Pressemappe Barbara Klemm. Fotografien 1968–2013 - Berliner ...
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Auch wenn die über Jahrzehnte bewußt bilderlos gehaltene Seite eins – erst 2007 wurde das<br />
Dogma aufgegeben 5 – anderes suggeriert: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung war kein<br />
bilderfeindliches Blatt. Aus heutiger Sicht prominente Namen wie Liselotte Strelow, Otto<br />
Steinert, Fritz Eschen, Walde Huth, Chargesheimer, Stefan Moses, Robert Häusser oder F.<br />
C. Gundlach finden sich in den ersten Jahrgängen – neben Hausfotografen wie Fritz Fenzl,<br />
Lutz Kleinhans oder Wolfgang Haut.<br />
Fotografie für die Zeitung hieß freilich etwas anderes als Fotografie für ein Magazin oder<br />
eine illustrierte Zeitschrift. Da waren keine Reportagen gefragt mit einem Aufmacher, einem<br />
Binnenteil und einem Schluß, wie sie – wohl am bekanntesten – die legendäre Zeitschrift Life<br />
von ihren Fotografen forderte. Gefragt waren in sich stimmige, gern querformatige, potenziell<br />
mehrspaltige Einzelbilder, die ein Thema, ein Ereignis, eine Botschaft, ein Gesicht plausibel<br />
transportieren sollten. Gewissermaßen aus dem Stand wurde <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> zu einer<br />
Meisterin dieser Ein-Bild-Erzählungen. Mögen neuere Buchtitel – etwa Blick nach Osten,<br />
Mein Brandenburg oder Straßen Bilder – anderes vermuten lassen: <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> hat nie<br />
an Zyklen gearbeitet, Serien gesucht oder Sequenzen gebaut, was nicht bedeutet, daß sich<br />
nicht auch Teile ihres Œuvres retrospektiv nach Themen organisieren ließen. Gleichwohl<br />
sind es immer Einzelbilder, visuelle Solitäre, mit denen <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> überzeugt, die sie<br />
bekannt gemacht haben und durch die sie sich längst in die neuere Fotogeschichte<br />
eingeschrieben hat. Dabei genügte es ihr nie, einen Sachverhalt stimmig wiederzugeben, ein<br />
Phänomen zu dokumentieren, ein Ereignis zu beschreiben. Bei <strong>Klemm</strong> gibt es immer einen<br />
Mehrwert, eine Art Zusatznutzen, der nicht selten ein hohes Maß an kulturellem oder<br />
politischem Wissen voraussetzt, will er entschlüsselt werden. So gesehen vereint <strong>Klemm</strong><br />
mehrere Bilder, mehrere Bedeutungsebenen in einem einzigen Motiv. Von «Ein-Bild-<br />
Reportagen» spricht Freddy Langer, 6 eine Kunst, die <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong> früh zu der ihren<br />
gemacht hat. Sie «denke wirklich in Einzelbildern », hat sie einmal bekannt. «Ich suche ein<br />
Bild, das den Leser neugierig macht, das eine Geschichte erzählt, auch wenn die sich nicht<br />
unbedingt decken muß mit der, die der Artikel darunter erzählt. In den Ausstellungen und<br />
Büchern stehen dann vielleicht einmal vier oder fünf Bilder von einer Reise beisammen. Aber<br />
für mich ist eine Serie nie interessant gewesen. Das Hintereinanderstellen mehrerer Bilder,<br />
die ein Gespräch abbilden, wie im Film sozusagen, das habe ich nie sonderlich gemocht.» 7<br />
Wer sich in den 1950er Jahren für die Fotografie als Profession entschied, wohlgemerkt:<br />
eine Disziplin von seinerzeit geringem Prestige, war in der Regel inspiriert von der 1955 mit<br />
Aplomb in New York gestarteten und dann weltweit in mehreren Sätzen gezeigten<br />
Ausstellung The Family of Man, von Henri Cartier-Bresson und seinem 1952 erschienenem<br />
Buch Images à la sauvette (engl.: The Decisive Moment), von William Kleins New York von<br />
1956 oder Robert Franks erstmals 1958 publiziertem Bildband Les Américains. Kaum ein<br />
heute bekannter Fotograf der 1960er und 1970er Jahre, der sich nicht von dem einen oder<br />
anderen Ereignis hätte beeindrucken bzw. in seiner Entscheidung für die Fotografie hätte<br />
inspirieren lassen.<br />
Ganz anders <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>, die offenbar ohne große Vorbilder auskam, damit aber auch<br />
der Gefahr des Epigonentums entging und wie von selbst zu einer eigenen,<br />
unverwechselbaren Handschrift fand. Fragt man sie nach prägenden Eindrücken in der Zeit<br />
ihrer künstlerischen Initiation, dann kommt allenfalls der Hinweis auf eine «Ende der 60er,<br />
Anfang der 70er Jahre» in Mannheim gesehene Henri Cartier-Bresson-Ausstellung, die sie<br />
begeistert habe. 8 Aber da war <strong>Klemm</strong> eigentlich schon eine ‹fertige› Fotografin, jedenfalls<br />
eine, die dem eigenen Blick, dem eigenen Gespür vertrauen durfte. Im Übrigen habe sie früh<br />
die Arbeit ihres späteren Kollegen Wolfgang Haut in der FAZ wahrgenommen. «Die Bilder<br />
von Haut habe ich mir schon in Karlsruhe angeschaut», bekennt <strong>Klemm</strong>. «Meine Eltern<br />
hatten die Zeitung abonniert. Was mich interessierte, war immer nur samstags die<br />
Tiefdruckbeilage, um zu sehen, was Haut gemacht hat.» 9<br />
Bleibt das häusliche Umfeld, das bildnerische Werk des Vaters, des Malers Fritz <strong>Klemm</strong>,<br />
dessen formstrenge, die Umwelt in eine klare Zeichenhaftigkeit übersetzende, zur<br />
<strong>Pressemappe</strong>: <strong>Barbara</strong> <strong>Klemm</strong>. <strong>Fotografien</strong> 1968 – 2013 Seite 16