PDF-Download - Bayerische Staatsoper
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50 TAKt 7+8<br />
CD-Tipp:<br />
Ferruccio Busoni: Doktor Faust<br />
Richard Strauss: Ariadne auf Naxos<br />
Ludwig Robeller<br />
CD-Tipp<br />
Musterbeispiel einer Opernproduktion<br />
der Post-Star-Ära: „Doktor Faust“<br />
unter Kent Nagano<br />
Referenzaufnahme: Herbert von<br />
Karajan dirigiert „Ariadne auf Naxos“<br />
Sucht man nach Gemeinsamkeiten der beiden Werke,<br />
die bei den Münchner Opernfestspielen neu inszeniert<br />
werden, stößt man rasch darauf, dass sie beide eine<br />
zu ihrer Entstehungszeit neue Musiktheaterästhetik<br />
repräsentieren. Typische Kinder des fin de siècle, stellen<br />
sie Fragen, fertige Antworten bieten sie nicht. Die auf<br />
dem klassischen Drama basierende Spannungsdramaturgie,<br />
die über ein Jahrhundert bestens funktioniert<br />
hatte, wird durch eine gebrochene, ironisch-reflektierte<br />
Haltung ersetzt.<br />
Für Ferruccio Busoni, dessen musikalische, lite rari sche<br />
und philosophische Bildung durch und durch deutsch<br />
geprägt war, konnte Goethes sakrosankte For mulierung<br />
des Faust-Stoffs keine Opernvorlage dar stellen. Die<br />
Grundlage für „Doktor Faust“ entstammt der Historia<br />
von D. Johann Fausten, dem sogenannten „Volksbuch“.<br />
Dieses ist bekanntlich eine Anekdotensammlung, kein<br />
stringenter Entwicklungsroman. Ähnlich stellt sich auch<br />
Busonis Oper dar, deren zeittypisch ironisch-distan -<br />
zierte Grundhaltung immer durchscheint. Wenn am Ende<br />
noch der Dichter das Publikum zu eigenen Schlussfolgerun<br />
gen auffordert, sind wir nicht mehr weit vom<br />
Epischen Theater und mitten in der „Neuzeit“ der Operngeschichte.<br />
Dass dieses Werk kein „Renner“ werden konnte, bedarf<br />
keines Kommentars. Busonis ganz eigener musikalischer<br />
Stil und sein Eklektizismus sind aber so interessant,<br />
das ganze Werk so witzig, sarkastisch und klug,<br />
dass sich die Wiederbegegnung lohnt. Die 1998 in Lyon<br />
entstandene Aufnahme (Erato, 3 CD) unter Kent Nagano<br />
stellt das Musterbeispiel einer Opernproduktion der<br />
Post-Star-Ära dar. Nagano erweckt Busonis nervös chargierende<br />
Klänge so eindringlich wie distanziert (!) zum<br />
Leben. Die hervorragende Sängerriege unterstützt ihn<br />
dabei in idealer, werkgerechter Weise. Der Bariton<br />
Dietrich Henschel gibt dem unsicher seinen Weg suchenden<br />
Titelhelden ebenso treffende Statur wie der Tenor<br />
Kim Begley seinem Gegenspieler. Die kleineren Rollen<br />
sind durchwegs glänzend besetzt, ein Gretchen kommt<br />
nicht vor – aber Dietrich Fischer-Dieskau, der den Kommentar<br />
des Dichters so überzeugend spricht wie er<br />
ihn früher, hätte Busoni ihn komponiert, wohl gesungen<br />
hätte. Chor und Orchester des Lyoner Opernhauses<br />
runden diese glänzende Aufnahme ab. Sie sollte in keiner<br />
Diskothek fehlen.<br />
Richard Strauss beschritt mit „Ariadne auf Naxos“<br />
einen anderen Weg. Seine dritte Zusammenarbeit mit<br />
Hugo von Hofmannsthal war ein work in progress.<br />
Ursprünglich als Intermezzo zu Molières Bourgeois gentilhomme<br />
konzipiert, expandierte der Stoff innerhalb<br />
weniger Jahre zur heute bekannten Letztfassung (UA<br />
Wien 4. Oktober 1916). In der Erstfassung (UA Stuttgart<br />
25. Dezember 1912) wurde die „Oper“ im Anschluss<br />
an Molière gespielt, die Doppelbesetzung (komplette<br />
Schauspiel- und Opernbesetzung an einem Abend)<br />
erwies sich aber als zu aufwändig. Hofmannsthals Idee,<br />
mittels des „Vorspiels“ und der komödiantischen<br />
In terruptiones der Komödiantentruppe den heroischen<br />
Stil des Stoffs aufzubrechen, führte Strauss zu seiner<br />
stilistisch modernsten, „frechsten“ Musiktheaterschöpfung.<br />
Wie beim „Nachtwächter“ Busonis hat auch hier<br />
die relativierende Stimme das letzte Wort: Zerbinetta<br />
sieht alles nicht so eng – aber menschlich.<br />
Es gibt einige gute Einspielungen der „Ariadne“, doch<br />
nur eine schaffte es in den Olymp der Referenzaufnahmen.<br />
Es fällt mir nicht leicht, sie zu empfehlen, doch<br />
steht ihr singulärer Rang außer Zweifel: die typische<br />
Walter-Legge-Produktion der englischen HMV von 1954<br />
(EMI oder Naxos, 2 CD) zeigt bereits alle Tugenden und<br />
Schwächen Herbert von Karajans: äußerste Professionalität,<br />
singuläre Begleiterqualitäten, federnder, vorwärtsdrängender<br />
Impetus. Doch wirkt sein Dirigat so trocken,<br />
„cool“, es mangelt menschlicher Wärme. Aber in der Oper<br />
geht es nicht zuletzt um die Sängerleistungen – und<br />
diese geben wenig Anlass zu Kritik. Am ehesten kann<br />
man noch an der Gestaltung der Titelpartie mäkeln,<br />
denn auf Elisabeth Schwarzkopf trifft fast alles über Karajan<br />
Gesagte auch zu. Makellos, technisch unübertrefflich<br />
ist ihre Ariadne aber zweifellos. Rita Streich sang<br />
die Zerbinetta genau so gut wie ihre Nachfolgerin, Edita<br />
Gruberova (also toll!). Rudolf Schock (Bacchus) war in<br />
jungen Jahren ein wunderbarer Tenor. Irmgard Seefried<br />
als Komponist wurde niemals mehr erreicht. An der<br />
Spitze der Comprimari erleben wir Hermann Prey als<br />
Harlekin (hätte er statt Karl Dönch noch den Musiklehrer<br />
gesungen, wäre es perfekt). Allen Einschränkungen zum<br />
Trotz eine sehr gute Strauss-Einspielung im alten Stil.