PDF-Ausgabe - Bergischer Bote
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Falls Ex-Nationaltrainer Heiner<br />
Brand geplant hatte, sein<br />
Spieler-Gen an seinen Sohn<br />
Markus zu vererben, so ist es ein<br />
kleines bisschen schief gegangen.<br />
Aber nur ein kleines bisschen. Denn<br />
Markus Brand spielt für sein Leben<br />
gern - nur eben nicht beim VfL Gummersbach,<br />
und auch nicht Handball.<br />
Markus Brand und seine Frau Inka<br />
spielen Gesellschaftsspiele. Und die<br />
haben gegenüber Handball den entscheidenden<br />
Vorteil, dass sich immer<br />
wieder neue erfinden lassen.<br />
Nach dem „Kennerspiel des Jahres<br />
2012“ für das Strategiespiel „Village“<br />
sicherten sich die Gummersbacher<br />
Spieleautoren in diesem Jahr<br />
den Titel „Kinderspiel des Jahres“.<br />
Der Sieger „Der verzauberte Turm“<br />
ist eins von insgesamt 230 Spielen,<br />
die Inka und Markus Brand ersonnen<br />
haben. 60 davon wurden in den vergangenen<br />
sieben Jahren veröffentlicht.<br />
Vor diesen sieben Jahren lagen<br />
sieben weitere, für die sich biblisch<br />
die Bezeichnung der mageren<br />
sieben Jahre aufdrängt oder, wie<br />
Markus Brand sie offenherzig beschreibt:<br />
„Konsequent erfolglos“. In<br />
der Anleitung zum Spiel des Spieleerfindens<br />
steht ganz oben, dass es<br />
sich um ein Geduldsspiel handelt.<br />
Sieben Jahre schneidet das Ehepaar<br />
Karten aus, bemalt Spielpläne,<br />
bastelt Figuren, brütet Regeln aus<br />
und reicht Prototyp auf Prototyp ein.<br />
Doch kein Verlag hat Interesse.<br />
„Wir sind viel belächelt worden“,<br />
sagt Markus Brand, „aber wenn ich<br />
jemanden treffen würde, der sein<br />
27. Buch schreibt, das keiner lesen<br />
will, würde ich auch lächeln.“<br />
GEWINNEN SIE 3 X 1<br />
Spieleset<br />
E-Mail/Postkarte mit Tel. bis<br />
17.12.2013: <strong>Bergischer</strong> <strong>Bote</strong>,<br />
Postfach 1110, 51508 Kürten.<br />
verlosung@bergischerbote.de<br />
Die Gewinner können ihr Spieleset mit<br />
„Der verzauberte Turm“ und „Mogel<br />
Motte“ bei Spielwaren Pfeifer in Lindlar,<br />
Hauptstr. 10, entgegen nehmen.<br />
Aufgegeben haben sie<br />
nie, denn ein Hobby, das<br />
mit Leib und Seele geliebt<br />
wird, braucht nicht<br />
zwingend den Erfolg.<br />
Doch dann kam er trotzdem,<br />
2008, und zwar gleich mit der ganz<br />
großen Nummer: Einem Dinosaurierspiel.<br />
Die Werkstatt und Denkfabrik der<br />
Brands befindet sich ein paar Stufen<br />
hinunter im Souterrain. Rund 3.300<br />
Spiele ruhen hier in Regalen, alle<br />
selbst gespielt. Die Variationen des<br />
eigenen Spiels „Village“ besetzten<br />
gleich mehrere Fächer. In 18 Sprachen<br />
ist es erschienen. Brettspiele<br />
sind ein deutscher Exportschlager, in<br />
den USA heißen sie „German-Style<br />
Board Games“.<br />
Neben den Stapeln mit den säuberlich<br />
durchnummerierten 230<br />
Prototypen steht der gemeinsame<br />
Arbeitstisch. Papiere, Bastelmaterial,<br />
ein Laptop „...und das muss<br />
weg, das darf man noch gar nicht<br />
sehen“, sagt Inka Brand und schiebt<br />
einen entstehenden Prototypen beiseite.<br />
An den Wänden um den Tisch<br />
hängen in Plastikkästchen Dinge wie<br />
Klebstoff, Glassteine, Sanduhren,<br />
Spiegel, Magnete, Holzfiguren und<br />
Würfel, die gefühlt für weitere 230<br />
Prototypen reichen. „Ein Spiel muss<br />
optisch fesseln“, sagt Markus Brand.<br />
Farbe, Form, Dimensionen und Haptik<br />
spielen eine Rolle. Das Schwierigste<br />
allerdings sei stets die Spielanleitung.<br />
Sie muss verständlich<br />
sein, eindeutig und für die meisten<br />
Spieler so kurz wie möglich.<br />
14 Jahre Erfindererfahrung haben<br />
Routine entstehen lassen. Heute<br />
wissen die Brands schnell, ob eine<br />
Idee etwas taugt. Die zum Beispiel,<br />
die entstand, als Sohn Lukas James<br />
Bond spielte und aus dem Badezimmer<br />
heraus mit einem Spiegel<br />
den Flur ausspionierte. Sie taugte.<br />
Heraus kam „Die Burg der tausend<br />
Spiegel“. Andere Ideen reifen länger.<br />
„An manchen Spielen haben wir<br />
zwei Jahre gearbeitet, manche waren<br />
in zwei Tagen fertig“, sagt Markus<br />
Brand.<br />
Immer aber steht am Ende eine<br />
ausgiebige Testphase. Zum Beispiel<br />
jeden Montag am Küchentisch mit<br />
der trotz langjähriger Teststrapazen<br />
immer noch freundschaftlich<br />
verbundenen Erwachsenengruppe,<br />
aber auch in Kindergärten und<br />
Schulen. Das größte Gewicht hat die<br />
Meinung der eigenen Kinder Emely<br />
(11) und Lukas (13). Auch wenn<br />
Lukas inzwischen lieber<br />
Schlagzeug spielt.<br />
Emely und Lukas erfanden<br />
ihr erstes Spiel,<br />
als sie sieben und neun<br />
Jahre alt waren. „Wir<br />
hatten Langeweile, und wir wollten<br />
was mit schummeln machen, aber<br />
wir kannten kein Spiel mit schummeln“,<br />
erzählt Emely. Aus einem<br />
Abreißblock wurde ein Zettelspiel,<br />
in dem es darum ging, Zettel unbemerkt<br />
in Ärmeln, Socken oder hinter<br />
Ohren verschwinden zu lassen.<br />
Offiziell sind sie die jüngsten<br />
Spieleautoren, die es je gab. „Aber<br />
ich glaube, dass jeden Tag in allen<br />
Kinderzimmern Spiele erfunden<br />
werden“, sagt Inka Brand. „Es merkt<br />
nur keiner.“ Mit solchen Eltern jedoch<br />
waren die Formalitäten auch<br />
für die erfinderischen Kinder zu bewältigen.<br />
Als „Mogel Motte“ verkaufte<br />
sich ihr Spiel über 30.000 mal<br />
und wurde 2012 mit dem Deutschen<br />
Kinderspielpreis prämiert. „Eigentlich<br />
war es ein Spiel mit Monstern“,<br />
sagt Emily. Der Verlag wollte keine<br />
Monster und machte aus ihnen Motten.<br />
„Schummel-Hummel“ sei auch<br />
noch im Gespräch gewesen, erinnert<br />
sich Inka Brand. Dass Verlage den<br />
Rotstift ansetzen, sieht sie nicht kritisch.<br />
„Da sitzen Leute, die ihr Handwerk<br />
wirklich beherrschen“, sagt<br />
sie, und über die Spieleautoren-Szene<br />
: „Sie sind alle sehr offen - keiner<br />
neidet da dem anderen etwas.“<br />
15.000 bis 20.000 mal verkauft<br />
sich ein Spiel im Schnitt. Mit dem<br />
Spiel-des-Jahres-Siegel locker 20<br />
mal so oft. Daran, die Versicherungsagentur,<br />
die er von seinem Vater<br />
übernommen hat, für die Spiele aufzugeben,<br />
denkt Markus Brand noch<br />
nicht. Der Markt ist schnelllebig.<br />
Jedes Jahr werden zur Spielemesse<br />
in Essen 800 neue Spiele vorgestellt.<br />
Zum Klassiker wie Monopoly<br />
wird kaum mehr eines. Die Siedler<br />
von Catan war eines der letzten.<br />
Und auch das ist schon 18 Jahre her.<br />
„Nach zwei bis drei Jahren sind die<br />
meisten verschwunden“, sagt Markus<br />
Brand. Dazu kommt noch etwas<br />
anderes. „Wer weiß, ob man noch<br />
so viele Ideen hat, wenn man sie<br />
haben muss“, sagt Inka Brand und<br />
zweifelt an Kreativität auf Knopfdruck.<br />
„Ich habe früher Rommé mit mir<br />
selbst gespielt. Inka eins, zwei und<br />
drei“, erzählt Inka Brand, und ihr<br />
Mann verrät, dass zu seinen frühkindlichen<br />
Spiele-Erinnerungen auch<br />
Der Ort, an dem<br />
die Spiele entstehen.<br />
230 waren<br />
es in den vergangenen<br />
14 Jahren.<br />
60 wurden veröffentlicht.<br />
Wer hat‘s erfunden?<br />
Sie haben‘s<br />
erfunden! Emely<br />
und Lukas beim<br />
Mogeln mit der<br />
Mogel Motte.<br />
Geschafft. Inka<br />
und Markus<br />
Brand bei der<br />
Preisverleihung<br />
zum „Kinderspiel<br />
des Jahres“ in<br />
Berlin.<br />
Zwischen Kreativität,<br />
Technik<br />
und Feinmotorik<br />
werden aus ersten<br />
Ideen fertige<br />
Prototypen.<br />
„Jeden Tag<br />
werden in<br />
Kinderzimmern<br />
Spiele<br />
erfunden. Es<br />
merkt bloß<br />
keiner.“<br />
Inka Brand<br />
16 <strong>Bergischer</strong> <strong>Bote</strong> 6-2013<br />
<strong>Bergischer</strong> <strong>Bote</strong> 6-2013<br />
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