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PDF-Download - Bayerische Staatsoper

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Interview:<br />

Nicolas Brieger<br />

Fridemann Leipold ist Musikredakteur<br />

bei Bayern 4 Klassik.<br />

Wilfried Hösl<br />

„Eine Realität, die von der Fantasie,<br />

nicht von der Straße bestimmt wird.“<br />

Vom Teufel<br />

geritten<br />

Regisseur Nicolas Brieger über Crashs beim Surfen,<br />

neugierige Sänger und die Albträume des Doktor Faust<br />

Er begann als Schauspieler, inszenierte dann fürs Sprechtheater und zählt<br />

heute zu den international gefragtesten Opernregisseuren. An der <strong>Bayerische</strong>n<br />

<strong>Staatsoper</strong> debütiert Nicolas Brieger nun mit einer Münchner Erstaufführung,<br />

mit Ferruccio Busonis eigenwilliger Faust-Version, die auf dem<br />

alten Puppenspiel vom Doktor Faust beruht und unvollendet geblieben ist.<br />

Herr Brieger, was hat Sie bei der ersten Begegnung mit Busonis „Doktor<br />

Faust“ an dem Stück fasziniert?<br />

Dass es so unzeitgemäß ist. Man hat das Gefühl: Wo bin ich denn jetzt eigentlich?<br />

Weil wir heute ja so einen Hang haben, alles auf unsere Zeit zu<br />

beziehen. Alles muss seine Entsprechung im Fernsehen haben – Irak ist<br />

überall, selbst in der kleinsten Hütte. Da kommt dann plötzlich so ein Stück<br />

daher, das von „Ego“ und „Ich“ handelt, von solchen Individualitätsbegriffen,<br />

die heute fast verschwunden sind. Also dass jemand zurückgeworfen wird<br />

auf sich selbst – da gibt es kein globales Dorf, nicht mal ein Häuschen, auch<br />

das ist schon besetzt; Faust ist einfach unbehaust, sich selbst überlassen<br />

in seinem eigenen Gebäude. Dieses extreme Mit-sich-selbst-Befaßtsein<br />

scheint mir, gerade weil es so unzeitgemäß ist, heute wieder von Bedeutung<br />

zu sein. Wir sind ja allerorten mit dieser Sinnfrage konfrontiert, weil es<br />

beim Surfen auf der Datenautobahn dauernd zum Crash kommt – und wir<br />

nicht wissen, warum. Das führt dann dazu, dass man nirgends ankommt …<br />

Ihre Inszenierung wird also nicht auf vordergründige Aktualisierung<br />

hinauslaufen?<br />

Nein, ich bemühe mich darum, das nicht zu tun – wenngleich ich natürlich<br />

ein Kind meiner Zeit bin; das, was auf der Bühne zu sehen sein wird, hat<br />

hoffentlich nichts mit Mottenkiste zu tun. Ich habe solche Aktualisierungen<br />

ja auch gemacht – aber ich finde inzwischen, dass man das Fremde suchen<br />

muss, das, was einem nicht sofort zugänglich ist. Dass gerade dies Orte sind,<br />

wo der Zuschauer auch die Chance hat, sich mit etwas anderem zu konfrontieren<br />

– statt immer nur die Bilder, die er sowieso schon im Kopf hat, nochmal<br />

zu sehen. Das Theater muss auch die Möglichkeit haben, einen irgendwo<br />

anders hin- und mitzunehmen. Und ich glaube, Busoni wollte das auch.<br />

Darin liegt seine eigentliche Bedeutung – meiner Meinung nach wird er sonst<br />

nämlich zum Spätromantiker. Und das ist er nicht. Er benutzt vieles von diesen<br />

Klängen, aber er gehört auf eine ganz unverwechselbare Weise dem 20.<br />

Jahrhundert an. Wenn man das jedoch einfach ins Heute holt, wirkt es fast<br />

schon wieder altertümlich.<br />

Sie plädieren für das Fremde, Unerwartete. Am Hof zu Parma begrüßt die<br />

Festgesellschaft Faust mit den Worten: „Er naht, mit ihm das Wunderbare“.<br />

Welche Rolle spielt das Wunderbare in Ihrer Inszenierung?<br />

Ich halte das für die Kernfrage, wie man als Regisseur mit Busoni umgeht:<br />

Ob man ihn gegen seinen Willen auf die Ebene von Küchen-Realismus herunterzieht<br />

und banalisiert, indem man auf der Bühne nur Alltagsleben zeigt.<br />

Oder ob man stattdessen versucht, eine artifizielle Ebene zu erreichen, auf<br />

der eine andere Realität herrscht – nämlich eine, die von der Fantasie und<br />

nicht von der Straße diktiert wird. Wenn ich das Fantastische an „Doktor<br />

Faust“ hervorhebe, meine ich damit aber nicht, dass das Ganze in einem<br />

Kaleidoskop greller Effekte versinkt. Die Ebene, auf der Faust agiert, ist vielmehr<br />

die eines Wachtraums.<br />

Das heißt, Sie haben mit Ihrem Ausstattungsteam ein Konzept entwickelt, in<br />

dem das Surreale, die Traumwelt betont wird?<br />

So ist es. Wir unterstreichen dies zum Beispiel dadurch, dass von vornherein<br />

Puppen zum Einsatz kommen – aber nicht als Spielersatz, sondern als Dialog<br />

von Faust mit sich selbst. Es kommt zur Interaktion mit den Sängern,<br />

wobei sich die Welt der Puppen mit der Ebene geisterhafter Erscheinungen<br />

kreuzt und verschränkt: So sind die drei Studenten aus Krakau ja auch keine<br />

realen Gestalten, sondern Traumfiguren. Als Individuen bleiben nur noch<br />

Faust und die Herzogin übrig.<br />

Das Stück hat nicht nur dramaturgisch, sondern auch musikalisch eine offene<br />

Struktur: Es gibt darin viel autonome Musik, etwa die einleitende Symphonia,<br />

die höfische Cortège, die Sarabande – über weite Strecken wird in<br />

dieser Oper nicht gesungen. Wie gehen Sie als Regisseur mit diesen symphonischen<br />

Passagen um, werden Sie die visualisieren?<br />

(Lacht) Mich reitet immer der Teufel in solchen Bühnensituationen! Ich kann<br />

doch, wenn ich im Theater sitze, nicht plötzlich sagen: Ich schalte jetzt um<br />

von Auge und Ohr auf nur Ohr – und schließe die Augen. Das funktioniert

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