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Aus der Ev. Kirchengemeinde<br />
Flieder, Birken und Bernstein<br />
Notizen zu einer 11-tägigen Rundreise durch das Baltikum und nach<br />
St. Petersburg mit Pfarrer Marczinowski von der Ev. Kirchengemeinde Herbede.<br />
Gut vorbereitet und voller Vorfreude machten sich 30 Herbeder,<br />
Sprockhöveler und Hattinger auf, um die Baltischen Staaten<br />
Litauen, Lettland und Estland zu bereisen sowie die schönsten Seiten<br />
von St. Petersburg zu sehen. Schon bei der Einschiffung mit Bus auf<br />
die Fähre in Kiel war ein gesunder Mix aus Zufriedenheit und fragen-<br />
In Riga<br />
Isaak-Kathedrale, St. Petersburg<br />
Katharinenpalast, Puschkin<br />
der Erwartung spürbar. Gut ausgeschlafen nach 22-stündiger Ostsee-Überfahrt<br />
konnten die Fahrgäste am darauffolgenden Morgen<br />
die Fähre in Kleipeda (Memel) verlassen und die Rundreise nahm ihren<br />
Lauf. Auf einer der wenigen Autobahnen des Baltikums erreichten<br />
wir Vilnius, der Hauptstadt Litauens. Die Architektur der Stadt erinnert,<br />
was man kaum annehmen konnte, an Prag oder Rom; denn Vilnius<br />
ist die am weitesten östlich gelegene Barockstadt nördlich der Alpen.<br />
Nicht zuletzt ist die wunderschöne Altstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe<br />
erklärt worden. Das herausragenste<br />
Beispiel des typischen Vilniusser<br />
Barocks ist die Kirche Peter und Paul.<br />
Das Innere der Kirche mit seinen etwa<br />
2000 Skulpturen aus weißem Stuck ist<br />
das einzige seiner Art in Europa, wie uns<br />
die kundige Stadtführerin Dana erklärt.<br />
Sehr beeindruckend auch die anderen<br />
Sakralbauten erinnernd an katholische,<br />
orthodoxe und jüdische Vergangenheit.<br />
Auch die Reformation, sowie Moslems,<br />
Karäer und andere Religionen hinterließen<br />
ihre Spuren. Einen wunderschönen<br />
Rundblick hat man vom Glockenturm<br />
der St. Johanneskirche. Der Aufstieg mit<br />
234 beschwerlichen Stufen (Aufzug war<br />
kaputt) hat sich total gelohnt.<br />
Ganz in der Nähe von Vilnius liegt das<br />
herrliche Seengebiet um Trakai. Das<br />
Schmuckstück, die wieder aufgebaute<br />
Burg, ist ein sehr begehrtes touristisches<br />
Ziel. Die schönen Eindrücke der ersten<br />
beiden Tage mussten verarbeitet werden.<br />
Dazu hatten wir viel Zeit am nächsten<br />
Tag. St. Petersburg war unser Ziel, 750<br />
km entfernt. Für gute Stimmung sorgten<br />
die meisten Mittreisenden durch gemeinsames<br />
Singen, angestimmt durch Renate Schürmann und nette<br />
Geschichten durch die Stewardess Silke und andere Teilnehmer. Dazu<br />
die vorbeiziehende schöne Landschaft mit endlosen Birkenwäldern,<br />
kleinen Seen und blühendem Flieder vor den flachen Häusern. So wurde<br />
die 15-stündige Fahrt einigermaßen erträglich. In St. Petersburg<br />
erwartet uns Dascha, eine pfiffige, sehr sachkundige Stadtführerin.<br />
Stolz erklärte sie uns, dass wir uns auf den Höhepunkt unserer Reise<br />
freuen könnten, weil wir die schönste Stadt der Welt sehen würden.<br />
Recht hatte sie, wie wir später sahen. Mahnend erinnerte sie uns,<br />
unsere „Rubelchen“ nicht leichtfertig auszugeben und uns vor Dieben<br />
zu schützen. Das Besichtigungsprogramm beginnt mit einer Stadtrundfahrt,<br />
über die Hauptstraße, dem Newskij Prospekt mit Stopps<br />
an den Rostra-Säulen und auf der Haseninsel mit der Peter-Paul-Festung.<br />
Die Festung ist bekanntlich der von Peter dem Großen bestimmte<br />
Gründungsort von St. Petersburg und daher Ruhestätte des Gründers<br />
und anderer Mitglieder der Zarendynastie in der Kirche. Diese<br />
Kirche, die später besichtigte<br />
Isaak-Kathedrale<br />
und die Erlöserkirche, sowie<br />
viele andere Prachtkirchen<br />
strotzen von religiösen vergoldeten Bronzefiguren und man<br />
fragt sich immer wieder, wie ist das möglich, diesen Prunk ohne Kirchensteuersystem<br />
zu erhalten? Auf jeden Fall ist es sehr sehenswert.<br />
Ein besonderes Erlebnis war der Besuch des Katharinen-Palastes in<br />
Puschkin (früher Zarskoje Selo) mit reich verzierten Fassaden und einem<br />
atemberaubenden Interieur, zusammen mit dem weltberühmten<br />
Bernsteinzimmer. Auch der Palast in Peterhof mit Fontänen, Marmorstatuen<br />
und Park und die Ermitage gehören sicherlich zu den<br />
großen Sehenswürdigkeiten des Großraums St. Petersburg. Nur ungern<br />
nimmt man Abschied von dieser Stadt. Doch Dascha ist sich sicher,<br />
dass wir ohnehin wiederkommen.<br />
Mit der nächsten Station wird es wieder ein wenig beschaulicher. Tallinn,<br />
die Hauptstadt Estlands, empfängt uns im Sängerstadion. Kaum<br />
vorstellbar, dass auf der Bühne 30.000 SängerInnen Platz haben, um<br />
eine vielfache Zuschauerzahl alle 5 Jahre zu unterhalten. Auch die Altstadt<br />
von Tallinn ist Weltkulturerbe. Wir haben Glück, denn Tallinn feiert<br />
dieses Wochenende gerade das Altstadtfest. Hier zeigt sich diese<br />
Stadt von ihrer besten Seite, so wie 2011, als Tallinn Europas Kulturhauptstadt<br />
sein durfte.<br />
Riga, die Hauptstadt Lettlands wurde<br />
im Napoleon-Krieg und im 2. Weltkrieg<br />
ziemlich stark verwüstet. Das städtische<br />
Gesamtbild ist daher uneinheitlich,<br />
auch aufgrund der verbogenen sowjetischen<br />
Wirtschaft in den Jahren 1940 bis<br />
1990. Dennoch ist diese Stadt sehenswert<br />
ob ihrer restaurierten Kirchen, dem<br />
Rathausplatz mit dem Schwarzhäupterhaus<br />
und der Jugendstilhäuser in der Albertstraße.<br />
Die besonderen Leistungen<br />
dieser Stadt wurden belohnt, indem Riga<br />
zur Kulturhauptstadt 2014 ernannt<br />
wurde.<br />
Unsere Reise nähert sich dem Ende. Der<br />
Weg führt uns nach Nidden auf die Kurischen<br />
Nehrung. Dieser herrliche Landstrich,<br />
an der breitesten Stelle 3,8 km<br />
breit, besticht durch seine einmalige Naturschönheit.<br />
Die eigentümliche Landschaft<br />
erschließt sich am besten, wenn<br />
man sie von den großen Dünen aus betrachtet:<br />
Haff und Meer, Dünen und Wald<br />
liegen einem zu Füßen. Auf einer dieser<br />
Dünen-Plattformen hält Pfr. Marczinowski<br />
eine gefühlvolle Andacht. Viele haben<br />
die Halbinsel bereist. Einige sind länger geblieben.<br />
Thomas Mann z.B. baute sich hier<br />
ein Haus, was noch heute als Museum dient.<br />
Die Pflege dieser Landschaft, der Ausbau der<br />
Infrastruktur sowie die Arbeit zur Erhaltung<br />
der Kultur haben dem Land Littauen längst<br />
einen weiteren Eintrag in die Welterbeliste<br />
der UNESCO gebracht.<br />
Wer jetzt noch „Rubelchen“ über hatte, in<br />
Littauen sind es Litas, deckte sich mit Bernsteinschmuck<br />
ein, den es zwar überall gab,<br />
der aber in Nidden besonders preiswert ist.<br />
Viel mehr könnte man von dieser Reise berichten,<br />
aber der Platz reicht nicht. Deshalb<br />
hinfahren, zu Zeiten der weißen Nächte. Es<br />
lohnt sich.<br />
Helmut Gaul<br />
Katharinenpalast, Puschkin<br />
Kirche Peter und Paul,<br />
Vilnius<br />
<strong>Image</strong> | Juli 2013<br />
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