songs<br />

wie Little Everything, welches ich meinem Partner<br />

gewidmet habe. Jeder kann darin nachvollziehen,<br />

wie man sich fühlt, wenn man geliebt wird und sich<br />

doch selbst wundert, warum das so ist."<br />

Steigt auch die Aufmerksamkeit für die sich zeitgeistig<br />

stets wandelnde "Szene" bei ihren großen<br />

und kleinen Gigs, ist ein möglicher Karrieresprung<br />

nur schwerlich planbar. Die walisische Sängerin und<br />

Songschreiberin Marina and the<br />

Diamonds fl og von Schulen,<br />

brach Ausbildungen<br />

Für mein<br />

wunderbares Leben<br />

hab' ich mich doch<br />

selbst entschieden...<br />

nach dem Beziehungsschluss erstmal allein: "Ich<br />

hockte viel Zuhause und hatte mir das Keyboard<br />

meines Bruders geliehen. Zu dieser Zeit dachte ich<br />

oft über das Handeln bestimmter Personen und<br />

über mein eigenes Verhalten nach, schrieb meine<br />

Gedanken auf, woraus derText für Wahrheit auf<br />

der Stirn entstand. Keyboard spielen oder Noten<br />

lesen konnte ich nicht, aber ich wollte ja auch nicht<br />

ernsthaft ein Lied schreiben. Trotzdem fand ich auf<br />

den Tasten eine Melodie, die ich mir merkte, indem<br />

ich verschiedenfarbige Punkte auf die Tasten klebte.<br />

Später hatte ich keine Lust mehr auf das Keyboard<br />

und spielte das Lied auf der Gitarre. Bücher zu lesen<br />

kann einen Schub für die<br />

Phantasie bedeuten. Sie<br />

können ebenso eine Inspiration<br />

sein. Ich kann<br />

mich in Texten wie in Liedern wiederfi nden, einen<br />

Anstoß für etwas Eigenes fi nden. Grundsätzlich lese<br />

ich gern, noch lieber lese ich vor. Der Grund dafür,<br />

dass ich auf deutsch singe, ist aber schlicht und<br />

einfach, dass mein Englisch nicht ausreicht, um die<br />

Bilder in meinem Kopf ausreichend zu umschreiben.<br />

Außerdem habe ich als Erzieherin das Reden<br />

verinnerlicht."<br />

MusikerInnen haben Nine nicht beeinfl usst, obwohl<br />

es natürlich viele gibt, die sie bewundert. Es<br />

waren eher Menschen in ihrer Nähe, die sie unterstützten<br />

und sie ermutigten, mit der Musik weiterzumachen.<br />

"Aus Veränderungen<br />

entstehen gute Sachen..."<br />

Wieske als 2 VON WIR Musik zu machen. Mit Alena<br />

spielte ich auch eigene Lieder, die für die Band<br />

weniger geeignet schienen. Die Notlösung bestand<br />

darin, diese beiden Projekte zu verbinden. Zum<br />

Glück stellte sich heraus, das diese Notlösung die<br />

beste Idee überhaupt gewesen ist. Damit bekamen<br />

meine Lieder endlich den richtigen Klang, E-Gitarre<br />

und Baß wurden durch eine weitere Akustikgitarre<br />

und eine zweite Stimme ersetzt. In etwa drei Jahren<br />

haben sich die Lieder immer wieder verändert<br />

und scheinen (nicht alle) jetzt erst endlich fertig zu<br />

sein. Das Saxophon und auch die Geige mag ich<br />

nicht mehr missen. Aber erst dadurch, das jedes<br />

Bandmitglied einen eigenen<br />

Charakter in die Songs einbringt,<br />

werden sie für mich<br />

besonders."<br />

Live konnte man das besonders gut bei Oktober-<br />

Auftritt der Band in der Alten Kupferschmiede erleben.<br />

Von Konzertbeginn an, fesselten Nine und<br />

Band das Publikum. Ihre Songs entfalteten hier<br />

ihren "wahren "Charakter und sind kein Vergleich<br />

zu ihren Versionen, die auf Youtube zu hören sind.<br />

Geschichten über und von Menschen, mal spaßig,<br />

mal nachdenklich und immer berührend.<br />

Mit diesem grandiosen Auftritt verabschiedeten<br />

sich Nine Hippinen und Alena Wieske gleichzeitig<br />

für geraume Zeit von Gießen. Sie geben dem<br />

Fernweh nach und reisen ein Jahr durch Südamerika.<br />

Ob und wie die Band danach weiterexistieren<br />

Begleitmusiker beim "Abschiedskonzert":<br />

Lukas Künkel (l.), Eva Böckenhauer, Stephan<br />

ab, war arbeitslos und ihr Umfeld war der Meinung<br />

sie könne nicht singen... Ihr Debütalbum The Family "Im Sommer 2010<br />

Jewels erreichte 2010 Platz 5 der englischen Albumcharts.<br />

UND<br />

war ich auf dem STURM<br />

Pussel<br />

KLANG - Festival in<br />

Gerade in den Phasen der Selbstfi ndung entstehen<br />

Songs mit denen sich Jeder identifi zieren kann. auf einer Wiese und schaute einem Künstler beim<br />

Gießen, saß ungefähr drei Tage<br />

Nine Hippinen beschreibt in ihrem Lied Spiegel die Zeichnen zu. Wir kamen ins Gespräch, ein Freund<br />

perfekte Spießeridylle, den latenten Traum auszubrechen,<br />

der von dem Gedanken verdrängt wird "... wurden eine Band. Zusammen mit Stephan Pussel<br />

von ihm kam dazu, ich holte meine Gitarre und wir<br />

dass es Fernweh doch gar nicht gibt wenn man bei waren wir dann DER TEIL."<br />

dem Menschen ist den man liebt." Ein fast literarischer<br />

Text frei von platten Klischees, subtil, ironisch, auch der Name zu Hörensagen. Nach ein paar Mo-<br />

Die Bandkonstellation veränderte sich, mit dieser<br />

traurig.<br />

naten schien sich die Band aufzulösen, ein paar Wochen<br />

vor einem etwas größerem Konzert. Aber zu<br />

Wer solche Songs schreibt, muss erlebt haben,<br />

worüber er singt und schreibt: Nine Hippinen blieb diesem Zeitpunkt hatte ich angefangen, mit Alena<br />

Ich habe kein<br />

Fernweh, kann gar<br />

nicht sein, ich bin<br />

vollkommen zufrieden.<br />

aus: Der Spiegel<br />

wird, ist noch nicht klar. "Erstmal<br />

muß ich mich entscheiden, wo ich<br />

nach Südamerika leben möchte. Ich denke,<br />

2 VON WIR bleibt danach und auch während der<br />

Reise bestehen. Aber HÖRENSAGEN wird es danach<br />

in dieser Konstellation vermutlich nicht mehr<br />

geben. Das ist schade, weil ich das Glück habe, mit<br />

Freunden Musik zu machen. Aber ich habe in recht<br />

kurzer Zeit gelernt, dass aus Veränderungen gute<br />

Sachen entstehen können."<br />

Dieser Satz gilt für gleichermaßen für beide Musikerinnen.<br />

Wenn Musik eine Botschaft hat, dann<br />

diese.<br />

Ulrike Melzer<br />

Fotos: Reinhard Müller-Rode<br />

für Creative<br />

Bogart 19


POPCORNER<br />

Er hat die Regler des Mischpults unter<br />

seiner Gewalt und seine Arbeit ist ganz<br />

entscheidend für eine Aufnahme. Er hat<br />

das Gehör dafür wie eine Aufnahme klingen<br />

muss, denn junge Musiker haben oftmals<br />

keine Ahnung wie eine gelungene Aufnahme<br />

funktioniert. Einer dieser herausragenden<br />

Produzenten war und ist Sir George Martin,<br />

der britische Gentleman, der beschlipste Perfektionist,<br />

der als fünfter Beatle zu Weltruhm<br />

kam und den Typus des Platten-Produzenten<br />

in eine neue Richtung lenkte. In seinen 1979<br />

geschriebenen und nun in deutsch erschienenen<br />

Memoiren gibt er Einblick in eine Welt,<br />

die den Normalsterblichen oft versagt bleibt:<br />

das Tonstudio. 1950 begann der inzwischen<br />

fast 88jährige Martin seine Karriere bei dem<br />

Label Parlophone, einer Unterabteilung der<br />

berüchtigten EMI. Parlophone war ansässig<br />

in den Abbey Road Studios in London. Wenn<br />

man liest wie Martin begann, hat man den<br />

Eindruck, tief in eine vergessene, alte Zeit zu<br />

schauen. Ein Mischpult mit maximal zwei Reglern<br />

war der stolze Besitz der Plattenfirma,<br />

Stereo gab es noch nicht und die Aufnahmen<br />

wurden mit nur einem Mikrofon vollzogen,<br />

vor dem die Musiker live und in einem Rutsch<br />

ihre Musik einspielten und sangen.<br />

Als 1962 die jungen Beatles das Studio betraten und auf<br />

George Martin trafen, soll es sich zwischen den rauen<br />

Rockern und dem Produzenden-Gentleman um „Liebe<br />

auf den ersten Blick“ gehandelt haben. Martin war für<br />

die damalige Zeit ein ungewöhnlich aufgeschlossener<br />

und neugieriger Produzent, der mit alten Regeln brechen<br />

und experimentieren wollte. Aufzubegehren war<br />

nicht sein Ziel, sondern es ging ihm stets nur um die<br />

George Martin<br />

Es begann<br />

in der Abbey Road<br />

ca. 336 Seiten,<br />

Klappenbroschur<br />

Format: 24 x 16<br />

24,99 EUR<br />

Der fünfte Beatle:<br />

George Martin öffnet seine<br />

musikalische Schatztruhe<br />

Ein Platten-Produzent hat den<br />

Musiker in der Hand.<br />

gelungene Aufnahme. Mit der Zeit lernte George Martin,<br />

die immer fantastischeren Ideen der vier Beatles in<br />

Töne umzusetzen. Dabei half ihm seine klassische Musik-Ausbildung,<br />

die John, Paul, George und Ringo nicht<br />

hatten. Mit dem inzwischen auf vier Spuren und Stereo<br />

angewachsenen Mischpult und dem Einsatz von zwei<br />

oder mehr Mikrofonen entwickelte Martin eine nahezu<br />

geniale Gabe, Geräusche zu produzieren, die nie zuvor<br />

auf Aufnahmen zu hören waren. Wer sich heute das<br />

Beatles-Meisterwerk „Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club<br />

Band“ anhört, käme man nie auf die Idee, dass hier nur<br />

vier Tonspuren am Werk waren. Der Trick: Man nehme<br />

verschiedene Tonspuren auf und mischt sie alle zusammen<br />

auf die erste Tonspur, so hat man wieder drei frei<br />

für weitere Aufnahmen. George Martin zerschnippelte<br />

Bänder und fügte sie wahllos wieder zusammen um<br />

Effekte zu bekommen: er spielte Aufnahmen rückwärts<br />

ab, er zwang ein 40 Mann Orchester jedes einzelne<br />

Instrument vom tiefsten bis zum höchsten Ton zu<br />

spielen, um einen Effekt-Höhepunkt zu erreichen.<br />

Alles zu hören auf „Sgt. Pepper“. Und wenn die<br />

musikalische Leistung der Beatles nicht ausreichte<br />

schrieb er neue Arrangements oder haute selbst<br />

in die Tasten. Es gibt viele bekannte Aufnahmen<br />

der Beatles auf denen Martins Klavierspiel zu<br />

hören ist.<br />

Im Laufe der Jahrzehnte wurde Sir George Martin<br />

zum Superstar und ließ außer den Beatles auch andere<br />

Stars glänzen wie Gerry and the Pacemakers (You'll<br />

Never Walk Alone), Shirley Bassey (Goldfi nger), Filmund<br />

Titelmusik (James Bond: Live And Let Die) und<br />

schließlich seine größte Entdeckung: ein gewisser Elton<br />

John, mit dem er u.a. 1997 die erfolgreichste Single aller<br />

Zeiten aufnahm: die Lady Diana-Version von Candle In<br />

The Wind.<br />

Das Buch Es begann in der Abbey Road ist nicht nur für<br />

Musik- und Beatles-Fans aufschlusstreich sondern auch<br />

für technisch Begeisterte. Was ist Schall? Was passiert<br />

mit einem Ton in einem Mikrofon? Was IST überhaupt<br />

ein Mikrofon und wie funktioniert es? Man begibt sich<br />

auf eine Zeitreise in die vorsintfl utlichen Aufnahme-<br />

Techniken und bekommt einen Einblick in die technische<br />

Entwicklung bis heute. Angereichert sind Martins<br />

Erinnerungen mit zahlreichen Anekdoten über Peter<br />

Sellers, Peter Ustinov bis hin zu Sophia Loren und die<br />

Beatles... denn alle produzierten Schallwellen für George<br />

Martin, der sie dankbar auffi ng und zusammenfügte.<br />

Sascha A. Wanke<br />

Unter der Adresse 3 ABBEY ROAD, St.<br />

John’s Wood (City of Westminster), London<br />

NW8 9AY, verbarg sich zunächst ein <strong>18</strong>30<br />

errichtetes Wohngebäude im georgianischen<br />

Baustil, das am 3. Dezember 1929 von der<br />

mit EMI fusionierten The Gramophone<br />

Company Ltd. erworben und in ein<br />

TONSTUDIO umgebaut wurde. Es eröffnete<br />

am 12. November 1931mit der ersten<br />

Aufnahme The Land of Hope and Glory des<br />

London Symphony Orchestra spektakulär.<br />

Zwischen 1952, dem ersten Jahr der<br />

Aufzeichnung einer Hitparade in<br />

Großbritannien, und 1982 produzierte u.a.<br />

George Martin in den Abbey Road-Studios<br />

74 Nummer-Eins-Hits, davon 15 der Beatles.<br />

Abbey Road hieß das elfte Album der Beatles<br />

(1969), das gleichzeitig den auf dem Cover<br />

abgebildeten Zebrastreifen weltberühmt<br />

machte, über den dabei die Fab Four im<br />

Gänsemarsch zur anderen Straßenseite<br />

schritten.<br />

Im Februar 2010 wurden die Tonstudios zu<br />

einem historischen Gebäude erklärt und unter<br />

Denkmalschutz gestellt (Quelle: Wikipedia).<br />

Die legendären Abbey Road-Studios nahm Bogart-Fachautor Sascha A. Wanke 1993 im Sinne des<br />

Wortes s/w aufs Korn. 2012 zeichnete "unser" Hamburger Fotograf PAUL das Szenario digital nach.<br />

für Creative<br />

Bogart 21


Musenkeller: Beifall ist des Kuenstlers Lohn<br />

Noch am:<br />

6., 7., 13., 14. Dez. 2013<br />

20.00 Uhr<br />

V.l.n.r.: Dominik Heinrichs (Inspektor Troughton), Annette Filippi (Barbara Smith), Nina Gehring (Mary Smith), Christian Henkel (Stanley Gardner),<br />

Dominik Müller (John Smith), Michael Müller (Inspector Porterhouse), Michael Beyer (Bobby Franklin), Hanna Weller (Reporterin)<br />

Fotos: Reinhard Müller-Rode<br />

Natürlich können Theaterfreunde<br />

im Gießener Stadttheater tolle<br />

Inszenierungen erleben. Doch<br />

was wäre eine Stadt ohne ihre Off-<br />

Theater? Und diese hierorts sehr rührige<br />

Szene verfügt u.a. im MUSENKELLER der<br />

St. Bonifatius-Kirche (Liebigstraße 28)<br />

über eine inzwischen traditionelle Aufführungsstätte.<br />

Aus einer Jugendtheatergruppe<br />

der katholischen Kirche hatte<br />

sich vor vielen Jahren etwas Eigenständiges<br />

entwickelt. Die Zuschauer sind<br />

stets begeistert, denn hier wird weder<br />

belangloses Boulevardtheater geboten,<br />

noch soll Theatergeschichte neu geschrieben<br />

werden. Eine Gruppe von<br />

Freunden, die Spaß am Theaterspielen<br />

hat und diese Freude auch dem Publikum<br />

vermittelt – das macht den besonderen<br />

Charme des Musenkeller aus.<br />

Die Stücke werden gemeinsam ausgesucht, besprochen,<br />

gemeinsam wird die Entscheidung<br />

getroffen, was aufgeführt wird. „Jeder kann seine<br />

Ideen und Fähigkeiten selbst einbringen“,<br />

sagt Regisseur Guy Sagnes (l.).<br />

Er sieht sich mehr als „Koordinator denn<br />

als Gestalter“, ist eher zufällig zur Regieführung<br />

gekommen. Er war Schauspieler<br />

beim Jugendtheaterprojekt Wetzlar und<br />

übernahm die Regie beim Stück Die letzten<br />

Kinder von Schewenborn, nutzte die<br />

Chance und blieb dabei.<br />

Zwischen 1991 und 1999 führte er Regie in<br />

Wetzlar, seit 2007 ist er beim Musenkeller tätig.<br />

Weder Guy Sagnes, noch das Ensemble des<br />

Musenkellers gehen mit übersteigerten Ambitionen<br />

oder Erwartungen "ans Werk" – vielleicht<br />

kommen sie gerade durch diese Unverkrampfheit<br />

glaubhaft rüber und beim Publikum stets gut<br />

an. „Es gibt keinen Regisseur den ich idealistisch<br />

bewundere. Ich habe immer Interesse daran gehabt,<br />

mit Anderen etwas gemeinsam zu entwikkeln.<br />

Ich mag die creative Teamarbeit und starke<br />

Harmonie, freue mich über die offene Möglichkeit,<br />

jeden mit seinen Talenten einbeziehen zu<br />

können."<br />

So sehen es auch die Darsteller: „Das Gruppengefühl<br />

ist einfach gut. Klar gehe ich auch ins<br />

Stadttheater oder ins TiL, sehe mir gern gute Inszenierungen<br />

an“, sagt Dominik Heinrichs.<br />

„Doch ich hatte niemals den Traum Schauspieler<br />

zu werden. 2004 habe ich angefangen, im Musenkeller<br />

zu soufflieren. 2007 habe ich dann<br />

meine erste Rolle gespielt: Simon Gascocyne in<br />

Der wahre Inspector Hound. Eigentlich kann ich<br />

keine besondere Rolle meines bisherigen Repertoires<br />

rauspicken. Der aufregendste Moment ist<br />

stets, kurz vor dem ersten eigenen Auftritt hinter<br />

der Bühne zu stehen und zu wissen: Gleich<br />

geht’s los. Ich würde gern mal einen dunklen<br />

Charakter darstellen, oder einen vollkommen<br />

Wahnsinnigen, der ins Humorvolle abdriftet.“<br />

Schauspielernde Idole hat das Musenkellerensemble<br />

nicht. „Die Mitwirkenden sind für mich<br />

Beispiel gebend“, sagt Michael Müller. „Das<br />

Wort Vorbild gefällt mir nicht besonders“, sagt<br />

Dominik Müller, der schon seit 1997 dabei<br />

ist. Ich bewundere und schätzt edie schauspielerischen<br />

Leistungen eines Joachim Króls. „Vor<br />

allem in Zugvögel...einmal nach Inari – großes<br />

Kino im besten Wortsinn.“ Noch gut kann er sich<br />

an seine erste Rolle im Die Physiker von Dürrenmatt<br />

erinnern kann: „Ich spielte den jüngsten der<br />

drei Buben des Physikers Möbius. Das Stück<br />

sieht ein Flötenständchen vor, welches die Jungs<br />

ihrem Vater mit Innigkeit vortragen. Mangels<br />

instrumentaler Befähigung wurde daraus eine<br />

Gesangseinlage intoniert (Nehmt Abschied Brüder...),<br />

was diesen Part wohl erst richtig verdarb...“.<br />

Intelligent-humorige<br />

Gesellschaftkritik<br />

Wenn es bei der Auswahl der Stücke einen roten<br />

Faden gibt, dann ist es wohl die Absicht, Humor<br />

und Unterhaltung zu bieten, die den Zuschauer<br />

fordert, intelligent-humorige Gesellschaftskritik.<br />

Diese Elemente zeigen sich bei Die Millionärin<br />

(2012) von Bernard Shaw, Die Toscana Therapie<br />

(2011) von Robert Gernhardt, genauso wie<br />

bei Ray Cooney, dessen turbulente Komödie Run<br />

for your Wife – Doppelt leben hält besser im<br />

November und Dezember 2013 insgesamt<br />

zehnmal über die Bühne geht und mit erleben<br />

läßt, was passiert, wenn der Stundenplan eines<br />

Bigamisten durcheinander gerät. In erster Linie<br />

geht es um gute Unterhaltung, nicht seicht, nicht<br />

kitschig, sondern intelligent, ironisch, absurd.<br />

„Das Gesamtbild muss stimmen“ so Sagnes. Die<br />

Geschichte, das Bühnenbild, Stimmung und die<br />

Umsetzung gehören zusammen.<br />

Und diese Geschlossenheit wird<br />

sicher auch dadurch begünstigt,<br />

weil der Musenkeller kein Theatersaal,<br />

sondern ein kleiner, gemütlicher<br />

Raum mit Bar ist. „Wir<br />

sind nicht weit entfernt vom Publikum,<br />

es ist eine größere Nähe<br />

da, als es beim Theater sonst üblich<br />

ist“, sagt Dominik Heinrichs.<br />

Wir verschwinden auch nicht<br />

nach der Aufführung, man kann<br />

auf uns zukommen, mit uns sprechen.“<br />

Auch wenn die Zusammensetzung des Musenkeller-Ensembles<br />

immer wieder variiert, es gibt<br />

auch Schauspieler, die schon sehr lange dabei<br />

sind, wie Annette Filippi. „Das erste Stück, in<br />

dem ich mitspielte, war Der nackte Wahnsinn<br />

(1994) von Michael Frayn. Wir haben es nach<br />

zwei Jahren harter Probearbeit auf die Bühne<br />

gebracht. Ich hatte zu dieser Zeit große Lust, die<br />

Schauspielerei einmal auszuprobieren. Zu meinem<br />

Glück hatten sich in der katholischen Jugend<br />

gerade ein paar spielwütige Jugendliche<br />

samt Regisseur zusammengetan, die die alte<br />

Tradition des Theaters im Musenkeller wieder<br />

aufleben lassen wollten.“<br />

Der Musenkeller ist weder eine nette Hobbygruppe,<br />

noch eine Brutstätte für aufstrebende Schauspieltalente.<br />

Man kann hier sehr talentierten<br />

Menschen dabei zusehen, wie sie nur aus Spaß<br />

am Schauspielern, anspruchsvolle, lustige Theaterstücke<br />

auf die Bühne bringen. Dominik Müller<br />

spiegelt den trockenen Humor und Understatement<br />

der Gruppe am besten wieder, wenn er<br />

sagt: „Der aufregendste Moment einer Aufführung<br />

ist für mich der Augenblick, wenn die Zuschauer<br />

tatsächlich aus der Pause zurückkommen.“<br />

Und der lang anhaltende Beifall des stets ausverkauften<br />

Hauses am Schluß der Aufführung<br />

wird als "Künstlers Lohn" natürlich immer gern<br />

genommen...<br />

Ulrike Melzer<br />

22 Bogart Das Mitmachmagazin


ist dieser Tilman Valentin<br />

Schweiger, der am 19. Dezem-<br />

2013 seinen 50. Geburtstag Wber<br />

feiern wird? Was treibt ihn an? Woher rührt<br />

seine Rastlosigkeit? Warum löst er so starke<br />

Reaktionen aus?<br />

In seinem Buch „Til Schweiger: Der Mann, n,<br />

der bewegt“ porträtiert Uwe Killing den Menschen<br />

und leidenschaftlichen Kino-Liebhaber ber<br />

hinter den Schlagzeilen. Er zeigt, wie Schweiger arbeitet und<br />

wie er den Spagat zwischen seiner wachsenden Filmfamilie<br />

und seiner Verantwortung als Vater von vier Kindern schafft.<br />

Verwandte, Freunde und Kollegen kommen zu Wort. Und<br />

Schweiger selbst erlaubt Einblicke in bisher unbekannte Winkel<br />

seines Privatlebens, in dem auch ein gutes Stück lokaler<br />

Vertrautheiten in Text und Bild eingebettet<br />

ist.<br />

Ob für dieKumpels aus seiner Gießener Sturm- und Drangzeit (hier 2013 auf seiner Mallorca-Finca)<br />

oder die Größen aus der Filmbranche: Til Schweiger ist ein echter Freund!<br />

Mit Privatfotos von Til Schweiger;<br />

192 S., € 19 99 Hardcover, 24x16 cm<br />

ABBITTE<br />

"Die neben stehende Einschätzung vor<br />

rund 16 Jahren würde ich jetzt so nicht<br />

mehr treffen", korrigiert sich der Alten-<br />

Busecker Kintopp-Versteher Hans-Michael<br />

Kirstein heute und sieht in neuer Sichtweise<br />

den "Localheroe" Til Schweiger<br />

weitaus differenzierter, was gleichzeitig<br />

auch die von HANNIBAL vorgelegte Biografie<br />

so in Teilen preisgibt:<br />

In Auswahl und Machart seiner<br />

Filme ist Til Schweiger einem<br />

durchweg Eskapismus orientiertem<br />

Publikum verpflichtet.<br />

Mit Fleiß, Stetigkeit und<br />

einer intelligent genutzten<br />

künstlerisch-ökonomischen<br />

Vernetzung im Filmbusiness<br />

gelingt es ihm, sich eine<br />

individuelle Position in der<br />

speziell deutschen Kinowelt<br />

zu erobern. Mit seinem<br />

knarzig-näselndem Timbre und einem fixierten Repertoire<br />

aus <strong>BOGART</strong> Nr. 15 (Teil 14: Ein Streifzug durch<br />

die Filmgeschichte von HM Kirstein, 1997)<br />

mimischen Variierens ist Schweiger im Kern ein B-Filmakteur, eine professionelle<br />

Infrastruktur clever nutzend... und den Zeitgeist treffend. Der "Macho<br />

mit Herz" ist die rote Leitlinie des Präsenz-Typen. Im amerikansichen Film der<br />

50/60er waren dies Akteure wie Cornel Wilde, Rory Calhoun, Gordon Scott<br />

oder der Ex-Kriegsheld Audie Murphy. Nach dem eph eminierten Häuptling<br />

Brice, dem unteroffiziersmäßigen "Blacky" F., dem Schulbub Hansi Kraus<br />

und manchen zerbeutelten Fassbinder-Typen à la Kurt Raab verfleischlicht<br />

Til Schweiger den neuzeitlichen germanischen Action- und Comedyhelden...<br />

Einen echten "Macker" in baukastenhafter Kommerzware made in "Heuchelheim,<br />

einem Kaff bei Gießen!" (0-Ton aus "Männerherzen").<br />

Stansfield (Tommy<br />

Lee Jones) macht<br />

sich Sorgen um<br />

Familie Blake.<br />

Er war einer der mächtigsten Männer der<br />

USA: Fred (Robert de Niro), einst<br />

gefürchteter Pate in New York, hat durch<br />

seine Aussagen eine ganze Reihe<br />

einflussreicher Mafiosi hinter Gitter gebracht.<br />

Nun lebt er mit seiner Frau Maggi (Michelle<br />

Pfeiffer) und den beiden Kindern Belle<br />

(Dianna Agron) und Warren (John D‘Leo) im<br />

Zeugenschutzprogramm in der Normandie<br />

– unter dem wachsamen Auge des knallharten<br />

FBI-Agenten Stansfield (Tommy Lee Jones). Ziel<br />

ist es, sich unauffällig zu verhalten und unter<br />

Kinostart:<br />

21.11.2013<br />

allen Umständen unter dem Radar zu bleiben<br />

– nicht so einfach, denn Freds aufbrausendes<br />

Temperament geht gerne mit ihm durch. Und<br />

dann noch diese Franzosen – wie kann man<br />

da Ruhe bewahren?! Der Kulturschock sitzt<br />

tief. Und so ist es nur eine Frage der Zeit bis<br />

die Mafia die Fährte der Familie wieder<br />

aufnimmt und gleich mehrere Killer in das<br />

© Universum Film<br />

Regisseur Luc Besson drehte unter anderem in<br />

den von ihm gegründeten Cité du Cinéma-<br />

Studios in Frankreich.<br />

beschauliche Dörfchen schickt. Jedoch haben<br />

die nicht mit der Entschlossenheit dieser<br />

Familie gerechnet…<br />

Darsteller: Robert de Niro, Michelle Pfeiffer,<br />

Tommy Lee Jones, Dianna Agron, John D’Leo<br />

u.a.; Regie: Luc Besson; Produzent: Martin<br />

Scorsese; im Verleih von Universum Film<br />

für Creative Bogart 23


Bodo W. Klös<br />

Fotos: Reihard Müller-Rode<br />

Taufrische Exponate des "Alt-Gießeners"<br />

Erhard Göttlicher (Uetersen) – s. auch vorherige<br />

Ausgaben – prägten einmal mehr<br />

den Messestand von Norbert Haun (Dreier-<br />

Verlag, Görbelheimer Mühle 1, 61169 Friedberg;<br />

06031.2429)<br />

Rund 150 "Köpfe" aus der Welt der Literaten,<br />

Künstler, Musiker und anderen Szenen haben<br />

sich als karikierte Buchstützen positioniert. Sie<br />

sind nach Zeichnungen von Bernhard Siller als Laserdrucke<br />

auf ca. 1cm starkes, mehrfach verleimtes Birkesperrholz<br />

kaschiert, mit UV Schutz<br />

versiegelt und auf eine<br />

geschliffene Edelstahlplatte<br />

montiert. Die Bücher<br />

stehen auf der Edelstahlplatte<br />

und stützen sich an<br />

die Figur. Die signierte und<br />

auf 300 Stück limitierte<br />

Buchstütze ist ca. 20-24<br />

cm hoch. ...übrigens, auch<br />

Sonderanfertigungen werden<br />

ausgeführt.<br />

(Görbelheimer Mühle 1,<br />

61169 Friedberg)<br />

buchstuetzen.de<br />

Die Werkstatt , Galerie & Verlag...<br />

...für Handpressendrucke und Künstlerbücher – 1994<br />

von Birgit Klös gegründet – ist seit vielen Jahren auch bei der<br />

Frankfurter Buchmesse mit erstklassigen "Schätzen" von u.a.<br />

Tomi Ungerer, Lorenzo Mattotti und Frank Eissner präsent. Seit<br />

2004 residiert die Edition im Licher Atelier von Bodo W. Klös, die<br />

Druckwerkstatt ist seitdem im OT Nieder-Bessingen ansässig.<br />

Der heimische Grafiker zeigte diesmal Arbeiten seiner 2009<br />

begonnene Suite Your body is a wonderland mit Skizzen, Zeichnungen,<br />

Entwürfen, Radierungen und Übermalungen im Bildformat<br />

von 40 x 50 cm, kaschiert auf Karton 60 x 70 cm.<br />

Das Verlagsprogramm der edition noir wird größtenteils in<br />

der Bessinger Handpresse hergestellt, die Auflagendrucke in der<br />

Technik der Radierung und des Holzschnittes auch für Branchenkollegen<br />

übernimmt. Mit verantwortlich dafür ist der in Berlin<br />

lebende Sohn Jan-Paul, der dort zusammen mit zwei Kollegen<br />

eine grosse Lithowerkstatt betreibt.<br />

DANKE<br />

für die Gastfreunschaft,<br />

Francesca Klös!<br />

Zu den Klös-Klassikern zählt weiterhin<br />

Der Rabe – Ein Bilderbuch mit 140<br />

Farbabbildungen (120 S., HC 31x31<br />

cm) sowie einer kollagierten Rabenfeder.<br />

Weitere hochkäratige Pretiosen<br />

kunstvoll verpackter Arbeiten vielfältiger<br />

Nuancierung sind hier "ausgestellt":<br />

edition-noir.de<br />

24 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin


MIT GIZMORIAN DURCH DIE JAHRESZEITEN<br />

© GIZMORIAN: WINTER GUY / 2012 www.gizmorian.com<br />

MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI MI DO FR SA SO MO DI<br />

DEZ. 2013 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 <strong>18</strong> 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31<br />

JAN. 2014 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 <strong>18</strong> 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31<br />

FEB. 2014 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 <strong>18</strong> 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28<br />

für Creative<br />

Bogart 25


Comic-Zentrum Halle 3.0<br />

Der "Deutsche Cartoonpreis<br />

2013“ stand unter dem Motto<br />

"Zu spät!". Die Gewinner sind:<br />

Kategorie A: Pascal Heiler (r.)<br />

Kategorie B:<br />

1. : Til Mette (links)<br />

2. : Miguel Fernandez (ob. l.)<br />

3. : Kittihawk (ob. Mitte)<br />

Seit 2006 verleihen die Frankfurter Buchmesse und der Carlsen Verlag den<br />

"Deutschen Cartoonpreis für neue Talente“, seit 2012 in den Kategorien A<br />

(ohne -) und B (mindestens einer Buchveröffentlichung. Juergen Boos, Direktor<br />

der Frankfurter Buchmesse, und Antje Haubner (Humorlektorin Carlsen<br />

Verlag) hatten als Jurymitglieder einmal mehr die Qual der Wahl.<br />

Antje Haubner (Carlsen) hat<br />

das Buch über die amüsanten<br />

Verspätungen (s.o.) verfasst:<br />

Softcover (20,70 x 25,20 cm)<br />

160 S., € 9,99<br />

Fotos: Reinhard Müller-Rode<br />

ER ist wohl definitiv angekommen. Der<br />

Comic, die sequentielle Bildgechichte, ist<br />

als eine noch vorwiegend im Printbereich<br />

angesiedelte Ausdrucksform ein unbedingter<br />

und normaler Bestandteil der ehrwürdigen<br />

Frankfurter Buchmusse. In Halle 3 offenbarten<br />

sich alle Spielarten und Varianten<br />

bilddominierten Erzählens auf Augenhöhe<br />

mit den literarischen "Cousins" der übrigen<br />

Buchwelt. Der interessierte Betrachter entdeckt<br />

hochambitionierten Augenschmaus<br />

ebenso wie routiniert gefertigte Industrieware.<br />

Die Präsentationsfläche toleriert 1:1 die<br />

gefälleintensiven Möglichkeiten comicaler<br />

Kultur - da buhlen reputationsgeile "Graphic<br />

Novels", die eigene Befindlichkeit von<br />

vorneherein als bedeutsam empfindend, mit<br />

geistreich und ambivalent gestrickter Genrekost<br />

wie dem exzellenten "Watchmen"-Prequel<br />

(PANINI) um den öffentlichen Lorbeer.<br />

Die unendlichen Heere der japanischen<br />

Mangas, oft mit grauwertigen Bildfonts<br />

unterlegt und mit großäugiger und kleinmäuliger<br />

Routine Alltägliches, Horribles,<br />

Süßliches und Transsexuelles offerierend,<br />

marschieren auf solidem Niveau... und<br />

ihre südkoreanischen Verwandten agieren<br />

zunehmend bedeutsam als "Webtoons"<br />

im Internet. Erfreulich ist die Tendenz, für<br />

Nostalgiker, Sammler und Neuentdecker<br />

sogenannte "Integralausgaben" wesentlicher<br />

speziell franko-belgischer Klassiker zu<br />

publizieren - gerade (Ehapa-)Egmont, Kult<br />

und Salleck bedienen dabei die begierigen<br />

Hardcore-Fans! Der taffe "Bruno Brazil",<br />

in der mondän-modernen Architekturwelt<br />

des Brasilianers Oscar Niemeyer wirkend,<br />

gehört dabei neben Hermanns zwischentoniger<br />

Post-Apokalypse "Jeremiah" (Kult)<br />

oder Sallecks flamboyanter Stewardess<br />

"Natascha" von F. Walthéry zu den Perlen<br />

der Sammlerausgaben. Anything goes - der<br />

Bildgeschichtenkosmos verfügt über viele<br />

Paralleluniversen ... setzen Sie<br />

sich in Bewegung, denn es<br />

gibt "1001 Comics, die Sie<br />

lesen sollten, bevor das Leben<br />

vorbei ist" so der<br />

Titei des Comiclexikons<br />

in der Edition<br />

Olmsn Zürich (Hg.<br />

Gravett/Knigge.<br />

Excelsior<br />

out of G-Town,<br />

yours, HMK<br />

Endlich mal keine Fliegen! Insektenpause für örtliche<br />

Spidermen. ©: Frankfurter Buchmesse / Peter Hirth<br />

Der erste Band der neuen Simpsons-Mundart-Reihe<br />

FER SIMBEL – hier von Comic-<br />

Starzeichner Bill Morrison auf der Buchmesse<br />

präsentiert – richtet sich an alle "Babbsäck" und<br />

solche, die es werden wollen. Zwei Geschichten aus<br />

den Simpsons Comics – komplett auf Hessisch, von<br />

Hessen-Legende Bobby von Schwanheim. Da kauft<br />

Homer Handkääs mit Mussik oder schenkt in sei-<br />

ner Kneipe Die Schobbepetzer reichlich aus.<br />

56 S., Hardcover<br />

Original-<br />

Storys: Simpson<br />

Comics 25<br />

und 55, Autor:<br />

Matt Groening<br />

u.a., € 10,00<br />

26 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin


comic & CARTOON<br />

Einen Querschnitt seiner politisch-satirischen<br />

Postkarten aus 30 Jahren<br />

hat jetzt der Gießener Maler und<br />

Grafi ker Egon Kramer – auf das Buchformat<br />

von 29 cm x 20 cm vergrößert – im<br />

Hardcover auf 68 Seiten eingebunden.<br />

Die Retrospektive seiner "Plakativen Munition<br />

gegen Dumm-Dumm-Geschosse"<br />

umfasst insgesamt 66 Arbeiten, in denen<br />

er sich auf seine Weise gesellschaftskritisch<br />

einläßt.<br />

Entstanden Kramers Collagen anfangs in klassischer Manier<br />

noch mit Skalpell und Klebstoff (s. Aufschlagseiten rechts), werden<br />

die Bildbotschaften nunmehr am Computer nicht minder provokant<br />

inszeniert.<br />

Noch bis März 2014 ist Egon Kramer mit seiner Foyer-Ausstellung<br />

POLITSCHE PLAKATE im Berliner Kabarett DISTEL vertreten.<br />

Infos und Kontakt: www.egonkramer.de<br />

Hör' auf mit gießen!<br />

Wir müssen eh' bald<br />

abhauen!<br />

SUPERCHATTER ( 3 )<br />

❢ ❢❢<br />

❢<br />

❢❢ ❢<br />

SUPPENMAN<br />

Wieso das<br />

denn?<br />

SPLASHSH<br />

MAN<br />

LAGA<br />

2014<br />

MAYOR<br />

Tja, ab 26.4.2014 geht's<br />

hier auf zu neuen<br />

Ufern!!!<br />

WOMAN<br />

<strong>BOGART</strong>-<br />

BUBBLE<br />

Nein! Da interpretieren unsere Superheroes<br />

das Fluchtmotto der<br />

englischen Pilgrim Fathers, die<br />

1620 auf der "Mayfl ower" über den Atlantik<br />

ins heutige Massachusetts segelten,<br />

total falsch (siehe wandbemalten Aufruf<br />

an der Westanlage im Bild unten). Und<br />

auch die seit <strong>18</strong>34 in den USA verwurzelten<br />

Gießener-Auswanderer riefen diesen<br />

Spruch nicht über den großen Teich in<br />

die alte Heimat. – Ganz im Gegenteil! Die<br />

Gießener Stadtmütter und -väter laden<br />

unter dem pro-indizierten Slogan "Auf zu<br />

neuen Ufern" zu ihrer mehr als maiblumigen<br />

Landesgartenschau zwischen Lahn<br />

und Wieseck ein, auf der wohl auch ihr<br />

Flaggschiff "Schlammbeiser" ebenso wie<br />

die blühende Landschaft unter Vollmast<br />

stehen wird.<br />

Keine Panik also, wenn vermehrt erste<br />

Vorboten mit einschlägiger Trikotwerbung<br />

die erwartungsfreudige City beleben und<br />

den nimmermüden Baustellenaktivisten<br />

jedweder Coleur ein blütenstaubwolkiges<br />

Farbspektrum zu pusten.<br />

Auch Flaschenöffner gehören zum Merchandising,<br />

damit das Be- und Gießen von<br />

Kehle und Kelch nicht unterbleibt...<br />

Prosit! – Es möge gelingen!<br />

(s.a. landesgartenschaugiessen.de)<br />

<br />

Szenario: Wadim Reis<br />

Text: R. Müller-Rode<br />

2014 Flower-Power<br />

in Gießen. Und Scott McKenzie<br />

singt dazu: If you're going<br />

to Elephant-Klo...<br />

Grandios!<br />

für Creative<br />

Bogart 27


Weckmarkt 17<br />

Di bis So 10–<strong>18</strong>, Mi 10–21 Uhr<br />

caricatura‐museum.de<br />

Michael Sowa, Rudi Hurzlmeier und<br />

Ernst Kahl haben die Malerei in die<br />

Cartoonkunst implantiert. Das Können<br />

und die Technik der alten Meister,<br />

die Opulenz und die Stimmung<br />

der Tafelgemälde, der suggestive<br />

Einsatz von Licht und Farbe bereiten<br />

hier unter souveräner Missachtung<br />

der herkömmlichen Witz-Ökonomie<br />

die Wirkung des komischen, auch<br />

böse-satirischen Details in bewundernswerter<br />

Weise vor. Das anekdotische<br />

Prinzip von Spitzweg und<br />

Picasso wird von allen dreien auf<br />

die Lach- und Krachbedürfnisse der<br />

Gegenwart angewandt und komisch<br />

fortentwickelt. Die aus den Hallen<br />

der Hochkunst verbannte Spielart der<br />

gegenständlichen Malerei hat im humoristischen<br />

Genre überlebt.<br />

Klima- und Milieuformen der Jahrhundertwende<br />

leiten schließlich die<br />

Genese des »echten« Comics Strip<br />

ein: Bedingt durch die konkurrenzgezeichnete<br />

Pressesituation des vor<br />

der sozialen und kulturellen "Domestizierung"<br />

stehenden Nordamerika,<br />

endete Teil 1 unserer Betrachtung.<br />

Von Altamira bis Entenhausen -<br />

COMICS: Erscheinungsbilder einer<br />

populären Kunstform<br />

Es tobte ein Kampf der Verleger Pulitzer<br />

und Hearst um Marktanteile; gerade der<br />

oft kleinbürgerliche, eher englischunkundige<br />

und noch nicht sozial fest eingewurzelte<br />

Immigrant verlangte primär nach optischer<br />

Information und Unterhaltung. Es sind<br />

die Stunden der Sensationspresse und der<br />

Bildgeschichte - der Comic jener Periode ist<br />

also ein Destillat aus soziokulturellen, ökonomischen<br />

und technologischen Bedingtheiten.<br />

In Pulitzers New York World gelingt <strong>18</strong>96 zum<br />

erstenmal ein professionelles Farbdruckverfahren<br />

inklusive der Farbe Gelb, deren Trocknungsprozeß<br />

bisher Probleme bereitete; am<br />

16. Februar <strong>18</strong>96 erscheint in der NYW die erste<br />

Folge der Serie The Yellow Kid von Richard<br />

Felton Outcault (<strong>18</strong>63-1928). In dieser Serie<br />

um einen frechen, leicht asozialen Jungen<br />

werden mit garstigem Blick und semirealistischem<br />

Strich die miserablen Lebensverhältnisse<br />

des Einwanderermilieus beleuchtet. Darober<br />

hinaus definiert dieser Streifen bereits<br />

bestimmte Wesensmerkmale der sich anbahnenden<br />

Comickultur: Verwendung von Sprechblasen<br />

(Dialogorientierung!), Beibehaltung<br />

bestimmter Hauptpersonen und Schauplatze.<br />

Allerdings werden beim Yellow Kid (siehe W.<br />

Hogarth) die Aktionen noch in einem Einzelbild<br />

verdichtet. Nach 1900 entwarf Outcault<br />

dann den eher bürgerlichen Lausbuben Buster<br />

Brown, der in dezent-gründerzeitlichem Ambiente<br />

Dienstboten neckte. Die Spielwarenindustrie<br />

bemachtigte sich schließlich dieser Figur;<br />

die Saat für das sogenannte "Merchandising"<br />

jenen wundersamen Zug der industriekapitalistischen<br />

Mehrfachverwertung einer Ware (und<br />

Comics sind in der Relation von Produktion<br />

und Konsum eine solche), wird hier höchst anschaulich<br />

gelegt...<br />

© JOCHEN SCHAUDIG<br />

Im Dezember <strong>18</strong>97 startet nun<br />

der erste originäre Comic Strip...<br />

...The Katzenjammer Kids in Hearsts New York<br />

Journal. Autor ist der deutschstämmige Rudolph<br />

Dirks (<strong>18</strong>77-1968) und "spiritus movens"<br />

der Verleger Hearst – auf einer Europareise hatte<br />

er Buschs "M & M" goutiert und wollte nun<br />

Ähnliches für seine Blätter. In dem anarchischdestruktiven<br />

Streifen kämpfen zwei sadistische<br />

Knaben in Wort und Bild (Stichwort: "society<br />

is nix") gegen die Gesellschaft eines bizarren<br />

Phantasiestaates, der natürlich das damalige<br />

Umfeld meint.<br />

28 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin


Hans-Michael Kirstein: Von Altamira bis Entenhausen<br />

100 Jahre comic (iI)<br />

Eine weitere Bizzarerie umgibt diesen Streifen:<br />

Dirks überwarf sich 1912 mit Hearst und zeichnete<br />

den Streifen seit dieser Zeit für Pulitzer<br />

als The captain and the kids, während Harold<br />

Knerr (<strong>18</strong>83-1949) die Serie unter dem alten<br />

Namen weiterführte. Andere wichtige Streifen<br />

jener Gründerjahre sind: Happy Hooligan, ein<br />

tramphafter Looser und Vorläufer chaplinesker<br />

Gestalten. Entworfen wurde er von F. B. Opper<br />

(<strong>18</strong>57-1957) mit geschärftem Blick für das<br />

Amerika der 1Oer Jahre.<br />

James Swinnerton (<strong>18</strong>75-1974) lieferte mit<br />

Little Jimmy (1904) die poetisch nuancierten<br />

Alltagsabenteuer eines kleinen Jungen. Windsor<br />

McCay entwickelte mit Little Nemo in Slumberland<br />

zwischen 1905-11 im grandios formulierten<br />

Jugendstilidiom die Traumabenteuer<br />

eines ebenfalls kleinen Jungen – McCay arbeitete<br />

übrigens nur für die vollkolorierten Sonntags-Comicseiten<br />

und entwickelte bereits vor<br />

dessen Entwicklung und Ausdifferenzierung<br />

eine »filmische« Bildregie.<br />

Lyonel Feininger, der große Maler des prismatischen<br />

Kubismus (<strong>18</strong>71 -1956), gab zwischen<br />

1906-11 mit seinen abenteuerlich-phantastischen<br />

Reihen Kinder Kids und Wee Willie<br />

Winkies World einen profunden Beitrag zur Stilund<br />

Themenfindung im Comic.<br />

George Herriman (<strong>18</strong>80-1944) lancierte die absurdeste<br />

und dadaistischste Serie überhaupt:<br />

Krazy Kat - ein bizarres Dreiecksverhältnis zwischen<br />

einer Katze, einer backsteinwerfenden<br />

Maus und einem Hundepolizisten im fragmentarisch-surrealen<br />

Dekor ist bis heute eine der<br />

künstlerisch hermetischsten Leistungen im<br />

Comicmilieu.<br />

Nicht übersehen werden darf<br />

Georg McManus' (<strong>18</strong>84-1954)<br />

Satire über eine neureiche<br />

irische Einwandererfamilie,<br />

Bringing up Father (ab 1913).<br />

Juqendstil und später Art<br />

Deco bilden die brillanten<br />

stilistischen Klammern dieser<br />

humoristischen Serie<br />

Im Frankreich jener Jahre erschien<br />

in der Jugendzeitschrift<br />

L'EPATANT die ebenfalls etwas<br />

anarchisch-gallige Serie Les<br />

Pieds Nickelés (1908) von Louis<br />

Forton (<strong>18</strong>79-1934). Dieser erste<br />

»echte« europäische Strip<br />

kreist um die Abenteuer dreier<br />

ganovenhafter Schlaumeier<br />

und Taugenixe. Während der<br />

Zeit des 1. Weltkrieges wurde<br />

dieser Comic jedoch, wie seinerzeit<br />

international üblich,<br />

»moderater« und für die nationale<br />

Kriegspropaganda eingesetzt.<br />

S. 16 aus TIM UND STRUPPI "Tim in Tibet" (Carlsen Verlag / 10. Aufl. 1980)<br />

In Mitteleuropa kam es nun in<br />

den 20ern zu wichtigen Comicausformulierungen:<br />

Im Jahre<br />

1925 schuf Alain Saint-Ogan<br />

in Frankreich seine humoristische<br />

Abenteuerserie Zig et<br />

Puce. Der moderne Vater des<br />

franko-belgischen Comics kultivierte<br />

die szenischen Standards<br />

der später so apostrophierten<br />

»franko-belgischen«<br />

Comic-Schule.<br />

Inhaltliche Merkmale dieser Schule waren<br />

(und sind zum Teil immer noch) der spezifische<br />

»Pfadfindertouch« der Protagonisten, eine gewisse<br />

milde Ironie und der effektive Sinn für<br />

realistische Details. Formal waren (und auch<br />

das gilt bis heute) das Definieren einer feinziselierten<br />

Staffage und die »filmische« Kompositionsgliederung<br />

die »Warenzeichen« der französischen<br />

Strips.<br />

Die Weiterführung und Vervollkommnung<br />

Saint-Oganscher Standards verdankt der europäische<br />

Comic dann jenem Autor und Zeichner<br />

Hergé (d.i. George Remi, 1907-83), der sich mit<br />

Tintin (Tim & Struppi, ein jugendlicher Reporter<br />

und sein eigenwilliger Hund) einen definitiven<br />

Platz im Olymp der Comicmacher gesichert<br />

hat.<br />

Der talentierte Hergé<br />

entwickelte nicht nur ...<br />

...die später als »ligne claire« bezeichnete Art<br />

des Zeichenstils (eine flächig-konturbetonte<br />

Art semirealistischen Fixerens: das Dekor wird<br />

stilisiert realistisch, die Personen eher linear<br />

karikiert wiedergegeben). Auch sein spezieller<br />

Erzählstil (abenteuerliche Turbulenz gepaart<br />

mit psychologisch nuancierter Typendarstellung)<br />

wurde für nachfolgende Autorengenerationen<br />

zum oft unerreichbaren Vorbild. In<br />

den Spätsiebzigern wurde sein Darstellungskosmos<br />

auch von jungen Comictechnikern für<br />

satirischaufbereitende Exkurse »benutzt« und<br />

zitiert - die »nouvelle ligne claire« war geboren.<br />

Fortsetzung in Ausgabe 19 (1.3.14)<br />

Das 8seitige, illustrierte Skript gibt es für € 4,60<br />

bei <strong>BOGART</strong>.<br />

für Creative<br />

Bogart 29


COMIC & Graphic Novel<br />

Fraternity 01 (von 03)<br />

Juan Díaz Canales, José Luis Munuera<br />

gebunden, 56 S., € 15,00<br />

EGMONT Comic-Collection<br />

Fraternity ist<br />

eine zweibändige Comicperle des spanischen<br />

Zeichners José Luis Munuera, dem Zeichner von "Spirou<br />

und Fantasio" und "Merlin". Der außergewöhnliche Plot entspringt<br />

der Phantasie des "BLACKSAD"-Szenaristen Juan Díaz Canale. Zusammen<br />

erschufen die beiden eine faszinierende Fabel über die<br />

menschliche Natur, voller atmosphärischer Zeichnungen in erdigen<br />

Umbra-Farbtönen. Amerika, Indiana <strong>18</strong>63 … ein fantastisches<br />

Comicerlebnis nimmt seinen Lauf! In der kleinen Gemeinde „New<br />

Fraternity“ wird eine sozialistische Utopie gelebt. Aber versprengte<br />

Soldaten des Sezessionskrieges bedrohen den inneren Frieden der<br />

kleinen Gemeinde. Plötzlich entdeckt man Emilio, ein seltsames<br />

Findelkind, das ein großes, gefährliches Geheimnis hat: ein mysteriöses<br />

Monster wacht über ihn!<br />

Ein Frühling in Tschernobyl<br />

Emmanuel Lepage<br />

Hardcover, 168 S., € 29,80<br />

SPLITTER<br />

26. April 1986. In Tschernobyl beginnt<br />

der Reaktorkern des Atomkraftwerks<br />

zu schmelzen. Eine radioaktive Wolke<br />

zieht über mehrere tausend Kilometer<br />

hinweg, ohne dass irgendjemand davon<br />

weiß – und sich davor schützt. Es ist<br />

die größte Nuklearkatastrophe des 20.<br />

Jahrhunderts, die zehntausende Opfer<br />

fordern wird.<br />

Emmanuel Lepage ist zu dieser Zeit 19 Jahre alt. Ungläubig sieht<br />

und hört er die Nachrichten im Fernsehen. 22 Jahre später, im<br />

April 2008, fährt er nach Tschernobyl, um mit seinen Texten und<br />

Zeichnungen vom Dasein der Überlebenden und ihrer Kinder in<br />

dem hochverseuchten Gebiet zu erzählen. Als er beschließt, auf<br />

Anfrage des Vereins Dessin’acteurs dort hinzufahren, hat Lepage<br />

das Gefühl, dem Tod entgegenzutreten. Als er im Zug sitzt, der ihn<br />

in die Ukraine bringt, geht ihm eine Frage nicht mehr aus dem Sinn:<br />

Warum bin ich hergekommen?<br />

Zum gesamtkulturellen Fundus gehören die "bad boys 'n girls", die sich im<br />

Comic in ambivalent-grenzgängerischen Charakteren und Typen als wesentlichem<br />

Funktionsteil ihrer Stories begreifen. Der klassische US-Zeitungsstrip<br />

realistischer Machart featurte vehement das lasziv-verführerische "bad girl" zumeist<br />

in Gestalt sündiger Abenteurerinnen oder galaktischer Königinnen (siehe Terry and<br />

the Pirates von Caniff oder A. Raymonds Flash Gordon). Und seit den Enddreißigern<br />

ist vor allem der US-Vigilant Batman ein Prototyp des nicht unproblematischen<br />

Draufgängers... Im europäischen Kontext erweist sich in der Nachkriegszeit dann<br />

Hergés (1907-83) Käpt"n Haddock aus Tim und Struppi als treuer Kumpel und<br />

cholerischer "Alk". In der legendären Abenteuerparodie Spirou und Fantasio des<br />

belgischen Comicvirtuosen André Franquin (1924-97) ist es der von Co-Autor Greg<br />

mitentwickelte Wissenschaftler Zyklotrop, der die Rolle des charmanten Drecksacks<br />

evolutionär ausfüllt.<br />

Als um 1960 sich das Fernsehen zum "Erzrivalen" der Comics entwickelte, begannen<br />

hoffnungsvolle Comicmacher der seinerzeitigen Nachkriegsgeneration wie die<br />

Belgier Jean-Michel Charlier (1924-89) und Greg (Michel Régnier, 1931-99) an den<br />

Schalthebeln der Comicmacht zu agieren:<br />

Neue Heldenkonzepte mussten her,<br />

um ältere Leser zu halten und zu ... gewinnen!<br />

Mit viel Gusto, Verve, recherchierten Hintergründen und epischem Atem begann<br />

Charlier mit der langen Reihe seiner Comichistorie machenden Monumentalepen<br />

DER ROTE KORSAR und Leutnant Blueberry (s.a. <strong>BOGART</strong> 12). Den ersten Titel<br />

fertigte Victor Hubinon (1924-78) mit einem Caniff-inspirierten Pinselstrich und<br />

sicherem Gespür für ein ausbalanciertes "visual storytelling". Dieser nunmehr von<br />

EGMONT in einer beglückenden Integralausgabe edierte Piratenstreifen zeigt im<br />

historisierten Kontext die wassersatten Enqueten des Barbe Rouge und seines<br />

Adoptivsohnes Rick, "segelnd" zwischen Piraterie und autorisiertem Kaperbrief.<br />

Außerdem sind der bärbeissige Freibeuter Barbe Rouge und seine Crew ein unversenkbares<br />

(Zitat-) Denkmal in den Comicgewässern gewisser legendärer Gallier.<br />

Charliers Talent verdankt der Abenteuercomic europäischer Provenienz profunde<br />

"Helden" zwischen Bonhommie und Halsabscneiderei - Chapéau, Monsieur Charlier!<br />

Auf der anderen Seite erweist sich der unermüdliche Greg als Autor, Zeichner<br />

als der Konzeptentwickler und Motor der frankobelgischen Comicszenerie! Der<br />

"Kanonenschlag" gebiert um 1966/67 eine neuartige und für das Milieu folgenreiche<br />

Serienkonzepte. Mit dem baldigen Super-Zeichnerstar HERMANN (*1938)<br />

kreiert Greg den "hardboiled"-geprägten Actionstreifen um den Profi abenteurer<br />

Andy Morgan und Comanche mit dem zivilisationsmüden Westerner Red Dust im<br />

Mittelpunkt (siehe auch <strong>BOGART</strong> 6).<br />

Eine weitere Großtat von Autor Greg ist soeben in einer hochavancierten Integralausgabe<br />

(Band Nr. 1) erschienen. BRUNO BRAZIL wurde von Greg um 1966 (unter<br />

dem nom-de-guerre "Louis Albert") zusammen mit dem aufstrebenden Zeichnerstar<br />

William Vance (das ist William van Cutsem, 1935) entwickelt. Vance, ein studierter<br />

Illustrator und Werbezeichner, hatte bereits für TINTIN an dem Marinestreifen<br />

Howard Flynn und dem teils italowesternhaften Ray Ringo gearbeitet. Sein leicht<br />

fi ebriger Zeichenstil, bei dem man oft das Kratzen der Feder über den Karton zu hören<br />

glaubt, generierte sich in jenen Jahren aus diversen Einfl üssen. Und so entsteht<br />

durch die topmotivierten Comicmagier Greg und Vance einer der stilprägendsten<br />

Abenteuer-, Agenten- und Krimistreifen<br />

der Neu-<br />

30 Bogart<br />

Das Mitmachmagazin


Im Dutzend dreckiger:<br />

ComicheldInnen<br />

zwischen Gut und Böse<br />

Eine "kleine" Betrachtung von Hans-Michael Kirstein<br />

ECHTE FRÜNDE ...<br />

In Blickkontakt transmedialer<br />

Art trat HMK mit seinem<br />

Nylonmann Co.-Autor HER-<br />

MANN auf der Buchmesse<br />

beim Studium von dessem<br />

neuen Jeremiah Integralband<br />

Nr. 3 (Kult-Editionen)<br />

Aber die Gesetze der phantastischen Anders-Welt, die Frauen (Kriss de Valnor!) und<br />

wohl auch die Verwertungsgelüste bzgl. eines erfolgreichen Serienkonzepts verlangen<br />

da die Stetigkeit des Handelns ... Splitter kultiviert diesen modernen<br />

Comicklassiker in der gewohnt<br />

höchsten Qualität - und so fi n-<br />

den sich auch bereits "Spinoffs"<br />

im Repertoire. Yann, ein Multitalent<br />

der BD-Szene mit Credits<br />

im Humor- und Dramabereich<br />

(Im Jenseits ist die Hölle los<br />

oder Pin Up, ein genialer comic-<br />

und zeitrefl ektierender<br />

Streifen mit Zeichner Berthet)<br />

erzählt mit dem Illustrator Roman<br />

Surzhenko, einem würdigen<br />

Nachfolger Rosinskis,<br />

in dem ersten Band Thorgals<br />

Jugend - Die 3 Schwestern<br />

durchaus einfühlsam und<br />

subtil die frühe Jugend Thorgals,<br />

seine "vorbestimmte"<br />

Liebe zum Mädchen Aaricia.<br />

Eine winterliche Hungersnot<br />

und das mysteriöse<br />

Auf-"tauchen" dreier Wale<br />

bedeuten den Start eines<br />

prototypischen "Sense-of-<br />

Wonder-Märchens"...<br />

Die kleine Reise durch die Welten<br />

verwaschener und verwegener Antihel-<br />

den sowie<br />

"bad-good-characters" wird in der nächsten Ausgabe mit den SPLITTER-Neuerscheinungen<br />

über den Leutnant der Royal Navy Bruce J. Hawker (Duchâteau/Vance) und<br />

Richard Corbens Creepy weitergeführt.<br />

zeit, ohne den mancher Serienerfolg der nachfolgenden Dekaden wohl kaum in der<br />

Art denkbar gesesen wäre (Largo Winch, XIII und sein Spinoff u.a.). Das Publikum<br />

jener Jahre mochte das ironisch gebrochene Kalte-Kriegs-Kino à la James Bond<br />

oder kongeniale TV-Varianten wie Mission Impossible oder Mit Schirm, Charme<br />

und Melone. Und so entwickelte Greg sein Erzählrepertoire um ein kleines Kollektiv<br />

leicht "beschädigter" Biographien, ergänzt um die "schlagfertige" Peitschenvirtuosin<br />

Whip Rafale und geführt von dem weisshaarigen Agenten Bruno Brazil, ein Mann<br />

mit situtiv präsentem (Greg-)Dialog und operativem Gestaltungswillen. Ob es um<br />

einen Altnazi und seine Intrige um angebliches Nazigold geht, um "Mindcontrolling"<br />

via Satellit und TV-Empfang aus dem brasilianischen Dschungel oder manipulative<br />

posthypnotische Aktivitäten: Brazil und sein Kommando Kaiman, dies referiert die 1.<br />

EGMONT-Ausgabe, führen ein in jedweder Hinsicht aufreibendes Leben ...<br />

Der frankobelgische Comic war<br />

in den Umbrüchen der 60er angekommen.<br />

So entstanden schließendlich die ambivalent-grauwertig eingefärbten "Biographien"<br />

mancher Comicprotagonisten der 80-./90er Jahre. Autor Jean van Hamme (Der postmoderne<br />

"Greg"...) schuf mit dem hochbegabten polnischen Zeichner Gregorz Rosinski<br />

(1941) das höchst süffi sante "nordische-Mythen"-Comickompendium THOR-<br />

GAL. Wohl kaum ein Bildgeschichtenerzähler nutzt Eigenes und Erprobtes, eigene<br />

Muster und Fremdmythen derart modulhaft und kombinierend wie van Hamme.<br />

Und mit entsprechender kreativer Chuzpe entwickelt van Hamme, virtuos fl ankiert<br />

durch den Zeichner Rosinski eine durchfermentierte Fantasy-Wikingerwelt voller<br />

Charaktere zwischen geradem "moralischen" Tun und existenziellen Verführungen.<br />

Der "Held" Thorgal, ein Barde und Halbgott, sucht ureigentlich nur familiäres Glück.<br />

BRUNO BRAZIL<br />

Gesamtausgabe 01<br />

Greg, William Vance<br />

gebunden;<br />

216 S.; € 29,99<br />

(Gesamtausgabe 02<br />

ab Dezember 2013)<br />

EGMONT<br />

Comic-Collection<br />

Die Welten von<br />

THORGAL –<br />

Die Jugend von Thorgal<br />

Die drei Schwestern<br />

Band 1 von 2<br />

Yann, Roman Surzhenko<br />

Hardcover, 48 S.<br />

€ 13,80<br />

SPLITTER<br />

DER ROTE KORSAR<br />

Gesamtausgabe 02<br />

Jean-Michel Charlier,<br />

Victor Hubinon<br />

gebunden,<br />

ca. 160 S.,<br />

€ 29,99<br />

EGMONT<br />

Comic-Collection<br />

für Creative<br />

Bogart 31


aus "Li‘l Sushi goes Yokohama......because Alice is out of town!"– Manga-Obscura mit illugraphischen Japanerien von<br />

Reinhard Müller-Rode (Pics/Digs) und Hans-Michael Kirstein (Inks/Story); 24 S., Hardcover, 20x30 cm; € 29 90 /Edition <strong>BOGART</strong>

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