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PDF-Download - Bayerische Staatsoper

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CD-Tipp:<br />

Ferruccio Busoni: Doktor Faust<br />

Richard Strauss: Ariadne auf Naxos<br />

Ludwig Robeller<br />

CD-Tipp<br />

Musterbeispiel einer Opernproduktion<br />

der Post-Star-Ära: „Doktor Faust“<br />

unter Kent Nagano<br />

Referenzaufnahme: Herbert von<br />

Karajan dirigiert „Ariadne auf Naxos“<br />

Sucht man nach Gemeinsamkeiten der beiden Werke,<br />

die bei den Münchner Opernfestspielen neu inszeniert<br />

werden, stößt man rasch darauf, dass sie beide eine<br />

zu ihrer Entstehungszeit neue Musiktheaterästhetik<br />

repräsentieren. Typische Kinder des fin de siècle, stellen<br />

sie Fragen, fertige Antworten bieten sie nicht. Die auf<br />

dem klassischen Drama basierende Spannungsdramaturgie,<br />

die über ein Jahrhundert bestens funktioniert<br />

hatte, wird durch eine gebrochene, ironisch-reflektierte<br />

Haltung ersetzt.<br />

Für Ferruccio Busoni, dessen musikalische, lite rari sche<br />

und philosophische Bildung durch und durch deutsch<br />

geprägt war, konnte Goethes sakrosankte For mulierung<br />

des Faust-Stoffs keine Opernvorlage dar stellen. Die<br />

Grundlage für „Doktor Faust“ entstammt der Historia<br />

von D. Johann Fausten, dem sogenannten „Volksbuch“.<br />

Dieses ist bekanntlich eine Anekdotensammlung, kein<br />

stringenter Entwicklungsroman. Ähnlich stellt sich auch<br />

Busonis Oper dar, deren zeittypisch ironisch-distan -<br />

zierte Grundhaltung immer durchscheint. Wenn am Ende<br />

noch der Dichter das Publikum zu eigenen Schlussfolgerun<br />

gen auffordert, sind wir nicht mehr weit vom<br />

Epischen Theater und mitten in der „Neuzeit“ der Operngeschichte.<br />

Dass dieses Werk kein „Renner“ werden konnte, bedarf<br />

keines Kommentars. Busonis ganz eigener musikalischer<br />

Stil und sein Eklektizismus sind aber so interessant,<br />

das ganze Werk so witzig, sarkastisch und klug,<br />

dass sich die Wiederbegegnung lohnt. Die 1998 in Lyon<br />

entstandene Aufnahme (Erato, 3 CD) unter Kent Nagano<br />

stellt das Musterbeispiel einer Opernproduktion der<br />

Post-Star-Ära dar. Nagano erweckt Busonis nervös chargierende<br />

Klänge so eindringlich wie distanziert (!) zum<br />

Leben. Die hervorragende Sängerriege unterstützt ihn<br />

dabei in idealer, werkgerechter Weise. Der Bariton<br />

Dietrich Henschel gibt dem unsicher seinen Weg suchenden<br />

Titelhelden ebenso treffende Statur wie der Tenor<br />

Kim Begley seinem Gegenspieler. Die kleineren Rollen<br />

sind durchwegs glänzend besetzt, ein Gretchen kommt<br />

nicht vor – aber Dietrich Fischer-Dieskau, der den Kommentar<br />

des Dichters so überzeugend spricht wie er<br />

ihn früher, hätte Busoni ihn komponiert, wohl gesungen<br />

hätte. Chor und Orchester des Lyoner Opernhauses<br />

runden diese glänzende Aufnahme ab. Sie sollte in keiner<br />

Diskothek fehlen.<br />

Richard Strauss beschritt mit „Ariadne auf Naxos“<br />

einen anderen Weg. Seine dritte Zusammenarbeit mit<br />

Hugo von Hofmannsthal war ein work in progress.<br />

Ursprünglich als Intermezzo zu Molières Bourgeois gentilhomme<br />

konzipiert, expandierte der Stoff innerhalb<br />

weniger Jahre zur heute bekannten Letztfassung (UA<br />

Wien 4. Oktober 1916). In der Erstfassung (UA Stuttgart<br />

25. Dezember 1912) wurde die „Oper“ im Anschluss<br />

an Molière gespielt, die Doppelbesetzung (komplette<br />

Schauspiel- und Opernbesetzung an einem Abend)<br />

erwies sich aber als zu aufwändig. Hofmannsthals Idee,<br />

mittels des „Vorspiels“ und der komödiantischen<br />

In terruptiones der Komödiantentruppe den heroischen<br />

Stil des Stoffs aufzubrechen, führte Strauss zu seiner<br />

stilistisch modernsten, „frechsten“ Musiktheaterschöpfung.<br />

Wie beim „Nachtwächter“ Busonis hat auch hier<br />

die relativierende Stimme das letzte Wort: Zerbinetta<br />

sieht alles nicht so eng – aber menschlich.<br />

Es gibt einige gute Einspielungen der „Ariadne“, doch<br />

nur eine schaffte es in den Olymp der Referenzaufnahmen.<br />

Es fällt mir nicht leicht, sie zu empfehlen, doch<br />

steht ihr singulärer Rang außer Zweifel: die typische<br />

Walter-Legge-Produktion der englischen HMV von 1954<br />

(EMI oder Naxos, 2 CD) zeigt bereits alle Tugenden und<br />

Schwächen Herbert von Karajans: äußerste Professionalität,<br />

singuläre Begleiterqualitäten, federnder, vorwärtsdrängender<br />

Impetus. Doch wirkt sein Dirigat so trocken,<br />

„cool“, es mangelt menschlicher Wärme. Aber in der Oper<br />

geht es nicht zuletzt um die Sängerleistungen – und<br />

diese geben wenig Anlass zu Kritik. Am ehesten kann<br />

man noch an der Gestaltung der Titelpartie mäkeln,<br />

denn auf Elisabeth Schwarzkopf trifft fast alles über Karajan<br />

Gesagte auch zu. Makellos, technisch unübertrefflich<br />

ist ihre Ariadne aber zweifellos. Rita Streich sang<br />

die Zerbinetta genau so gut wie ihre Nachfolgerin, Edita<br />

Gruberova (also toll!). Rudolf Schock (Bacchus) war in<br />

jungen Jahren ein wunderbarer Tenor. Irmgard Seefried<br />

als Komponist wurde niemals mehr erreicht. An der<br />

Spitze der Comprimari erleben wir Hermann Prey als<br />

Harlekin (hätte er statt Karl Dönch noch den Musiklehrer<br />

gesungen, wäre es perfekt). Allen Einschränkungen zum<br />

Trotz eine sehr gute Strauss-Einspielung im alten Stil.

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